*(81) Symptome*

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"May your choices reflect your hopes, not your fears" - Nelson Mandela

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In der Pause ging Damian wahrscheinlich zu der Mauer hinter dem Schulhaus. Da waren kaum Leute und er war der einzige, der es überhaupt schaffte lebendig auf die Mauer und wieder runterzukommen.

Trotzdem folgte ich ihm nicht. Ich war zu aufgewühlt und wusste, dass das Gespräch mit ihm es nur schlimmer machen würde. Ich musste mich sammeln und einen ruhigen Moment abpassen, in dem wir genug Zeit und Raum hatten, offen miteinander zu reden. Dafür kam eigentlich nur ein Besuch bei ihm zuhause in Frage.

Ich nahm mein Handy raus und schrieb ihm: „Können wir nach der Schule reden?"

Ihm diese Frage zu stellen machte mir Angst.

Angst davor, dass er nein sagte. Angst davor, was das bedeutete.

Aber auch Angst davor, dass er mit ja antwortete. Angst davor, was er in diesem Falle zu sagen hätte.

Nichts von dem, was er gerade durchblicken ließ, verwies auch nur im Ansatz darauf, dass er mich überhaupt leiden konnte. Seine Augen waren schwarz, seine Mimik ausdruckslos, seine Haltung abweisend. Da war keine Liebe, keine Zuneigung, keine Sorge... Nichts.

Dabei wusste ich, dass es in ihm ganz anders aussah. Das musste es einfach.

Sobald ich mein Handy wegsteckte, versuchte ich meine Gedanken an Damian zu verdrängen und schaute mir an, wie Finn und Alisha open schnick spielten - eine Version von schnick schnack schnuck, bei der man alles Mögliche darstellen konnte und dann ausdiskutieren musste, wer wen mit welchen Fähigkeiten besiegen konnte.

In dieser Runde hatte Alisha sich einen Tiefseehai ausgesucht und Finn sich eine Kettensäge. Sie diskutierten hin und her und, sobald sie merkten, dass ich ihnen zuhörte, versuchten beide mich von zu überzeugen, warum sie recht hatten.

„Wenn man es genau nimmt, treffen eine Kettensäge und ein Tiefseehai nicht aufeinander", meinte ich.

„Darum geht es nicht", sagte Finn zeitgleich mit Alisha, die: „Du verstehst das Spiel nicht", brummte.

Ich zuckte mit den Schultern. „Es ist zu viel möglich, um zu bestimmen, wer gewinnt. Unter Wasser ganz klar der Hai, aber an Land sehr sicher die Kettensäge."

„Habe ich erwähnt, dass es eine wasserfeste Kettensäge ist?"

Alisha verdrehte die Augen und gab Finn einen Klaps auf die Schulter. „Du kannst dir alles Mögliche aus dem Arsch ziehen, das ändert nichts daran, dass deine Kettensäge einen Menschen braucht, der sie bedient."

„Sie ist ferngesteuert", behauptete Finn, was Alisha dazu brachte, genervt aufzustöhnen.

„Und mein Hai hat super krasse Selbstheilungskräfte. Ha! Was sagst du jetzt?"

„Die bringen ihm nichts mehr, wenn er in minikleine Teile zerlegt wird und die Teile auf allen Bergspitzen über die ganze Welt verteilt sind."

„Fick dich."

Finn grinste. „Das heißt, ich habe gewonnen, oder?"

Sie hielt ihm ihren Mittelfinger vors Gesicht.

Er lachte darüber und stürzte sich mit einer Umarmung auf sie. „Ich liebe dich auch!"

Ein Räuspern ertönte neben unserem Tisch. Ich war der erste, der dorthin sah und Kai, Vin und Leander kritisch betrachtete. Sie standen in einer Reihe neben uns, mit betretenen Gesichtern und hochgezogenen Schultern.

„Was wollt ihr?", fragte ich misstrauisch.

Ricos engerer Kreis stand in geringster Distanz friedlich neben uns? Das war entweder Teil eines hinterlistigen Plans oder der Beginn der Apokalypse.

wild (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt