Prolog

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Es war mal wieder Abend, die Sonne ging unter und ich saß, wie jeden Abend auf dem Dach unseres kleinen Landhauses. Man konnte das kleine Vordach ganz einfach von meinem Fenster aus erreichen. Es war der perfekte Ort zum lesen. Eigentlich hätte ich meiner großen Schwester Hannah und meinem kleinen Bruder Kyle beim ausmisten des Pferdestalles helfen sollen, jedoch saß ich lieber hier. Versunken in den wundervollsten Welten. Je nach Buch, ritt ich mal auf einem Einhorn durch das Wunderland an der Seite des verrückten Hutmachers, ging in New York durch die U-Bahn und sah mir die tausend verrückten Talente der Menschen dort an, erforschte mit Arielle die Meere oder sang mit Belle über meinen Traumprinzen. So viele Möglichkeiten. Das liebte ich an Büchern. In ihnen konnten die kühnsten Träume wahr werden. In Büchern würde sogar ein Mädchen wie ich ihren Prinzen finden.

Ab und zu, machte ich eine Pause vom lesen, nahm mein Buch runter und sah mir den Sonnenuntergang, wenn auch nur für einen winzigen Zeitraum, an, um dann wieder weiterzulesen. Ich fühlte mich geborgen. Es war ein schönes Gefühl. Heute entschied ich mich für "Cinderella". Ich träumte mich auf den Ball, in dieses wundervolle blaue Kleid. Ich tanzte und an meiner Seite, der Prinz. Er war äußerst Charmant, was sich natürlich für einen Prinzen gehörte. Wir tanzten, hatten die ganze Fläche für uns. Alle Gäste um uns herum versammelt, staunten über meine Schönheit. Ich hingegen, bemerkte sie gar nicht. Meine ganze Aufmerksamkeit gehörte dem Prinzen. Das Lied war zu ende, er nahm meine Hand, zog mich mit nach draußen. Wir gingen durch eine Art Labyrinth. "Wo bringt ihr mich hin?" fragte ich amüsiert. "Das ist eine Überraschung" antwortete er. Nach kurzer Zeit waren wir endlich angekommen. Die Mitte des Labyrinths. Ein großer, rosa Kirschbaum stand mitten auf der kleinen, vom Labyrinth umgebenen Wiese. Eine Schaukel aus Holz hing von einem Ast des Baumes herab. Der Prinz stellte sich hinter sie und bedeutete mir, mich zu setzen. Das ließ ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Ich setzte mich, er schubste mich an. Mein braunes langes Haar wehte im Wind, ebenso das lange blaue Kleid. Plötzlich stoppte er. "Möchtet ihr mir nicht euren Namen verraten?" Ich drehte mich um. "Gut, ihr habt gewonnen. Ich heiße-"

"Emma! Du solltest uns doch mit den Pferden helfen!" Hannah war ziemlich sauer. Ich wurde rasch aus meinen Gedanken gezogen. Meine Schwester Hannah stand an meinem offenen Fenster, die arme verschränkt. "Was?" fragte ich, immer noch leicht abwesend. Hannahs Gesichtsausdruck wurde dunkler. "Die Pferde?!" Daraufhin verließ sie ziemlich sauer mein Zimmer. Ich stöhnte. Ich habe es schon immer gehasst wenn sich irgendetwas zwischen mich und meine Bücher drängt. "Was sein muss, muss sein" murmelte ich leise vor mich hin. Mit diesem Satz erhob ich mich, kletterte durch mein Zimmerfenster wieder rein, schloss es und ging direkt zu den Ställen.

Auf den Weg dorthin musste ich an den großen Weiden vorbei, wo die Pferde tagsüber immer drauf standen. Unsere kleine Ranch war schon seit Jahren im Familienbesitz. Hier wohnten meine Eltern, meine Geschwister, meine beiden Omas und Opas und eine meiner beiden Tanten. Tante Sybill. Sie hatte schon seit ich denken kann, diesen kleinen Laden im Dorf, welcher mit der beste Laden des ganzen Dorfes war. Ich half ihr sogar manchmal aus. Oft an Wochenenden oder in den Ferien. Heute kümmerte Tante Sybill sich um die Hühner, an welchen ich bei dem Weg zu den Ställen vorbeiging. "Hallo Emma!" Sie war eine große, blonde, stehts glückliche Frau und hatte wirklich jeden Tag etwas zu tun. "Hallo Tante Sybill!" Rief ich ihr zu, winkte dabei. Sie winkte zurück und widmete sich wieder den Hühnern. Sie schaffte es immer, mir ein lächeln auf die Lippen zu zaubern.

Endlich am Stall angekommen, nahm ich Mistgabel und Eimer und fing an einen der 7 Ställe sauber zu machen. "Oh lässt sich Madame Märchenprinzessin auch mal blicken." Der 13 Jährige Kyle fing an zu lachen. Ich verdrehte die Augen, schenkte ihm keine weitere Beachtung. "Oh, fängt sie gleich an zu weinen, weil sie aus ihrer Traumwelt gerissen wurde?" Er lachte nun noch heftiger als vorher. Ich ließ die Mistgabel fallen, rannte auf ihn zu. "Dir zeig ichs!" Kyle schrie laut auf und rannte vor mir weg. "Bleib stehen du kleiner-" "Emma!" Ich wurde von meiner Schwester am Arm festgehalten. "Hör auf! Er ist es nicht wert!" Ihr blondes, langes Haar wurde von einem Windstoß aus ihrem Gesicht gefegt. Wir sahen beide zum Himmel. Schwarze Wolken näherten sich der Ranch. "Sieht so aus, als würde es heute Abend noch gewittern," wies sie mich drauf hin. Ich stimmte ihr zu und zusammen brachten wir noch vor dem Unwetter alle Pferde zurück in den Stall.

Es wurde dunkel, der Regen prasselte gegen mein Fenster. Blitze, wie ich sie noch nie gesehen hatte kamen vom Himmel herab. Anders als mein Bruder, hatte ich keine Angst vor Gewittern. Ich genoss, den ganzen restlichen Abend nicht aus meinem Zimmer kommen zu müssen. Genug Zeit um zu lesen. Niemand würde mich stören.

Und so, tauchte ich wieder ganz tief in meine Welt hinein...

Her own happy endingWhere stories live. Discover now