*(19) Seiten*

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Er zeigt dir Seiten von dir, die du längst vergessen hast.

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Obwohl Damian der Meinung war, wir könnten auch weiterhin in seinem Zimmer bleiben und uns später etwas zu essen holen, konnte ich ihn davon überzeugen, am abendlichen Familienessen teilzunehmen.

Zugegeben, das war Teil meiner Neugierde. Ich wolle sehen, welche Leute sich den problematischsten Jugendlichen ausgesucht hatten, um ihn zu sich zu holen.

Damian ließ sich von mir aus seinem Zimmer und nach unten zerren. Er tat so als wollte er nicht mitkommen, aber wir wussten beide, dass er kein Problem damit hätte, sich zu wehren.

Erst, als wir die Treppe hinter uns hatten, hörte er auf, sich ziehen zu lassen und lief neben mir her. Mir fiel nicht auf, dass es so aussah als hätten wir die gesamte Zeit über Händchen gehalten, bis sich alle Blicke auf uns richteten.

Ich zog meine Hand aus seiner und versteckte sie hinter meinem Rücken.

Damian warf mir einen belustigten Blick zu, legte seine Hand an meine Schulter und schob mich zum Tisch.

„Toll, dass ihr Zeit gefunden habt, runter zu kommen", freute sich die Frau, die ich als Nicks Mutter identifizierte.

„Wie wäre es mit einer kleinen Vorstellungsrunde?", meinte ihr Mann, mit einem fragenden Blick in die Runde.

Als kein Widerspruch kam, führte er fort: „Ich bin Bernd und meine Frau heißt Angelina. Ihr könnt uns gerne duzen."

Nicks Hand schoss nach oben. „Ich mache weiter! Mama, Papa, das ist Finn." Nick legte einen Arm um Finns Rücken. „Wir daten."

„Daten?", fragte Nicks Mutter neugierig. „Also geht ihr auf Dates?"

„Genau."

„Also ist er dein Freund?"

„Äh..." Nick schaute ahnungslos zu Finn.

Die Überforderung meines besten Freundes brachte mich beinahe zum Lachen. Ich schaffte es mit Mühe und Not, keinen Ton zu machen und genoss mit Damian die Show.

„Wir lernen uns erst noch richtig kennen", sagte Nick nach einer unangenehm langen Pause. „Aber ich mag ihn sehr und ich hoffe, ihr blamiert mich nicht."

„Das machst du durch deinen Style schon ganz alleine."

Mein Versuch, mein Lachen zu unterdrücken endete in einem ekelerregenden Grunzen, das die Aufmerksamkeit aller auf mich zog.

„Sorry", murmelte ich, mit gesenktem Blick.

Damian zeigte mit seinem Daumen auf mich. „Der Idiot heißt Marlon. Kommt mit Finn im Doppelpack. Nick bezahlt mich, damit ich ihn ablenke und er so ein bisschen Zeit allein mit Finn haben kann."

Nick schnappte empört nach Luft. „Lüge!"

„Okay, ich mache es für den Sex."

„Mit wem?", fragte Finn, der als einziger nicht vollkommen schockiert dasaß.

„Marlons Hand. Manchmal auch Mund. Je nach dem, wie großzügig er gerade ist."

„Lüge!", empörte diesmal ich mich.

Damian grinste, ja er wirkte so als hätte er den Spaß seines Lebens, während ich knallrot dasaß und versuchte, die Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben.

„Arschloch." Ich trat ihm ans Bein.

Er grinste bloß, verhakte seinen Fuß mit meinem und zog ihn zu sich, sodass ich keine andere Wahl hatte, als näher zu ihm zu rutschen.

„Marlon ist Finns bester Freund", erklärte Nick seinen Eltern. „Damian hat nicht die Sozialkompetenz, Marlon auf normale Art und Weise zu sagen, dass er auf ihn steht und versucht es deshalb mit schlechten Witzen."

„An deiner Stelle wäre ich mal ganz leise", gab Damian unberührt zurück und wandte sich an Bernd. „Können wir jetzt essen?"

„Bitte." Bernd machte eine Bewegung, die so viel hieß, wie, dass wir uns bedienen sollten.

Jeder befüllte seinen Teller, wir begannen zu essen und Nick unterhielt den Tisch.

„Gib mal deine Gabel", flüsterte ich Damian zu.

Fragend reichte er sie mir. Ich piekte die Putenstreifen aus meinem Salat und lud sie auf Damians Teller ab. Nicht, weil ich sie nicht mochte, sondern, weil ich wusste, dass er sie brauchte.

Er schaute mir mit zusammengezogenen Augenbrauen dabei zu. Erst, als ich fertig war, und sich mein Fleisch auf seinem Teller häufte, sickerte die Erkenntnis zu ihm durch.

Ich ignorierte seinen schockierten, ja beinahe gerührten Blick und aß meinen Salat.

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Später, auf dem Weg nachhause, fragte Finn mich, was es mit Damian Sex-Witz auf sich gehabt hätte.

„Solche Witze macht man nicht einfach so. Und hast du gehört, was Nick gesagt hat? Damian steht auf dich!"

„Nick hat nur versucht, Damian zu ärgern", wiegelte ich ab. „Du machst doch auch Sexwitze mit mir. Ist normal in einer Freundschaft."

„Aha. Also seid ihr jetzt Freunde?"

„Denke schon."

„Habt ihr euer Problem von letzter Woche geklärt?"

„Nicht wirklich."

Finn warf mir einen verwirrten Blick zu, richtete die Augen aber sofort zurück auf die Straße. „Ich hasse es, vernünftig zu sein, aber... Pass auf dich auf, okay? Ich würde mich nur sehr ungern mit Damian anlegen müssen."

„Wirst du nicht, großer starker Beschützer. Keine Sorge."

„Hoffentlich. Alisha könnte es vielleicht mit ihm aufnehmen. Ich nicht."

„Damian ist harmlos", beruhigte ich Finn.

Und ich glaubte es. Damian war harmlos. Nur, alles, was mit ihm kam, war es nicht.

wild (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt