Kapitel 18

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Seit Stunden starrte ich an die weiße Decke in meinem Zimmer. Ich dachte an nichts, aber irgendwie doch an etwas. Ist es nicht komisch, wie sich mein Leben in so kurzer Zeit geändert hat. So viele neue Dinge, die ich erlebt habe zusammen mit Alma und Justus. Ich habe Marco kennen gelernt und auch die anderen Fußballer, wo ich mich bis jetzt immer noch frage, wie das alles passieren konnte. Ich hatte die Vergangenheit irgendwie hinter mir gelassen und doch tritt sie immer wieder in Bruchstücken auf.

Mein eingestellter Wecker klingelte. Na toll, ich hatte ja wahnsinnig viel geschlafen. Ich zog mir schnell meine Arbeitsklamotten an und machte mir einen hohen Pferdeschwanz. Das würde eine lange Nachtschicht werden. Vor allem, wenn ein Baby meint mitten in der Nacht die Welt erblicken zu müssen. Das ist nicht nur anstrengend für die Mütter, sondern auch für die Hebammen. Man darf nie einen Fehler machen, ansonsten bist du für die Leben der anderen mit verantwortlich.

Ich entdeckte nirgendwo eine Alma, aber ich hätte jetzt auch keine Zeit mehr sie zu suchen oder ihr zu schreiben. Ich bin in letzter Zeit sehr oft zu spät zur Arbeit gekommen und jetzt kurz vor Ende der Ausbildung müsste ich noch einmal alles geben. Was ich hab, hab ich.

Ich steckte mein Handy und meine Schlüssel in meine Tasche und schloss die Tür hinter mir.

Die Luft draußen war erstaunlich kalt. Ich spürte, wie sie meine Haut durchfraß. Ich ignorierte es und ging aufs Auto zu. Plötzlich hörte ich Fußtritte hinter mir. Ich bildete mir sowas zwar auch öfters ein, aber dieses Mal hatte ich Recht. Vor mir stand ein Mann im Dunkeln. Ich konnte ihn nicht genau erkennen, erst als er unters Licht der Straßenlaterne trat. Da stand er. Mein Vater.

Das kann doch jetzt nicht sein gottverdammter Ernst sein!

Ich wollte einfach nur ins Auto, doch er rief nach mir.

„Was?" rief ich genervt zurück und gab ihm damit auch zu verstehen, dass ich absolut nicht die Lust dazu verspürte mit ihm zu reden. Wie hatte er überhaupt herausgefunden, wo genau ich wohne? Diese Frage müsste ich mir bei meinem Vater wohl nicht mehr stellen.

„Was bist du denn so?" trat er näher. Er hat Falten bekommen und seine Augen waren rot.

Ich sagte nichts.

„Hey, willst du deinen alten Vater nicht mal umarmen? Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen."

Ich stand immer noch auf dem gleichen Fleck. Er breitete die Hände aus. Erst jetzt roch ich seinen Atem. Er hatte sich also immer noch nicht geändert.

„Anscheinend nicht." sagte er enttäuscht. Ich sagte immer noch nichts, was hatte ich ihm auch schon zu sagen.

„Was ist denn nur mit dir los!?" wurde er nun lauter.

„Ich habe alles getan für dich. Du bist meine Tochter! Und ich habe ein Recht darauf dich zu sehen!"

„Ich bin 23."

„Ja eben! Da muss man doch schon so vernünftig sein und sich wenigstens ab und zu bei seinem Vater melden." Ich hoffte, dass die Nachbarn weiter schlafen würden oder es gar nicht erst bemerken, dass hier jemand spät Abends rumschreit.

„Ich bin alt genug, das selber entscheiden zu können."

„Was ist bloß aus dir geworden? Hat dir deine Mutter das alles eingetrichtert?"

„Mama hat damit gar nichts zu tun."

„Na klar! Sie hat mich doch nie geliebt und dich doch auch nicht! Wie konnte sie dich überhaupt entbinden!"

Ein Kloß blieb mir im Hals stecken. Mein Vater hatte das schon oft zu mir gesagt und manchmal hatte ich wirklich das Gefühl meine Mutter wollte mich nie wirklich, aber er hatte immer noch nicht das Recht so über sie zu reden.

Pure chance (Marco Reus FF)Where stories live. Discover now