Kapitel 23

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Nachdem das Surren von Joshs Motor nachgelassen hatte, ging ich wieder ins Haus. Ich ging an der Küche, wo meine Eltern sich mal wieder stritten, vorbei, auf direktem Weg hoch in mein Zimmer. Ich schmiss mich auf das Bett, dachte nach. Zwei Wochen ohne Josh, mit meinen sich ständig streitenden Eltern, meinen verrückten Großeltern, meinem nervigen Bruder Kyle, Hannah und ihrem arroganten Freund im Urlaub. Konnte ja nur toll werden, dachte ich ironisch. 

Mein Gedankengang wurde plötzlich unterbrochen, weil meine Mutter ins Zimmer gestürmt kam. Sie knallte die Tür hinter sich zu, stellte sich direkt vor mich. "Warum hast du dich eben so benommen? Wolltest du Josh beeindrucken? Das war echt nicht komisch!" Ihr wütender Blick bohrte sich in meinen, ich versuchte Augenkontakt zu halten, doch nach kurzer Zeit flossen mir Tränen aus den Augen. "Warum kannst du mir nicht einfach mal zuhören?", fragte ich leise, mit zittriger Stimme. Mom schüttelte den Kopf. "Jetzt fange nicht so an! Denkst du, du bekommst jetzt Mitleid?" Ihre Stimme wurde ruhig und sie verschränkte die Arme vor der Brust. "Manchmal frage ich mich echt, was aus meinem kleinen Mädchen geworden ist," sagte sie enttäuscht, wollte sich umdrehen und wieder gehen. Meine Tränen flossen nun noch mehr als zuvor. Das, was sie gesagt hatte, verletzte mich sehr. Sie schob immer alles auf mich. Nie war sie schuld. Doch jetzt reichte es mir. Der letzte Schimmer Hoffnung, welchen ich noch für unsere Versöhnung tief in meinem Herzen getragen hatte, war nun erloschen. Ich stand auf, schrie: "Was aus mir geworden ist?! Tja ich frage mich manchmal was aus dir geworden ist!" Sie drehte sich um. "Emma-" "Nein! Ich bin jetzt endlich mal dran und du wirst mir zuhören! Du hast Tag für Tag immer alles auf mich geschoben. Wenn Hannah im Studium durchgefallen ist, wenn Kyle eine schlechte Note in Mathe geschrieben hat, wenn Darnell-" Ich stoppte, wollte es ihr lieber nicht verraten, denn irgendwie würde sie die Schuld sowieso wieder auf mich abschieben. "Egal was es ist, ich bin immer Schuld. Warum hasst du mich so?! Früher warst du anders! Früher-" Ich unterbrach kurz, drehte ihr den Rücken zu, senkte meine Stimme "Früher hattest du noch ein Herz. Jetzt hast du es, warum auch immer, tief in dir in eine Kiste gesperrt. Niemand kommt ran, noch nicht einmal du selbst." 

Mit diesen Worten, ging ich zum Fenster, den entsetzten Blick meiner Mutter im Rücken, machte es auf und kletterte hinaus auf das Vordach. Meine Mutter kam mir nach, stellte sich ans offene Fenster. "Emma, ich-" "Geh weg!" Ich zog meine Beine nah an meinen Körper, vergrub meinen Kopf in meinen Knien. Erneut flossen Tränen. Ich hoffte innigst, dass Mom sie nicht sah. Nach kurzer Zeit wurde der Lichtschein aus meinem Zimmer heller, erleuchtete das Dach. Ich sah auf. Mom war gegangen. Erleichtert ließ ich meinen Kopf gegen die Hauswand fallen. Warum konnte sie mich nicht einfach verstehen? Was war denn so schwer daran? War ich wirklich so kompliziert? So viele Fragen, auf die ich womöglich niemals eine Antwort erhalten würde. Ich sah zum nachtschwarzen Himmel. Es war noch nicht lange her, da habe ich hier gesessen, mich bei Sonnenuntergang in die schönsten Welten geträumt und alles vergessen. Alle Probleme, allen Ärger. Ich wünschte, ich hätte das an diesem Abend wieder gekonnt, doch mit jedem voranschreitenden Tag wurde ich immer mehr aus meiner Märchenwelt in die Realität zurückgeholt. Ob es an Josh lag? Oder vielleicht doch an meiner Einsicht, dass nicht alles so war, wie in einem Märchen. Meine Bücher waren für mich sonst immer eine Auszeit aus dieser Welt, aber im Moment hatte ich zu viel in meinem Kopf. Die Lage mit meinen Eltern verschlimmerte sich, Darnell war da... Genug Gründe um durchzudrehen.

Ich beschloss ins Badezimmer zu gehen, um mich fertig zu machen. Es war bereits spät und ich wollte langsam schlafen gehen. Als ich im Badezimmer angekommen war und mir die Zähne geputzt hatte, beschloss ich ein Bad zu nehmen. Es sollte mich etwas entspannen. Ich ließ also Wasser ein und nahm etwas Badeschaum dazu. Meine Kleidung fand Platz im Wäschekorb, ein Handtuch legte ich vor die Badewanne. Danach stieg ich in das heiße Wasser, legte mich hin. Das warme Wasser, welches langsam meinen ganzen Körper umhüllte, gab mir ein Gefühl von Erleichterung. Der heiße Dampf, welcher in die Höhe stieg, ließ mich entspannen. Es tat gut, alles um mich herum fallen zu lassen. Ich machte meine Augen zu, dachte an früher. An die Zwerge, an den Spiegel, an die lustigen Reisen, die wir erlebt haben. 

Der Gedankengang schweifte zu meiner Mutter, wie ich als kleines Kind auf sie zu lief, sie mich hochhob. "Wie lieb habe ich dich?", fragte sie lieb. "Mehr als ich mir vorstellen kann!", antwortete ich glücklich und aufgeregt. Daraufhin drückte sie mich fest an sich, lachte laut. Ich tat es ihr gleich. Sie wurde ruhiger, flüsterte mir etwas ins Ohr: "Mehr als du dir vorstellen kannst." Ich lächelte. Es war der wohl schönste Moment in meinem Leben. Ich brauchte eben nicht viel um glücklich zu sein. Ich brauchte nur ab und zu die Worte "ich habe dich lieb" und schon war ich glücklich. 

Meine Gedanken wurden durch das herunterdrücken einer Türklinke unterbrochen. Abrupt riss ich die Augen auf. Ich hatte die Tür nicht abgeschlossen. Sollte es mein kleiner Bruder oder Hannah sein, okay das störte mich eher weniger, aber da waren ja auch noch drei andere Personen im Haus. "Besetzt," rief ich etwas lauter, doch die Tür öffnete sich weiter. Hatte mich die Person etwa nicht gehört? Ich versuchte es nochmal: "Besetzt!", rief ich diesmal etwas lauter. Die Tür öffnete sich weiter. Shit, dachte ich, fischte schnell etwas Schaum zusammen, um alles so gut es ging zu bedecken. Ein großer braunhaariger Mann trat ein. Darnell. Ich wurde knallrot und sauer. "Darnell verschwinde hier! Das Bad ist besetzt!" Er lachte auf. "Ich weiß, ich habe dich schon gehört." Sein Grinsen wurde dreckig. "Dein Ernst?! Verschwinde endlich oder.... oder ich erzähle es Hannah!" Wieder lachte er auf. "Das traust du dich sowieso nicht. Du willst doch nicht, dass deine Schwester verletzt wird oder?" Er hatte leider Recht. Ich würde nie irgendwas tun, das Hannah verletzen würde, erst recht nichts, was mit Darnell zu tun hatte. Auch wenn es ein riesen Arschloch war, sie liebte ihn und das sehr. Sie würde in den tiefsten Abgrund fallen, wenn sie so etwas über ihn erfahren würde, zumindest glaubte ich das. Ich versuchte es erneut. "Bitte, geh einfach." Meine Stimme war ruhig und ich schaute vor lauter Scham zu Boden. 

Doch anstatt zu gehen, kam er immer näher an die Badewanne heran...

Her own happy endingWhere stories live. Discover now