Flashback: Urlaub an den Niagarafällen

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Es war ein warmer, aber stürmischer Sommertag. Mom, Dad, Hannah, meine beiden Brüder Kyle und Shawn und ich sahen aufgeregt den Niagarafällen dabei zu, wie sie tief in den Abgrund plätscherten. Es sah einfach wunderschön aus.

Wie aus dem Nichts kamen nun auch meine Großeltern zu uns und sahen sich das viele Wasser an. Opa erzählte mir eine Geschichte, wie einmal ein Schiff hier herunter gefahren war und somit das Ende der Welt erreicht hatte. Damals war ich noch klein und natürlich glaubte ich ihm. Heute fand ich die aufheiternden Geschichten meines Opas teils schräg, aber auch irgendwie süß.

Nach einiger Zeit kamen meine Eltern auf die Idee an einen naheliegenden See zu fahren und dort ein Picknick zu machen. Wir alle freuten uns sehr darauf und vor allem Hannah und ich, weshalb wir wild auf und ab hüpften. Kyle und Shawn waren noch zu jung dafür. Sie saßen im Kinderwagen und jubelten.

Wir stiegen ins Auto und fuhren los. Unsere Großeltern direkt hinter uns in ihrem roten VW Käfer. Ich erinnerte mich an die lange Fahrt und wie ich beinahe eingeschlafen wäre, obwohl es mir, soweit ich mich erinnern konnte, länger vorkam als es eigentlich war. Ich starrte die ganze Zeit über gebannt aus dem Fenster auf die vorbeifliegenden Bäume. Manchmal stellte ich mir dabei sogar vor, in einem Flugzeug zu sein, woraufhin ich lachen musste.

Nach ungefähr einer Stunde fuhren wir dann auf einen großen Parkplatz und stiegen aus. Ich war noch zu klein, weshalb Mom mir helfen musste aus dem Auto zu kommen.

Wir nahmen unsere Sachen, liefen einen kleinen Waldpfad hinab und waren schließlich an der großen Küste des wunderschönen Sees. Schnell packten wir all unsere Sachen aus. Die Decke auf der wir nun saßen war blau kariert und flauschig. Ich liebte diese Decke.

Unsere ganze Familie war nun versammelt, mit Ausnahme meiner Großeltern, die sich dazu entschieden hatten um den See herum spazieren zu gehen. Es war nicht sonderlich viel los. Wir waren die einzigen, die dort waren. An diesem Tag war es durch den Wind jedoch auch zu kalt zum Schwimmen und das Klima hier am See war anders als bei den Niagarafällen.

Mom wollte gerade Kyle und Shawn aus dem Kinderwagen nehmen, als ich mich dazwischen stellte. "Mommy darf ich ein Eis?" Ich deutete mit meinem Finger auf den kleinen schnuckeligen Eisstand etwas weiter hinten. Mit einem fürsorglichen Lächeln sah sie mich an. "Wie wärs wenn du noch bis zuhause wartest. Es ist jetzt auch viel zu kalt für ein Eis," sagte sie liebevoll. "Ich will aber jetzt ein Eis," schmollte die kleinere Version von mir vor sich hin. Nickend nahm mich meine Mom an die Hand.

"Hannah? Passt du bitte kurz auf die kleinen auf? Lass sie am besten noch im Kinderwagen, bis zumindest euer Vater vom Parkplatz wiederkommt." Hannah nickte als antwort wohlwollend.

Am Eisstand konnte ich mich beim besten Willen nicht entscheiden, denn sie hatten drei meiner Lieblingssorten Wassereis da. Wir standen also ziemlich lange dort. Der Eisverkäufer, ein junger Mann, lächelte jedoch nur und fand meine Auflistung der Argumente weshalb ich mich für welches Eis entscheiden sollte, amüsant.

"Also das mag ich ganz gerne, aber das mag ich auch und das auch. Aber ich glaube, das mag ich lieber als das und das da-" "Schatz, entscheid dich doch einfach für eines. Es ist ja nicht so, dass du die anderen nicht wann anders essen kannst," lachte meine Mutter.

Ich beschloss ihr Recht zu geben, doch bevor ich das sagen konnte, hörte ich meinen Vater schreien.

"SHAWN!" Abrupt drehte Mom sich um und noch bevor ich mich versah, ließ sie meine Hand los, stürmte zum Ufer und ich fiel auf den sandigen boden. Ich musste anfangen zu weinen. Es war alles zu viel. Ich verstand nichts. Das einzige, das ich sah, war wie Mom ins Wasser rannte und als Dad das sah, rannte er ihr hinterher. Sie tauchte unter, blieb lange Zeit unten, sodass man das Gefühl hatte, sie würde nicht mehr hoch kommen. Doch Dad war da. Er half ihr aus dem Wasser, woraufhin sie sich wehrte.

"NEIN! SHAWN!" Er versuchte immer wieder auf sie einzureden. "Es ist zu spät Regina! Wir können dich nicht auch noch verlieren!" Er zog sie behutsam ans Ufer. Es war ein Kampf, denn die dunkelblonde Frau hörte nicht auf sich zu wehren. Doch Dad war stärker.

Beide waren durchnässt und sie weinten, als sie am Ufer ankamen. Plötzlich hob mich jemand hoch, nahm mich auf den Arm. Wir liefen in die Richtung meiner Eltern. Auch Hannah kam mit Kyle auf dem Arm zu ihnen.

"Es tut mir so leid Mom. Ich wollte das nicht. Es war ein Unfall." Schnell schlang Mom ihren Arm um Hannah und Kyle. Ich sah in das Gesicht des Eismannes, der mich gerade herunterließ. Mein Gesicht voller Tränen lief ich schnell zu Mom. Ich wollte in ihren Arm, jedoch schob sie mich sachte, dennoch mit einem Blick des Todes zur Seite, woraufhin Dad mich in den Arm nahm.

Wir saßen noch sehr lange weinend dort. Nach einer halben Stunde kamen dann der Notarzt, der Rettungshubschrauber und die Polizei, die, wie sich hinterher herausstellte, vom Eismann gerufen wurden. Nichts, sie fanden einfach nichts. Shawn war wie vom Erdboden verschluckt. Auch das Team von Rettungstauchern hatten keinen Erfolg.

Wenn ich mich so daran zurück erinnere, war es wohl der schlimmste Tag in meinem Leben. Ich war noch klein und verstand nichts. Ich hatte keine Ahnung, was passiert war. Und zudem hasste meine Mutter mich nach diesem Ereignis auch noch.

Ich habe mich schon sehr oft gefragt, was wohl passiert wäre, wenn Shawn noch am leben wäre. Wenn Mom also nie sauer auf mich gewesen wäre...

Würde Mom weiterhin an Reitturnieren teilnehmen? Wäre Hannah dann jetzt noch am leben? Hätte ich dann Josh kennengelernt?Wären wir die perfekte Familie geworden? Gibt es diese "perfekte" Familie überhaupt? All diese Fragen werde ich wohl nie beantworten können, aber das ist egal.

Dieses Ereignis war wohl eines der schlimmsten in meinem Leben, aber das ist jetzt Vergangenheit. Wir sollten in die Zukunft sehen und auf all die guten Sachen, die diese vielleicht mitbringt.

Am Ende wird doch immer alles gut und wenn nicht, dann ist es nicht das Ende...


Her own happy endingOù les histoires vivent. Découvrez maintenant