» 11. Kapitel

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Ängstlich starrte ich auf das Stück Gewächs vor mir.

Eigentlich müsste ich mich nicht vor einer Hecke mit Rosen fürchten, im Gegenteil, doch der Fakt, dass dieses kleine Stück vor mir gerade Suga geschluckt hatte, beunruhigte mich doch schon dezent sehr.

In Gedanken zählte ich runter.

3, ich trat einen weiteren Schritt auf die Hecke zu.
2, meine Nasenspitze berührte schon das erste Blatt der Hecke.
1, ich setzte einen weiteren Schritt auf die Hecke zu.
0, ich ging einfach weiter.

Einzelne Blätter und Blütenblätter von Rosen streiften meine Arme, Beine und mein Gesicht.
Alles um mich herum schien nur ein einziger Kokon aus Blättern zur sein, durch dessen Lücken vereinzelt Sonnenstrahlen hindurch drangen.

Für einen Augenschlag stieg in mir Panik auf.
Was wäre, wenn ich stecken bleiben würde? Wenn mich die Hecke für immer verschlucken würde?
Die Furcht trieb meine Füße zum weitergehen an.

Dann war ich auch schon endlich draussen angelangt, hatte den Durchgang der Hecke hinter mir gelassen.
Vor mir erstreckte sich ein unbeschreiblicher, kleiner Platz.

„Ein Freizeitpark?", meine Augen weiteten sich.

„Korrekt", Suga stand schon bereit neben mir, den Blick ebenfalls auf die verschiedenen kleinen Attraktionen gerichtet.
Es waren nicht viele, es war klein, und doch faszinierend.

„Du hast wohl immer die Bilderbücher gelesen als du Klein warst?", vermutete Suga.

„Ich lese Alles, was ich lesen kann", gab ich zu und starrte weiter auf den Freizeitpark.
„Und ich dachte, so etwas gibt es in Wirklichkeit nicht!"

Viele Stände standen Rücken an Rücken aneinander, noch teilweise mit halb aufgebauten Spielen in sich. Die Dächer waren hellgrün, türkis, blau, orange und gelb, man könnte meinen, es wäre Sugas Reich. Ein Zelt, die Kuppel eines Heißluftballons, ein kleines Riesenrad... Besonders meine Aufmerksamkeit zog jedoch das kleine Karussell weiter am Rand auf sich.
Es schien nicht so verblasst wie Anderes.

„Mein Lieblingsplatz, mein Reich", Suga machte lächelnd eine ausschweifende Bewegung über den Rummelplatz.
„Hier lassen sich die schönsten Nickerchen machen."

„Aber irgendwas ist anders, komisch", ich stockte.
So faszinierend es auch war, irgendetwas störte mich, doch ich konnte es nicht definieren.

„Auch korrekt", Suga trat einen Schritt vor.
„Fast Alles hier ist verlassen und dementsprechend schäbig, abgekommen und kaputt..."

„Kaputt", wiederholte ich murmelnd und trat ebenfalls einen Schritt näher.

Erst jetzt fielen mir vereinzelt abblätternde Farbe, Spinnweben, Staub, Schmutz und abbröckelnde Stellen auf sowie die abgebrochene Achterbahn.
Das war also schäbig, abgekommen und kaputt.
Der Turm war nie kaputt, es war auf irgendeine Weise erschreckend anzusehen.
Es ging also auch anders. Nicht Alles war nicht kaputt.

„Ja, leider...", Suga seufzte und wandte sich mir zu.
„Aber ich konnte etwas reparieren, was noch nicht so kaputt war. Willst du es sehen?"

„Ohja!"

„Komm mit!", er strahlte auf und steuerte geradewegs das Karussell an.

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