» 33. Kapitel

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Als ich meine Augen öffnete, war ich einen Moment lang komplett orientierungslos.
Ich wusste nicht, wo ich war, was passiert war, geschweige denn wer ich war.

Langsam kamen die Erinnerungen zurück.
Suga hatte mir noch so viel erzählt, vor allem, was heimlich hinter den Kulissen unserer Gemeinschaft, die eigentlich ein Projekt war, abging. Dass männliche Gescheiterte für den Lebensunterhalt der Gemeinde schufteten und auch für die Obersten, denen dieses Projekt gehörte, die hieraus Geld durch unbezahlte, willenlose Arbeiter schöpften.
Dass Level 100 noch lange nicht das Ende war und dass die letzte Prüfung unmöglich war.
Dass es eine andere Welt gab, nicht so weit entfernt und um uns herum, über unsere Grenzen hinaus, in denen die Menschen wirklich frei waren, komplett frei, wie zum Beispiel die Besucher, wie Kookie.
So viel, und doch hatte ich noch lange nicht das Gefühl, ich wüsste genug.

Ich schluckte. Mein Hals war komplett trocken. Wenn ich nur all das neue Wissen so schnell schlucken könnte...
Wie können wir Alle nur so ahnungslos leben?

Zögerlich rollte ich mich auf die Seite und erstarrte.
Neben mir lag Suga. Er war mir zwar zugedreht, lag auf der Seite, den Kopf in eine Armbeuge gelegt, doch seine Augen waren fest geschlossen.

Dass er schlief war mir nichts Neues. Manchmal, in unseren Schweigepausen, war er auch einfach auf der Matratze auf dem Karussel eingeschlafen.
Es kümmerte ihn wohl kaum, wo er schlief, oder?

Trotzdem hatte ich ein ungutes Gefühl, wenn ich ihn so neben mir schlafen sah.
Da war etwas... Irgendetwas fehlte... Etwas wichtiges, sehr wichtiges, aber ich kam nicht darauf.

„Hey... Suga... Aufwachen", murmelte ich und richtete mich quälend langsam auf.
Wie erwartet reagierte er nicht, also fing ich ihn an, sachte anzustupsen.

„Mhm...", Suga reagierte kaum, grummelte nur ein wenig, aber immerhin.

Ich stupste ihn weiter an, in der Hoffnung, er würde tatsächlich komplett aufwachen, da gefror ich in meiner Bewegung.
Mich über kam das Bedürfnis, mir selbst eine zu Schlagen.

Tae.

„Aufwachen! Suga, sofort! Notfall!!", wie von der Terantel gestochen sprang ich aus dem Bett auf.

Wie hatte ich nur Tae vergessen können!
Was war mit ihm?!

„Ah, was ist denn... Warum so laut...", gemächlich blinzelnd öffnete Suga seine Augen und richtete sich auf.
Sein Blick glitt zuerst neben sich, dann auf mich.

„Tae!", rief ich ihm nur entgegen, da ich mich vollkommen darauf konzentrieren musste, nicht zu schreien oder eventuell einfach aus dem Fenster zu springen.
Wie konnte ich nur so blöd sein und ihn vergessen?!

„Hm? Was?", Suga wuschelte sich verschlafen durch die in alle Richtungen abstehenden Haare.

„Was ist mit Tae?!"

„Tae?", Suga sah kurz verwirrt aus. „Tae... Uhm... Ah, Taehyung, dein Partner. Ja... Was?"

„Wo ist er?"

„Keine Ahnung..."

„Ist das dein ernst?!", fassungslos warf ich die Hände über meinem Kopf zusammen.
Die Panik und Sorge, die in mir hoch schwappte, wurde von Moment zu Moment größer und war im Inbegriff, mich zu ertränken.

„Uhm...", Suga legte perplex den Kopf ein wenig schief.
„Vermutlich haben sie ihn festgenommen... Zuerst wollen sie Infos von ihm über dich... Und dann wird er entweder willenslos zum Arbeiter oder beseitigt, denke ich."

„Sie töten ihn?!"

„Was hast du denn gedacht? Kuscheln? Ganz sicher nicht", Suga zuckte mit den Schultern.
„Wenn er Glück hat lebt er vielleicht noch. Und hoffentlich gibt er nichts preis..."

„Er lebt noch. Und er wird nichts sagen...", meine Stimme war ganz wackelig vor Angst. Wenn ich nur daran dachte....

„Ach, bei den Methoden, zuerst...", überlegte Suga laut und war schon dabei, mir die Foltermethoden zu erklären.

„Ich will keine Details", kam ich ihm schnell dazwischen und schnitt ihm das Wort ab.
Wenn ich wüsste, was er wegen mir durchlebte, würde ich wirklich springen. Tae durchlitt zu viel. Viel zu viel.
„Wir gehen ihn retten."

„Was?", jetzt war Suga dran, fassungslos seine Augen aufzureißen.
„Wer sagt das?"

„Ich", presste ich hervor. „Ich weiß, ihr könnt euch nicht leiden, aber-"

„Nein. Das ist lebensmüde."

„Und das, was wir gestern geschafft haben etwa nicht? Bitte, wenn nicht für ihn, dann für mich!"

„Du hast keine Ahnung, wie es so auf der Schattenseite hier ist, Kleines..."

„Nenn' mich nicht so", die Panik in mir wandelte sich in Adrenalin und Wut. Bestimmt drehte ich mich um, trat zur Tür und umgriff die Türklinke.
„Dann gehe ich halt alleine! Ich brauche dich nicht!"

„Was?!"

„Bye! War nett! Such dir jemand Neues zum Küssen und zum Reden und-"

Level 100 «Where stories live. Discover now