*(69)-D*

280 32 2
                                    

Ich konnte mich besser an diese Nacht erinnern als Marlon, aber auch für mich war nicht alles deutlich. Mein Hirn war zu sehr damit beschäftigt gewesen, dafür zu sorgen, dass ich funktionierte, um einzelne Aspekte wahrzunehmen oder zu verarbeiten.

Marlon brach neben Rico zusammen. Ich begriff, dass er sich verwandelte. Ich sah es, ich roch es, ich hörte es und ich spürte es.

Ich ignorierte, wie Alisha Finn schluchzend erklärte, dass Rico ihr nichts angetan habe. Ich roch sein Blut und sagte zu Finn, dass er einen Krankenwagen rufen sollte. 

Finn war verwirrt, schockiert und besorgt, doch ich hatte keine Zeit, mich weiter mit ihm auseinanderzusetzen. Ich war mir selbst nicht sicher, was hier passierte. Ich wusste nur, dass ich Marlon wegbringen musste, bevor jemand anderes verstand, dass das alles andere als normal war.

Ich konnte mich daran erinnern, seinen krampfenden Körper zu tragen, ohne zu wissen wohin. Ich redete mit ihm. Irgendwas von wegen, dass er sich auf meine Stimmen konzentrieren sollte und, dass alles gut werden würde.

Ich wusste nicht, ob es wahr war, aber es zu hoffen sorgte dafür, dass ich einen Schritt nach dem anderen gehen konnte.

Marlon presste meinen Namen hervor, immer und immer wieder.

„Ich bin da", sagte ich. „Ich habe dich. Ich bin bei dir."

Es kam mir vor wie Stunden, in denen ich ihn festhielt und an Leuten, die uns entgegenkamen, vorbeidirigierte. Viel schlimmer war jedoch seine plötzliche Stille.

Er sackte in meinen Armen zusammen, ohne den Hauch von Spannung in seinem Körper. Alles in ihm stand still. Jeder Muskel, jedes Gelenk und jeder Knochen verweilte mitten in der Bewegung an Ort und Stelle. Die Angst, der Schmerz, das Leid verschwanden aus seinem Geruch. Nur sein Herz schlug weiter. Unregelmäßig, aber es schlug.

Ich legte ihn auf einer Bank am Rand eines Weges ab und hielt eine Hand an seiner Brust, um zu spüren, wie er atmete, während ich mit der anderen Hand mein Handy hervorfischte und auf Sebs Kontakt tippte.

Etwas anderes fiel mir nicht ein. Ich hatte niemanden, den ich sonst um Hilfe bitten konnte. Ich hatte niemanden.

Es klingelte nur drei Mal, aber es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, bis Seb abnahm: „Es ist mitten in der Nacht."

Ich ignorierte den Vorwurf in seiner Stimme. „Wo sind deine Spione? Ich brauche Hilfe."

„Welche Art von Hilfe?" Plötzlich klang Seb um einiges wacher. „Hast du wen umgebracht?"

„Nein." Ich hatte nicht die Kapazitäten, ihn zu fragen, wie er mir in so einem Fall helfen konnte. „Marlon ist- Keine Ahnung. Irgendwas passiert mit ihm."

„Okay? Also Beziehungsstress?"

„Als würde ich dafür dich anrufen", giftete ich. „Nein. Er war- Er hat plötzlich angefangen- Er verwandelt sich."

„Oh."

„Es hat mitten drin aufgehört. Er ist bewusstlos, atmet kaum und sein Herz dreht vollkommen am Rad. Was passiert mit ihm?"

„Klingt so als würde er sich verwandeln."

„Ja, du dummes Stück Scheiße, so weit habe ich es auch kapiert! Aber wieso?! Und wie kann ich ihm helfen?!"

Er sagte nichts.

„Seb", knurrte ich drohend.

„Hast du ihn gebissen?"

Ich schluckte und drängte alle Erinnerungen daran zurück. Ich wollte nicht daran denken. Ich wollte, dass es nie pasisert war. Ganz egal, wie oft Marlon mir sagte, dass ich alles, was passierte, als Prozess sehen sollte, als Lernerfahrung... Das änderte nichts daran, dass ich die Kontrolle verloren und ihn verletzt hatte. Viel mehr als ich hätte ahnen können.

wild (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt