» 50. Kapitel

2.2K 258 63
                                    

Vielsagende und fordernde Blicke warf mir Suga zu, während er mich schweigend, den Mund zu einem sanften Lächeln ruhend, ansah.

Einen Moment hielt ich noch inne, doch es bestand kein Zweifel, dass Suga das Gespräch zwischen J-Hope und mir bis zu einem gewissen Teil mitbekommen hatte.
Also warum sollte ich ihn nicht auch direkt fragen?

„Also, da gibt es tatsächlich viel, was ich dich noch fragen wollte", gab ich zu.
Obwohl viel wirklich untertrieben war, wie ich fand.

„Das habe ich mir beinahe gedacht", Suga nickte mir zu.
„Du kannst mich immer Alles fragen. Also los, was geht dir als Erstes für eine Frage durch den Kopf?"

Seine Partnerin.

Eigentlich war sie die Erste, die mir sofort in den Kopf schoss.
Natürlich wusste ich weder wie sie aussah, noch wie sie hieß, gar wie sie so war, doch trotzdem dachte ich sofort an sie.
Ich wusste nicht warum. Dieses Gefühl war merkwürdig.

War es taktlos, sofort nach ihr zu fragen? Vielleicht sollte ich mit etwas Anderem anfangen.
Etwas Anderem, das eventuell nicht so direkt war, jedoch mich trotzdem beschäftigte, denn mit sinnlosen Fragen wollte ich Suga natürlich nicht belästigen.

„Warum war eine Regel, mal ganz davon abgesehen, dass sie hier unten sowieso überflüssig ist, dass ich an keine Fenster treten darf?", fragte ich ihn schließlich.

Sofort wurde sein Lächeln schwächer. Seine Mundwinkel hatten eindeutig gezuckt, auch wenn Suga es mit einem genauso schwachen Lachen zu überspielen versuchte.

„Nun...", er zögerte deutlich mit der Antwort und holte noch einmal tief Luft, bevor er fortfuhr.
„Weil ich dort oben Angst hatte, dass du auf den Gedanken kommen könntest zu springen."

„Springen?"
Unsicherheit packte mich.
Vielleicht hatte ich genau die falsche Frage genommen, die ich eigentlich ursprünglich vermeiden wollte.

„Hm, ja", Suga stieß einen tiefen Seufzer aus.
„Was mit J-Hopes und Namjoons Partnerinnen passiert ist, weißt du ja.
Meine Partnerin ist danach verzweifelt geworden. Und gesprungen."

„Das tut mir Leid...", murmelte ich, obwohl es noch lange nicht Alles war, was ich sagen wollte, konnte jedoch nicht.
Worte konnten nicht ausdrücken, was ich gerne sagen würde.

Doch Suga beachtete mich sowieso nicht mehr, sondern starrte in Gedanken versunken auf eine der roten Rosen an der Hecke.

„Das Fenster war unser Lieblings Platz.
Man kann von dort aus über Alles hinweg sehen, bis an die Grenzen unserer Freiheit. Und das Gefühl damals, dass das alles an Freiheit war, das Gefühl, es fast komplett geschafft zu haben, war unglaublich. Schon allein dafür hatte es sich gelohnt. Schon allein dafür war es alle Risiken wert gewesen.
Freiheit."

Er hielt einen Moment inne und holte noch einmal tief Luft.

„Wir haben uns den Sonnenuntergang angesehen. Sie war seltsam. Ich wusste, irgendetwas war anders an ihr, sie verhielt sich nicht normal, doch ich Dummkopf habe es nicht hinterfragt.
Die Sonne ging unter.
Kennst du diese Farbverläufe bei jedem Sonnenuntergang?"

Ich deutete ein leichtes Nicken an.

„Wir sahen hinaus und schwiegen. Es hätte so schön sein können. Wir liebten Sonnenuntergänge.
Plötzlich öffnete sie das Fenster. Sie sagte mir noch, dass sie aufgab und dass sie keine Zukunft sah. Und dass sie so vielleicht mehr Freiheit bekommen würde.
Als sie mich fragte, ob ich mitkommen wollen würde, habe ich verneint. Es war zu überraschend, zu plötzlich. Ich weiß nicht, warum ich nicht reagiert habe.
Hätte ich doch nur reagiert.
Mit einem Gute Nacht wandte sie sich um, trat vor und sprang."

„Suga...", meine Kehle hatte sich mit jedem Wort mehr und mehr zusammengeschnürt.
Jetzt fehlten mir noch mehr die Worte. Und Alles, was ich hervor brachte, war nicht mal sein echter Name.

„Kennst du den Farbverlauf nach dem Sonnenuntergang, kurz nach dem orange? Den dunklen Himmel und die roten Strahlen? Diese knallroten, dunklen Sonnenstrahlen auf den Wolken?
Es war schrecklich."

Level 100 «Where stories live. Discover now