» 2. Kapitel

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Nach dem Duschen und in der gewohnten schwarzen Hose und dem weißen, sauberen Shirt fühlte ich mich direkt wie neugeboren und viel wohler.

Mein Blick fiel auf das Display meines Armbands um mein dünnes Handgelenk, welches wie eine Art Mini Server oder auch Computer diente. Ich würde der Uhr dort nach gerade so pünktlich in der Halle ankommen, doch trotzdem musste ich mich beeilen.

Hastig huschte ich den breiten, weißen Gang von Level 19 mit anderen Nachkömmlingen entlang, dessen Decke von metallischen und blauen Säulen gestützt wurde. Die Wand zu meiner Rechten bestand zum größten Teil nur aus Glas und man konnte bis zum Anfang des Parks sehen.

Nur bis zum Anfang. Und nur bis zum Anfang durften wir uns auch entfernen, keinen Schritt weiter.
Doch sobald Taehyung und ich offiziell auf Level 20 kamen und die Sicht sich verbesserte, würden wir auch dorthin gehen können.

Schon beim Gedanken an Spaziergänge im Park machte mein Herz einen Sprung.
Dafür lohnte es sich, nicht aufzugeben und zu leveln. Dafür lohnte sich jedes Risiko.
Dafür lohnte sich die Gefahr vom Scheitern und Verschwinden.

„Da bist du ja, Kleines", kam mir Taehyung entgegen, der einer der Einzigen war, die gegen den Strom von der Halle wegliefen, und das nur wegen mir.

„Jaja, hier bin ich", ich sah von der Landschaft weg und neben mich, wo jetzt nun Taehyung neben mir lief.

„Ich dachte schon, du kommst zu spät."

„Damit Alles umsonst war? Träum weiter", lachte ich und bog nach links weiter in das Zentrum des riesigen Gebäudes.
Hier gab es nun keine großen Fenster mehr sondern nur noch jede Menge Wände, Flure, Abzweigungen und Zimmer. Am Liebsten waren mir aber die äußeren Flure mit den Fenstern.

Die Haupthallen lagen immer jeweils genau in der Mitte, weswegen wir jetzt noch einige Abzweigungen nehmen müssten.

„Ah, guck mal dahinten", raunte Tae mir zu und deutete unauffällig beim Gehen weiter nach vorne in den Gang.
Mein Blick blieb an dem orangenen Haarschopf hängen, der einen starken Kontrast zur Wand darbot.

„Jimin", murmelte ich. Beinahe gleichzeitig grummelte Taehyung ungehalten auf.
Es gehörte sich nicht, Neugierde oder Interesse an eine andere Person zu haben, die nicht der eigene Partner war.
Doch ich konnte es nachvollziehen. Auch mir wurde mulmig, wenn ich mich mit Mädchen unterhielt und Tae bei mir war und sie schweigend ansah.

Sofort sah ich woanders hin. Ein Missverständnis, einen Regelverstoß oder Ähnliches durften wir uns einfach nicht leisten.
Doch da hatte ich Jimin schon an der nächsten Ecke aus den Augen verloren.

„Da sind wir", murmelte Taehyung mir zu und griff nach meiner Hand, damit wir hineingehen konnten und uns drinnen nicht verloren.
Seine Hand war angenehm warm und ich umschloss sie mit meiner, während wir den Eingang zur großen Halle betraten und uns zu den Anderen nebeneinander aufreihten.

Die große Halle war ein ganz besonderer Ort, der einzige, dessen Wand und Boden schwarz war. Immerhin fand hier eine wichtige Verkündung statt.

Mucksmäusschenstill standen wir da und starrten nach vorne, nur noch die Schritte vereinzelter Nachkömmlinge hallten durch die hohe Decke.
Nur vereinzeltes Geflüster war zu hören, welches jedoch ignoriert wurde, schließlich hatte noch nichts angefangen, der Rest der Paare unterhielt sich vielleicht über Gedanken.

„Ich habe gehört, es soll jemand gescheitert sein!"
„Was? Ehrlich? So früh?"
„Ja, das habe ich auch gehört."
„Unglaublich, es ist lange niemand mehr gescheitert..."
„Hoffentlich sind wir das nicht."

Taehyung und ich tauschten einen unsicheren Blick aus. Aufmunternd lächelte mir Taehyung noch zu.

Plötzlich wurden die Lichter gedimmt und die große Leinwand langsam nach unten gefahren.
Sofort verstummte auch noch das letzte Gemurmel und sowohl Tae als auch ich und die Anderen wandten unsere Aufmerksamkeit nach vorne.

Der Projektor ging an und warf das Bild von Namjoon an die Leinwand. Während er seine übliche Rede begann, schweifte ich in Gedanken ab.
Er war einer Drei, die es bis Level 100 geschafft hatten.
Als wäre das schon nicht extraordinär genug war er auch noch der einzige der Drei, der sich öffentlich und bekannt zeigte.

Die anderen Beiden und vor allem die Partner waren ein Mysterium, eine Legende und manche zweifelten, ob es tatsächlich stimmte und nicht nur Namjoon alleine ganz oben war.

Ganz oben.
Level 100. Das oberste Level. Das Maximum an Freiheit.
Das ultimative Ziel.

„Und nun die Ergebnisse bitte", schloss Namjoon seine Rede mit einem ausdruckslosen Gesicht und verschwand von der Fläche, an der nun eine Tabelle erschien und einzeln von oben nach unten Namen auftauchen ließ.

Kurzes Raunen ging durch die Menge. Es war wahr gewesen, da unten war eine rote Linie und darunter Platz für ein Paar.
Die Gerüchte vom Gemurmel stimmten.

Unruhe beherrschte plötzlich den Raum, alles schien den Atem anzuhalten und erst wieder aufzuatmen, als man seinen und den Namen seines Partners im sicheren Bereich der Tabelle sah.

Name für Name tauchte auf und mit jedem Mal, dass es nicht Taehyung und ich waren, wurde ich unruhiger.
Mein Herz fing an zu rasen je höher der Rang wurde und desto näher er dem roten Bereich kam.

»Verdammt, das sieht knapp aus«, meldete sich Tae nach einem unangenehmen Knacken in meinem Kopf.

»Knapp ist gar kein Ausruck«, antwortete ich.
Nur noch 5 Plätze im sicheren Bereich... 4...

»Verdammt«, ich spüre, wie Taehyungs Hand ängstlich meine umgriff. Es war wie ein Klammern, eine ängstliche Suche nach Halt.

»Es tut mir so Leid«, bei 3 und noch immer nicht unsere Namen wurde mir schwindelig und Tränen stiegen mir in die Augen, die ich sofort zusammenkniff.
»Ich hätte nicht rumspaßen, mich mit Jimin unterhalten und mich an den Ablauf halten sollen. Es tut mir so unendlich Leid.«

Level 100 «Where stories live. Discover now