Kapitel 44

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Mitten in der Nacht wurde ich durch ein rot-blaues Blinken, das durch mein Fenster schien, geweckt.

Ich streckte mich, rieb mir durch die Augen. Was war denn jetzt los?, fragte ich mich.

Schnell lief ich in den Flur, sah durch ein Fenster, welches zur Straße zeigte. Die Polizei stand mit 2 schwarzen Einsatzwagen dort unten. Ein dunkelhäutiger Polizist mit einem schwarzen Schnurrbart und einer Glatze, die er unter der schwarzen Polizeimütze versteckte, redete mit meiner Mom.

Ich konnte nur das besorgte Gesicht des Beamten sehen, Mom stand mit dem Rücken zum Haus.

Waren wir etwa doch zu schnell gefahren? Normalerweise verfolgten die Polizisten einen doch nicht bis nachhause. Und erst recht nicht so spät, oder?

Geschwind rannte ich die Treppe herunter. Die Haustür stand offen.
Erst als ich draußen angekommen war, sah ich dass Tante Sybill Mom gerade in den Arm nahm.

Verwundert darüber, ging ich auf die drei Menschen zu.
"Mom? Was ist los?"

Der Polizist bemerkte mich. Er deutete mit seinem Kopf auf mich, sodass Mom sich umdrehte. "Ist das ihre Tochter?"

Als Mom sich komplett zu mir gewandt hatte, sah ich ihr verheultes Gesicht. So hatte ich sie wirklich schon lange nicht mehr gesehen. Das letzte Mal, als sie so aussah, war Shawn gestorben.

Ich ging weiter vorsichtig auf sie zu.

Sie breitete ihre Arme aus, kam auch auf mich zu, wollte mich umarmen, doch ich trat einen Schritt zurück.
"Mom? Was ist hier los? Was soll das alles?", fragte ich ernst.

Wieder liefen ihr Tränen aus den Augen und das nicht gerade wenig. Tante Sybill schnupfte in ein Taschentuch. Sie war ebenso Tränen getränkt wie Mom.

Was war nur mit ihnen los? Warum weinten sie so bitterlich? Ist im Urlaub irgendwas passiert? Ist Oma Verona, dessen Herz sowieso nicht mehr das beste ist, etwas zugestoßen? Argh, immer diese Neugier!

"Mom, was ist los? Sag es mir endlich!", schrie ich.

Mal wieder liefen ihr Tränen aus den Augen. "Du musst jetzt stark sein," sagte sie mit zittriger Stimme.

"Mom! Jetzt komm endlich zum Punkt!", fordern sah ich sie an. Sie brach immer wieder in Tränen aus, bis sie einmal tief durchatmete und sich langsam versuchte zu fassen.

"Hannah, sie-" Mom stoppte, wischte sich ein paar Tränen weg. Hannah! Sie hatte ich ja ganz vergessen! Wo war sie? Sie musste längst hier sein! Mom fuhr voller Trauer fort. "Sie wollte aus irgendeinem Grund wieder zurückkommen. Das Flugzeug, in das sie eingestiegen ist, ist..."

In Moms kurzer Pause, konnte ich mir langsam 1 und 1 zusammenspinnen. Ich spürte, wie mein Herz langsam versagte, doch Tränen kamen noch keine. Ich wartete erst ab, was Mom jetzt als nächstes sagen würde.

"Es ist abgestürzt. Dabei gab es keine Überlebenden."

Wieder liefen Mom und Tante Sybill Tränen aus den Augen. Auch ich war nun wie erstarrt, zitterte am ganzen Körper.

"Vielleicht ist sie ja gar nicht eingestiegen," versuchte ich allen etwas mehr Hoffnung zu geben. Doch leider wusste ich, dass das ein Ding der Unmöglichkeit war. Die Polizei kam wirklich nur, wenn sie sich zu 100% sicher war. Sie kamen nie ohne triftigen Grund.

Ich sah zum Polizisten, der traurig seinen Hut abnahm und den Kopf schüttelte.

Es war also bestätigt. Hannah war tot. Sie war den womöglich am meisten tragischen Tod gestorben, den sie, das Mädchen mit Flugangst, hätte sterben können und das alles nur wegen mir. Ich hatte wieder nur an mich gedacht. Hätte ich ihr nicht gesagt, dass sie hätte kommen sollen, wäre sie jetzt noch am leben.

Geschockt sah ich zu Tante Sybill und Mom, die sich wieder in den Armen lagen.

"Das ist meine Schuld," flüsterte ich leise und erstickt. Mom schüttelte den Kopf. "Nein, dafür kannst du doch nichts," sagte sie aufmunternd. Tante Sybill war der gleichen Meinung. "Ja, du bist das Flugzeug doch nicht geflogen." Sie versuchte so lächeln, vergeblich. Trotz dieser schweren Lage, hatte meine Tante ihren Humor noch nicht verloren.

Ich fing nur noch mehr an zu weinen. "Doch! Es war alles meine Schuld! Ich habe ihr gesagt, dass ich sie brauche! Dass sie zurückkommen soll! Sie hätte alles für mich getan, also wollte sie tatsächlich zurückkommen!" Ich schrie meine Tante und meine Mom förmlich an.

Die beiden waren wie erstarrt. Sie machten gar nichts mehr. Sie standen einfach nur dort.

"Jetzt sagt doch was!", schrie ich, doch sie blieben weiterhin stumm.

Meine Gefühle waren ganz durcheinander. Ich wusste nicht, was ich in diesem Moment tat oder was ich noch tun würde. Ich war wie leer gefegt. Meine Gedanken konnte ich nicht mehr richtig ordnen. Es war, als würden sich all meine schlechten Gefühle vermischen. Ich hatte Angst, war wütend auf mich selbst, war traurig über Hannah und war entsetzt über meine Tat.

"Es tut mir leid," flüsterte ich leise und durch Tränen erstickt, als ich los rannte. Ich wusste nicht wohin. Einfach weg.

"Emma! Bleib hier!", schrie meine Mutter mir hinterher, aber ich reagierte nicht. Ich rannte weiter.

Nachdem ich schon ziemlich weit vom Geschehen weg war, drehte ich mich beim rennen noch einmal kurz um und sah, wie Mom zu Boden brach. Sie war zusammengebrochen, als wäre ihr Herz in tausend Teile zersplittert.

Eigentlich hätte ich zurücklaufen sollen, ihr aufhelfen sollen, sie umarmen sollen, doch wie bereits erwähnt, wusste ich in diesem Moment nicht, was ich tat.

Ich rannte also weiter und nach kurzer Zeit, als alles still war, fiel mir etwas ein.

Ein Ort, ganz hier in der Nähe.

Ein Ort, an dem ich meine Probleme fallen lassen konnte.

Ein Ort, zu dem ich laufen konnte.

Ein Ort, der von jetzt an mein Ziel war...

Her own happy endingWhere stories live. Discover now