» 38. Kapitel

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Wer das Licht in den kaputten Fluren schon viel zu schwach und gedämmt fand, hätte das Licht in diesem Raum unerträglich dunkel gefunden.
Es waren nur zwei schwache, nackte Glühbirnen, die von der Decke hingen und den kalten, feuchten Raum beleuchteten.
Die Wandfarbe, die ursprünglich bestimmt mal weiß gewesen war, war nun grau und fleckenweise rot, blätterte jedoch schon an sämtlichen Stellen ab.

Viel Einrichtung gab es in diesem Raum, falls man es denn noch einen Raum nennen konnte, nicht.
Zwei große Schränke befanden sich über Eck an den Wänden weiter links, davor noch ein schäbiger, alter Tisch und in der Mitte eine Liege.

Doch diese Liege war anders als die Liege, die ich aus den Prüfungsräumen, die das komplette Gegenteil von diesem Raum waren, sauber, hell und gemütlich, kannte.
Sie war verdreckt, schwarz, senkrecht gekippt und hatte Schnallen, Fesseln und Ähnliches angebracht.
Und mittendrin auf dieser Liege hing, stehen oder liegen konnte man es nicht mehr nennen, Taehyung.

„Tae", entfuhr es mir und ich stürmte auf ihn zu.
Benommen hob er seinen Kopf an, als er seinen Namen hörte. Ich konnte es durch die Dunkelheit zunächst nicht erkennen, erst, als ich näher kam, doch er fixierte mich und mir war, als läge Erleichterung in seinem Blick.

Alles um mich herum war plötzlich egal.

„Tae", murmelte ich wieder und trat näher an ihn heran.
Ein stechender, bitterer Geruch stieg mir in die Nase und rief altbekannten Brechreiz in mir hervor, der Geruch von Eisen und... Blut.

„Kleines", antwortete er, schwach hauchend. Sein Kopf klappte zur Seite, er hatte nicht einmal genug Kraft, diesen gerade nach oben zu halten.

Vorsichtig tastete ich mit meinen Fingern nach ihm.
Seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig schnell und sein Shirt war vollkommen durchtränkt nass. Hoffentlich war das nur Wasser. Mir wurde noch schlechter.
Ich tastete mich weiter, bis ich seine Wangen berührte, die eiskalt und ebenfalls feucht waren, vielleicht Tränen, hoffentlich kein Blut, doch so wie das klebte... Ich strich ihm ein paar seiner Strähnen aus dem Gesicht.

„Ich bin so froh, dass du da bist... Geht es dir gut?", flüsterte er stoßweise mit zittriger Stimme und schmiegte seinen Kopf an meine Hand.

Tränen füllten sich in meine Augen, nicht nur wegen der schlechten Luft und der Übelkeit. Das schlechte Gewissen nagte sehr an mir und ich schniefte unwillkürlich auf.

„Es tut mir so Leid", wimmerte ich, Weinen unterdrückend.
Ich hatte kein Recht zu weinen.

Ich konnte und wollte mir gar nicht vorstellen, was Taehyung diese Nacht über hatte erleben müssen. Er musste so kaputt, müde und terrorisiert sein...
Und trotzdem fragte er nach meinem Befinden.

„Nicht weinen", rissen mich zeitgleich Suga und Taehyung aus meinen Gedanken.
Überrascht starrten sie kurz einander an, sahen dann jedoch wieder zu mir.

„Es geht ihm besser, als ich dachte. Er steckt viel gut weg. Sogar bei Bewusstsein ist er", beruhigte mich an Stelle von Taehyung Suga weiter.
„Es könnte viel schlimmer sein. Und es wird auch noch viel schlimmer, wenn wir nicht sofort die Fesseln lösen und von hier verschwinden."

„Er hat recht", stimmte Taehyung brüchig zu.
Wenn er immer noch Schmerzen hatte, was sehr wahrscheinlich war, versteckte er diese gut.

Natürlich hatte Suga recht.
Ich nickte zustimmend und sofort begannen Suga und ich, die engen Fesseln zu lösen.
So schnell, wie meine zittrigen Hände es zuließen, hatten wir ihn befreit.

Level 100 «Where stories live. Discover now