Kapitel 46

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Ich wusste zuerst gar nicht, wie ich es erklären sollte, was vorgefallen war. Doch die Ärzte und Schwestern fragten Gott sei Dank nicht länger nach. Ich sagte ihnen, dass irgendein Obdachloser ihn verprügelt hatte und ich zufällig vorbei gekommen war. Sie glaubten mir sofort, warum auch immer. Eigentlich dachte ich, ich wäre total schlecht im Lügen, aber ich glaube aus der Not heraus funktionierte es.

„Sie dürfen jetzt zu ihm." sagte mir die Schwester. Am Liebsten wäre ich schon längst gegangen, jedoch müsste ich Marco noch mit meiner Notlüge aufklären, damit es keine Komplikationen gab. Er lag in seinem Bett und hatte die Augen geschlossen. Er erinnerte mich ein bisschen, an mich selbst, als ich hier lag und fast alles vergessen hatte. Nun sah er mich an.

„Na meine Retterin?" versuchte er ein bisschen aufmunternd zu klingen. 
„Geht es dir besser?"

„Kann man so sagen." 
„Ich habe den Ärzten gesagt, dass dich jemand überfallen hat und ich es zufälliger Weise mitgekriegt hätte, damit das klar ist."
„Wusste gar nicht, dass du lügen kannst." 
„Tja, bin halt immer für Überraschungen gut." Er lächelte mich an, so wie er es früher immer getan hatte. Gott, hatte ich das vermisst. Doch es brachte mich in die Realität zurück. Er selbst hatte zu mir gesagt, dass ich nur ein weiterer Zeitvertreib war, ich dürfte mich nicht weiter mit ihm beschäftigen, wenn ich endlich von ihm loskommen wollte.

„Wenn du meinen Vater anzeigen möchtest, nur zu. Der Idiot hat es verdient. Nicht, dass du denkst, du kannst es nicht tun, weil es mein Vater ist."

„Schon gut. Irgendwie habe ich es ja verdient." Allerdings. Trotzdem konnte ich ihn nicht so einfach dort liegen lassen. Mein Herz sprach zu mir.

„Ami, ich weiß, was ich vorhin gesagt habe..." 
„Ist schon gut. Marco... ich habe nachgedacht und es wäre wirklich das Beste, wenn wir Abstand zueinander halten. Ich meine, du hast bald eine Familie." 
„Aber..." 
„Es würde mir nur noch mehr weh tun, verstehst du?" Er sah mich traurig an.

„Ich muss dich gehen lassen." Es auszusprechen, war so ein großer Schritt. Ihm das jetzt alles zu sagen, erschien mir als so ein großer Schritt.

„Du warst der erste Mann, der mich seit Jahren wieder richtig glücklich gemacht hat. Ich konnte dir vertrauen, ich habe dir alles erzählt und du hast mir zugehört. Du bist wirklich mit das Beste, was mir in diesem Augenblick passieren konnte." Er wollte darauf etwas erwidern doch ich legte zwei Finger auf seinen Mund. Ich wollte gar nichts mehr von ihm hören.

„Ich liebe dich Marco Reus und ich weiß, dass es schwer sein wird, das nicht mehr zu tun." Ich küsste ihn auf die Stirn. Er sagte nichts, sondern blickte mir einfach nur noch nach.

Als ich die Tür schloss, kämpfte ich mit den Tränen. Das war wohl so eine Art „Leb wohl" und das war verdammt nochmal hart. Ich rannte so schnell es ging über den Flur, bis ich gegen jemanden stieß. „Sorry, das tut mir so leid, das wollte ich nicht." Als ich mich umblickte, um zu sehen, wen ich fast umgestoßen hatte, wurde ich ganz fassungslos. Es war Finn. Unglaublich, aber wahr!

„Hey, Amelie!" Er schien mich nun auch wieder zu erkennen.

„Hey." lachte ich ein wenig.

„Ich bin so froh dich wieder zu treffen, wie geht es dir und vor allem deinem Kopf?"

„Ach... gut so weit." Das mit dem Kopf stimmte, allgemein gesehen... naja.

„Super. Du scheinst ja wieder in Topform zu sein." schmunzelte er, was seine Grübchen herausstechen ließ. Sie waren echt schön anzusehen. Und Alma hatte Recht, so gut gebaut wie er war, hatte er zu hundert Prozent ein Sixpack.

„Erzählst du mir nun wie das mit deinem Kopf passiert ist."

„Mhmmhh...."

„Das ist wohl eher ein Nein." 
Ich lachte.

„Naja, vielleicht magst du es mir ja erzählen, wenn wir uns näher kennen gelernt haben." Ich sah ihn verwirrt an.

„Oh Gott, du bist doch Single oder? Bitte, ich weiß, du bist eine wunderschöne Frau und hast allen Grund vergeben zu sein, aber bitte Herr und Gott im Himmel..." 
„Ich bin Single." sagte ich, um ihn zu beruhigen und konnte mir wieder das Lachen nicht verkneifen.

„Ich habe immer wieder gehofft, dich wieder zu sehen. Hab ich dir eigentlich meine Nummer gegeben oder nicht?"

„Ehm... um ehrlich zu sein, keine Ahnung." 
„Naja egal, dann kriegst du sie eben jetzt. Bekomme ich mal dein Handy?" Ohne ihm zu widersprechen, holte ich mein Handy aus der Tasche und er tippte seine Nummer ein.

„Wenn du Lust hast, kann man sich ja mal treffen." Er kratzte sich nervös am Kopf.

„Ehm... ja klar. Warum nicht?"

„Super. Ich freu mich! Du... ich muss jetzt leider wieder..." 
„An die Arbeit, ich versteh schon." Er lächelte mich zufrieden an.

„Dann bis irgendwann, Amelie. Du siehst übrigens toll aus, heute." Ich lachte wieder auf.

„Wie war das nochmal mit Komplimenten und Kennen lernen?"

„Dafür haben wir ja jetzt bald Zeit." sagte er und verschwand auch schon um die nächste Ecke.

Finn ist so anders, aber positiv. Er ließ mich für einen Augenblick alles vergessen. Vielleicht sollte ich es wirklich in Betracht ziehen, mich mit ihm zu treffen. Was würde schon passieren? Außerdem ist es ja nun sowieso offiziell auch meinerseits mit Marco aus.

Irgendwann müsste ich mich wohl oder übel nach jemand anderem umschauen und Finn schien nett zu sein, wenn auch ein wenig verrückt. 

Pure chance (Marco Reus FF)Where stories live. Discover now