*(65) Provokation*

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Er ist Luft, also atmest du.

Er ist Licht, also siehst du.

Er ist Feuer, also brennst du.

~~~

Wir kamen eine halbe Stunde nach der vereinbarten Zeit auf dem Hof von Emils Werkstatt an.

„Marlon! Hey!", rief er aus einer der Garagen, als Damian und ich daran vorbeiliefen.

„Hey Emil." Ich lächelte ihn an und winkte. 

Als ich merkte, dass es genau das war, was Markus machte, wenn er mich begrüßte, nahm ich die Hand runter und zog für einen Moment in Betracht, sie mir abzuhaken.

„Finn fährt hinten mit deinem Bekannten ein paar Runden."

Da er sein Werkzeug zur Seite legte und aus der Garage zu uns lief, blieben wir stehen.

„Hör mal", meinte Emil vorsichtig, „ich weiß, ihr Jungs seid füreinander da, aber..." Er seufzte. „Ich mache mir Sorgen. Kannst du mir erzählen, was mit Nick passiert ist?"

Ich tauschte einen Blick mit Damian. Seine Augen schrien: „Bloß nicht!" und meine antworteten: „Irgendetwas muss ich sagen. Der Mann hat mir ein Motocross geschenkt."

Bevor es allzu auffällig werden konnte, wandte ich mich an Emil: „Wir sind uns selbst nicht sicher. Meine beste Vermutung ist, dass Nick gerade versucht, mit ein paar Problemen klarzukommen und Finn damit nicht belasten will."

Emil kratzte nachdenklich seinen Bart. „Glaubst du, das wird wieder?"

„Ich wünschte, ich wüsste es."

„Okay. Danke für deine Zeit." Er lächelte mich ehrlich an und ich erwiderte es ebenso aufrichtig.

Emil war ein toller Vater. Er wollte das Beste für Finn. Manchmal war er ein bisschen aufgeschmissen und in diesen Momenten stand ich ihm gern zur Seite. Wir hatten immerhin das gleiche Ziel: Dass es Finn gut ging. Es frustrierte uns beide, dass wir gerade nichts für ihn tun konnten. Zumindest redete ich mir das ein. Weil das, was ich tun konnte, nur zu noch mehr Problemen führen konnte.

Damian und ich verabschiedeten uns von Emil und liefen über den Hof, an den Autos und Garagen vorbei und zur Bahn.

Man hörte die Motoren der Bikes schon von weitem. Als wir in Sichtweite traten, sprangen Finn und Markus gerade über einen Hügel und drifteten, nur ein paar Millisekunden später, in eine Kurve. Jede ihrer Bewegungen sah synchron aus, was bedeutete: Markus Technik war ebenso perfekt wie Finns.

Interessant.

Sie fuhren ihre Runde zuende, rasten direkt vor uns über die Ziellinie und, während Markus sein Bike zum Stehen brachte, ließ Finn den Motor seines Bikes aufbrüllen und fuhr auf dem Hinterrad weiter. Angeber.

Markus schob sein Bike von der Strecke, zu Damian und mir. Er nahm den Helm ab und hängte ihn an den Lenker. „Ich dachte schon, ihr kommt nicht mehr."

„Um dir einen Grund zu geben, uns weiter aufzulauern?", fragte ich herausfordernd.

Markus zog die Augenbrauen nach oben, zeigte aber sonst nicht viel Reaktion. „Wie gesagt, ich wollte nicht zu dir, sondern zu Damian."

„Uns gibt es nur im Doppelpack. Wird Zeit, dass du das in den Kopf bekommst."

Er ließ sich davon nicht provozieren. Stattdessen schmunzelte er, mit einem kleinen Blick zu unseren verschränkten Händen. „Das ist süß, aber leider Teil des Problems."

wild (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt