» 66. Kapitel

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Plötzlich jedoch lenkte etwas anderes die Aufmerksamkeit meines Blickes von Suga weg auf sich.
Es war ein Gewehr, das mit lautem Knall zu Boden fiel.

„FN-2187, was hat das Alles zu bedeuten? Ich verlange eine Erklärung!", die Stimme des Oberarbeiters zitterte mindestens genauso stark wie Suga. Anscheinend verlor er die Fassung, wenn er auch die Kontrolle verlor.

„Eine Erklärung?", vernahm ich Jins Stimme.
„Die kann ich gerne liefern!"

Seine Stimme klang mit einem Mal viel deutlicher als zuvor. Anscheinend hatte er auch seine Maske abgesetzt. Wie zur Bestätigung sah ich, wie diese neben der Waffe auf den Boden fiel.

„Ich bin nicht FN-2187, sondern Jin! Ich bin kein Arbeiter, ich bin keine Marionette des Systems, ich bin kein Lügner!", rief er.
„Und vor allem bin ich kein Mörder!"

„Wie bitte?!", die zitterliche Stimme des Oberarbeiters war beinahe ein Schreien.
Auch ich schrie, weiterhin innerlich vor Panik, doch auch jubelnd. Ich hatte mich doch nicht getäuscht in Jin. Erleichternd. Immerhin etwas Gutes.

Plötzlich jedoch durchschnitt ein Klatschen die Luft wie eine scharfe Klinge. Alles wurde still.

„M-mein Herr", stieß der Arbeiter aus. Auf einmal klang er viel weniger autoritär als zuvor.

„Lasst die Waffen sinken", antwortete ihm der Mann, der mit mein Herr gemeint war.
Das war kein geringerer als Namjoon, der im Anzug nun in den Halbkreis hinein trat, sichtlich verärgert.

Seinem Befehl folgte das Aufprallen von sämtlichen Waffen, die auf den Boden fielen.

„Ich, Namjoon, der oberste Repräsantative aus Level 100, bin entsetzt, dass ihr Befehle der Obersten ausführt, ohne diese bei mir angemeldet und bestätigt bekommen zu haben."

„E-es..."

„Schweig", Namjoon trat einen weiteren Schritt nach vorne.
„Der Junge hier, den ihr ohne Genehmigung beseitigen wolltet, ist ebenfalls aus Level 100. Dementsprechend steht er eigentlich über euch."

„A-aber... Wir wussten nicht, uns wurde nicht gesagt-"

„Natürlich, er hat sich seiner Pflichten entbunden und keine Machtberechtigung mehr über euch. Wahrscheinlich kennt ihr ihn nicht einmal, so sehr wie er sich zurück gezogen hat. Trotz allem steht er klar über euch."

„J-ja...", er Oberarbeiter wurde immer kleinlauter.

„Der Festnahmebefehl ist aufgehoben. Ich nehme Alle unter meine Fittiche. Wer ihnen etwas tut, muss mit Konsequenzen rechnen", abermals klatschte Namjoon in seine Hände.
„Und jetzt verschwindet aus meinen Augen."

„J-jawohl!" Sämtliche Arbeiter ließen die Waffen liegen und flüchteten davon. Der Halbkreis um uns herum löste sich augenblicklich auf.
Auch der Oberarbeiter flüchtete mit davon, zumindest löste sich der Griff an meinen Armen und ich taumelte zur Seite, lehnte gegen die Wand und verharrte dort.

Mein viel zu schneller Atem und mein rasender Puls mussten sich erst noch beruhigen.

Prüfend sah Namjoon den Arbeitern hinterher, dann wollte er sich an Suga wenden, doch dieser stürzte einfach an ihm vorbei, auf mich zu und drückte mich an sich.

„Oh mein... Verdammt...", murmelte dieser und drückte mich noch fester an sich.
„Es tut mir so Leid."

„I-ist schon gut... Wir haben es geschafft", murmelte ich.
„So einfach."

„Ich wollte dich doch immer beschützen, aber gerade war es... Ich muss..."

„Könnt ihr Beiden das eventuell auf später verlegen?", kam Namjoon dazwischen.

„Natürlich", Suga drehte ihm seinen Kopf entgegen.
„Wie dumm von mir, dass ich nach einer lebensgefährlichen Situation erstmal das Bedürfnis habe, sie festzuhalten und nie wieder loszulassen."

„Ich sehe schon, du bist wieder komplett du selbst", Namjoon lachte.
„Umso besser. Denn du selbst musst du schließlich sein, wenn wir da draußen überleben wollen."

„Wir?", ich horchte auf.

„Ich komme mit euch, genauso wie er", Namjoon lächelte und wandte sich zu Jin, der als einziger Arbeiter stehen geblieben war und fassungslos ins Leere starrte.
„Ich hatte schon häufiger überlegt, das System zu verlassen, um von Außerhalb dafür zu sorgen, dass solche menschenverachtenden Einrichtungen abgeschafft und geschlossen, beziehungsweise als das aufgedeckt werden, was sie in Wahrheit sind."

Bei der Hälfte seines Vortrags schaltete ich bereits ab.
Ich war viel zu erleichtert zum Zuhören, obwohl ich ihm sehr dankbar war und es ihm mindestens schuldete. Aber meine Aufmerksamkeit galt für einen Augenblick nur J-Hope, Jimin und Jungkook, denen es anscheinend gut ging, die sich erstmal zu Taehyung gehockt hatten, und deswegen auch besonders Taehyung, der sich langsam aufrichtete. Alle lebendig, alle an einem Stück. Geschafft.

„Danke", stieß ich aus. Die Welle der Erleichterung ließ sich nicht stoppen.

„Hm?", Suga war gerade am Antworten gewesen, auf das, was Namjoon angesetzt hatte, doch da ich nicht zugehört hatte, war ich wer weiß wo reingeplatzt. Doch das war mir egal.

„Danke."

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