Kapitel 21

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Drei Tage lag ich noch im Krankenhaus, bevor sie mich endlich entließen. Es war also Samstag und ich saß wieder auf unserem kleinen Vordach, jedoch nicht allein. Josh saß neben mir und wir sahen uns gemeinsam den Sonnenuntergang an. Er war extra gekommen, als er erfuhr, dass ich entlassen worden war. Ich fragte mich langsam ernsthaft, woher dieser plötzliche Meinungswechsel kam. Er gab sich nun wirklich Mühe, um mich für sich zu gewinnen. Meine Neugier überstieg mal wieder diesen wundervollen Moment. "Warum?" Josh wand seinen Kopf fragend zu mir. "Was?", fragte er. Ich blickte weiterhin zum wunderschön leuchtenden Sonnenuntergang. "Warum hast du dich plötzlich so geändert? Warum willst du jetzt doch mit mir zusammen sein? Josh, ich verstehe das nicht." Jetzt wanderte mein Blick auch zu ihm, bemerkte, dass er zu lächeln begann. "Du hast mich bei der Party sitzen lassen." Misstrauisch nickte ich. "Und?" Josh lachte kurz auf. "Das hat noch nie jemand vor dir gemacht. Ich habe gemerkt, dass du anders bist und-" Er stoppte, um meine Neugier noch mehr zu steigern. "Und was? Josh hör auf mich neugierig zu machen. Du weißt, dass ich das hasse!" Er brach in Gelächter aus. "Woher denn?" Mein fordernder Blick bedeutete ihm, endlich damit rauszurücken, was er eigentlich sagen wollte. Er sah zum Sonnenuntergang. "Ich glaube, ich mag das." Mein Herz schlug Saltos. Sag doch einfach, dass du mich liebst! Bitte! Doch darauf konnte ich lange warten. Er würde es ja doch nicht sagen. Egal. Der Satz war nah dran. "Du glaubst? Komm, du magst mich." Wir fingen beide an zu lachen. "Übertreibe es nicht, Prinzessin." Prinzessin. Er hatte mich Prinzessin genannt!

Tante Sybill ging los und stieg in ihren VW Käfer, machte den Motor an. Er stand direkt vor dem Haus, weswegen man ihn von hier oben perfekt beobachten konnte. Geich würden sie weg sein. Hannah, Mom, Dad, Tante Sybill, einfach alle, was bedeutete, dass ich mit Josh ganz alleine wäre. Meine Großeltern organisierten gerade den Trip nach Indien. Ja, meine komplette Familie wollte in den bald anstehenden Sommerferien nach Indien fahren. Ich hatte nicht sonderlich große Lust, aber was sollte man machen? Bei dem Abendessen, wo meine Schwester, meine Eltern und meine Tante heute extra in ein Restaurant fuhren, wollten die vier einige Sachen für die Reise planen, was wir unternehmen würden und so etwas. 

Kurz nachdem Tante Sybill eingestiegen war, kamen auch schon Hannah und meine Eltern, stiegen ein. Jedoch wendete sich Hannah vorher noch an Josh und mich. "Viel Spaß ihr beiden!" Sie grinste, ich schüttelte vergnügt den Kopf. Dann fuhren sie los. Wir waren also nun alleine. Der himmel verdunkelte sich langsam durch viel schwarze Wolken. Ich sah zu Josh, wollte eigentlich etwas sagen, wusste jedoch nicht was.  Er ergriff das Wort. "Also? Was hast du jetzt vor?" Es fing an in Strömen zu regnen. "Vielleicht sollten wir uns erstmal aus dem Regen retten!", antwortete ich ihm. Mit einem zustimmenden Nicken seinerseits, kletterten wir schnell durch mein Zimmerfenster. 

"Glück gehabt," sagte Josh amüsiert, schloss das Fenster. Wir hatten es so gerade noch geschafft, ohne übermäßig nass zu werden. "Warum eigentlich immer ich?", fragte ich lachend in den Raum. Josh lächelte ebenfalls. Stille brach aus. Eine, um ehrlich zu sein, sehr peinliche Stille. Ich hatte wirklich keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte, doch ich musste nicht lange warten, bis Josh etwas tat, um die Stille zu brechen. "Wann kommen deine Eltern wieder?" Er kam auf mich zu. Mit der Antwort: "Ich weiß nicht, so in zwei Stunden," ging ich langsam, zitternd ein paar Schritte zurück, bis ich, mit meinem Rücken an die Wand hinter mir stieß. "Gut, da haben wir ja genug Zeit." Er kam immer näher. "Zeit wofür?", versuchte ich mich aus der Situation zu retten, vergeblich. Mein Atem wurde schneller, genauso mein Herz. Josh stand nun direkt vor mir, zog mich in einen langen, leidenschaftlichen Kuss. Es war merkwürdig, denn ich wollte es, mehr als alles andere auf der Welt. Ich legte meine Arme um seinen Hals, seine fanden Platz auf meiner Hüfte. Meine komplette Angst fiel von mir ab. Ein Gefühl von Lust machte sich in mir breit. Es war das Gefühl von damals, von der Party oder als wir am Stand waren. Dieses kribbeln im Bauch. Endlich verstand ich es. Ich fühlte mich sicher und geborgen, solange Josh mir so nah war. Es war, als würden wir uns schon ewig kennen. Als ob ich ihm alles anvertrauen könnte, was mir auf dem Herzen liegt. Ein schönes Gefühl. Ich war bereit. Ich war endlich bereit, diesen großen Schritt in meinem Leben zu gehen. Aber anscheinend war mir dies nicht gegönnt.

Es klingelte an unserer Haustür. Josh unterbrach kurz. "Bitte ignoriere es," machte dann weiter. So gerne ich es in diesem Moment auch wollte, es ging nicht. Es klingelte erneut, ich drückte Josh leicht von mir weg. Mit einem genervten Stöhnen ließ er sich auf mein Bett fallen. "Wer auch immer das ist, irgendwann bringe ich diese Person um."  Ich musste lächeln. "Du wirst es überleben." Josh setzte sich auf. "Werde diese Person wieder los." "Ich gebe mein bestes." Ich ging runter zur Haustür. Kaum war sie geöffnet, stürzte die Person davor auch schon herein. "Konntest du denn nicht früher aufmachen? Mein schöner Anzug ist schon ganz nass!" Oh nein, dachte ich, der nicht auch noch. Darnell. Ich hatte schon beinahe vergessen, dass er ja auch mit uns nach Indien fuhr, doch eigentlich sollte er erst morgen ankommen. "Was machst du schon hier?" Mit einem charmanten Grinsen sah er mich an. "Wo ist Hannah?", fragte er arrogant. "Hallo? hörst du schlecht? Ich habe dich etwas gefragt!", antwortete ich sauer. "Wirst du sie jetzt anrufen oder willst du weiter hier herumstehen?" Darnell setzte sich auf unser Sofa, legte seine Füße mit seinen gepflegten Lederschuhen auf dem Tisch ab. Augenrollend nahm ich mein Handy, welches ich nach meinem Krankenhausaufenthalt in die Küche gelegt hatte und rief Hannah an. 

"Hallo?" Hannahs Stimme klang fröhlich. "Hey Hannah. Jetzt rate doch mal wer hier ist." Darnell sprang vom Sofa auf, entriss mir mein Handy. "Hey!" Ich versuchte es ihm wegzunehmen, dabei schubste er mich so fest, dass ich zu Boden fiel. Josh musste den Knall gehört haben, kam die Treppe herunter. "Emma? Alles in Ordnung?" Er kam zu mir, half mir hoch. Ich nickte. Darnell war mittlerweile in die Küche verschwunden, die Tür war nur ein spalt weit offen. "Kennst du den?" Ich verdrehte die Augen. "Ich wünschte, ich würde es nicht. Das ist Darnell, Hannahs Freund." Josh lachte auf. "Auf solche Typen steht deine Schwester?" Ich nickte amüsiert. Kurz darauf kam Darnell aus der Küche stolziert, mein Handy in seiner rechten Hand. Er überreichte es mir. "Hannah kommt gleich. Wir werden hier essen, also hop hop! Deck mal schön den Tisch." Er bemerkte Josh, musterte ihn. "Vergiss es, wie ich sehe, habt ihr euch bereits einen Diener bestellt." Joshs Blick wurde ernst. "Diener? Sagt der Typ im Anzug und mit den, für einen Butler typischen, Lackleder Schuhen?" Josh blieb ruhig. Darnells Miene spannte sich an. "Frech, dein kleiner Freund." Ich und Josh verdrehten gleichzeitig die Augen. Ich hatte das Gefühl, beide würden jeden Moment aufeinander losgehen. "Aber was hat der schon zu sagen? Er studiert weder Medizin, noch ist er so gut aussehend wie ich. Das hier sollte ich also mit Leichtigkeit gewinnen." Josh ballte seine Hände zu Fäusten. "Ach ja?" Schnell ging ich zwischen die beiden. "Okay stop! Hört auf damit!" Darnell lachte laut auf. "Oh, das hässliche Entlein meldet sich zu Wort. Kaum zu glauben, dass du auch nur im geringsten mit deiner Schwester verwand bist." Josh war fassungslos, drängte sich an mir vorbei, auf direktem Weg zu Darnell. Er stand vor ihm, sie waren beide gleich groß. 

Wie sollte ich die beiden nur ruhig bekommen, damit sie sich nicht schlugen, bis Hannah und meine Eltern kamen?

Her own happy endingWhere stories live. Discover now