» 20. Kapitel

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Ein Hieb, ein weiterer, noch einer.
Immer wieder schlug ich mit meinen Fäusten und meinen Unterarmen abwechselnd auf den Sandsack vor mir ein.

Die Trainingshalle war wie gestern Abend leer, jedoch nicht, weil alle bereits gegangen waren, sondern weil ich mit Abstand die Erste und Einzige war, die morgens um diese Uhrzeit hier trainierte.

Fokussiert starrte ich auf den Sandsack vor mir und verpasste ihm noch einen weiteren Schlag.
Was brachte das hier?
Ich hatte gestern abend live und in Farbe miterleben können, wie Taehyung keine Chance gegen Suga hatte, obwohl er all seine Kraft in die Schläge steckte. Wenn Zuschlagen nichts brachte, was taten wir dann hier? Warum brachten sie uns nichts Vernünftiges bei?

Wut ballte in mir auf und ich bemerkte, wie ich immer kräftiger zuschlug.

Es war das erste Mal, dass ich das System anzweifelte.
Und dieses Gefühl war unglaublich befremdlich.

„Ah, hier bist du", unterbrach Suga meine Gedanken und trat zu mir.
Natürlich musste er jetzt auch hier auftauchen.
Was auch sonst.

„Suga", murmelte ich und nahm meine Fäuste herunter.
Ich hatte mir fest vorgenommen, ihm das mit Tae übel zu nehmen. So lange ich es hinkriegte.
Natürlich, Tae hatte angefangen, aber zum Prügeln gehörten immer zwei. Vor allem war das sinnlos gewesen.

„Ich habe gestern mitbekommen, dass du morgens trainieren wolltest, aber dass du dafür auf mich und den Geheimort verzichten würdest, hätte ich nicht gedacht", er lachte auf und stellte sich vor mich neben den Sandsack.

„Ich muss trainieren", antwortete ich knapp und deutete ihm mit einer Kopfbewegung an, zur Seite zu gehen.
„Also weg vom Sandsack, sonst treffe ich dich noch."

„Du wirst nicht draufschlagen, solange ich daneben stehe", Suga lächelte tiefenentspannt.

Er hatte recht. Normalerweise. Das würde ich tatsächlich nicht. Nicht, wenn er es nicht gesagt hätte, doch jetzt fühlte ich mich dazu angespornt, das Gegenteil zu beweisen.

„Achja?", murmelte ich noch, hob blitzschnell meine Arme und schlog mit rechts zu. Kurz bevor meine Faut jedoch die Fläche des Sandsacks berühren konnte, wurde ich von Sugas Handfläche aufgehalten.

„Ooh, damit habe ich nicht gerechnet", Suga umgriff meine Faust mit seiner Hand, wie er es auch schon bei Tae gemacht hatte.
„Obwohl... Eigentlich schon, wenn ich ehrlich bin."

„Lass los, ich muss trainieren", ich zog an meiner Hand, bekam sie jedoch nicht aus Sugas festem Griff los.
Adrenalin schoss in mir hoch und verlieh mir zusätzliche Kraft, jedoch war Sugas Griff so eisern, dass selbst das es nicht brachte.

„Was, wenn nicht?", Suga fixierte mich aufmerksam.

„Dann...", ich überlegte kurz. „Dann ignoriere ich dich in Zukunft."

Statt das Suga mich daraufhin losließ, lachte er nochmals auf und zog mich mit einem Ruck näher zu ihm.
Er roch aus irgendeinem Grund angenehm nach Rosen, Mistkerl.

„Du kannst mich nicht ignorieren", sein Lächeln formte sich zu einem Grinsen.

„Und wie ich das kann!", trotzig ließ ich meinen Blick sinken und starrte gegen seine Brust, die sich gleichmäßig senkte und hob.

„Naja, zumindest nicht, wenn du die Prüfung ohne Probleme bestehen willst...", lockte Suga säuselnd.
„Ich kann dir meinen kleinen Reflex-Handgriff beibringen, wenn du willst. Dann hast du auch eine Chance gegen diese ganzen Kraftbrocken hier."

„Gegen die Kraftbrocken?", ich hob meinen Blick wieder zu ihm hoch und er nickte schwach, dass seine grünen Haare leicht auf und ab wippten.

„Die nächste Prüfung wird ein Faustkampf gegen irgendwen von hier. Und wenn dein Unterbewusstsein dir, was sehr wahrscheinlich ist, einen Typen raussucht, kannst du einpacken", er räusperte sich.
„Vor allem, wenn ich der Typ sein sollte."

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