Kapitel 9

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Montag. Es war mal wieder ein sonniger Tag und anstatt wie gewöhnlich draußen auf der Bank neben dem Fahrradständer zu sitzen, hetzte ich durch die langen Gänge der Eachwood-High. Ich lief gegen den Strom der Menschenmenge, welche alle bei diesem Wetter nach draußen in die Sonne wollten. Es war schwer, schnell voranzukommen, doch ich hatte ein Ziel vor Augen. Ich musste Alicia finden und ihr von Josh erzählen. Ich musste unbedingt mit jemanden darüber reden, da meine Schwester seit Samstag Abend bei ihrem Freund, Darnell, welchen ich übrigens noch nie leiden konnte, war und ich sie somit nicht um Rat fragen konnte. Ich konnte Alicia und den Rest der Band nicht draußen auf dem Gelände finden, also hoffte ich, sie seien in der Aula zum proben.

Als ich komplett außer Atem in die Aula gestürmt kam, sahen mich fünf entsetzte Blicke auf der Bühne der Aula an. Die Vorhänge waren zugezogen und das Scheinwerferlicht war auf die Bühne gerichtet. Es war tatsächlich die Schulband, inklusive Alicia. Der ganze Saal war ruhig. Das einzige was man hören konnte, war mein viel zu lauter, schwerer Atem, welcher den ganzen Raum mit einem keuchen erfüllte. Ich lief zur Bühne. Vorne angekommen, betrachtete ich die Personen vor mir, während ich langsam wieder zu Atem kam. Neben Alicia, die in der Mitte stand, stand rechts daneben ein Typ mit etwas längeren, schwarzen Haaren. Sein Name war Oliver, trug eine schwarze Lederjacke, eine helle Jeans und er war wie ich 17 Jahre alt. Er spielte, wie es aussah, Gitarre. Links von ihm, etwas weiter hinten stand ein Junge mit blonden, kurzen Haaren am Piano. Ich kannte ihn nicht, so schwankte mein Blick weiter nach links, denn neben ihm saß Justin, ein rothaariger, großer Typ, am Schlagzeug. Vorne links, neben Alicia stand Dave. Er hatte braune Haare, braune Augen und war auch 17. Er stand mit einer E-Gitarre in der Hand dort oben. So wie es schien, war Alicia die jüngste in der Band, jedoch war ich mir nicht sicher, da ich die hinteren beiden nicht richtig kannte.

Ich schnappte nach Luft, Alicia kam von der Bühne. "Was ist los? Gehts dir nicht gut?" Fragte sie in einem besorgten Ton. Mein Atem war immer noch nicht ganz zurück. "Ich- Projekt- Josh- Date!" Ich bekam keine ganzen Sätze gebildet. Meine Schnappatmung nahm vor Aufregung wieder zu. "Beruhig dich erstmal und erzähl mir dann was los ist." Sagte sie. Ich sah erneut zu den Jungs. Sie sahen mich an, als wäre ich komplett geisteskrank. Ich wendete mich wieder zu Alicia. "Keine Zeit- Ich- kann- nicht-" Ich brach ab, überlegte. Mir kam eine Idee. "Du magst doch Jamie, oder?" Ich sah sie mit einem aufgeregten Gesicht an. Sie wirkte verwirrt. "Ähm, ja er ist... ganz nett, aber-" "Gut!" Unterbrach ich hastig, packte sie am Handgelenk und zerrte sie mit mir aus der Aula. Sie sah während des Laufens noch einmal kurz zurück. "Ich bin gleich wieder da!" Rief sie den Jungs zu. Diese nickten nur, mit einem verstörten Blick.

Ich lief mit ihr durch die halbe Schule, mal links in den Gang, mal rechts durch den Flur, bis wir am Haupteingang der Schule waren, wo ich abrupt stehen blieb, sodass Alicia weiterlief und beinahe, hätte ich sie nicht immer noch am Handgelenk festgehalten, die Treppe vor dem Eingang heruntergefallen wäre. "Emma!" Ermahnte sich mich, doch ich achtete gar nicht darauf, sah zu Josh und seinem Bruder, die gerade ein Gespräch führten. Sie standen auf der rechten der beiden Wiesen und es sah so aus als würden sie sich wegen irgendetwas streiten. Ich ließ Alicias Handgelenk los. "Komm mit." Sagte ich zur ihr, als ich die Treppe vor dem Eingang hinunterging. Sie folgte mir, wir gingen zu Josh und Jamie, stellten uns mit ihnen in einem Kreis. Ich grinste breit. "Hey, na?" Fragte ich in einem knuffigen Ton. Doch anstatt ein Lächeln von Josh, bekam ich nur ein genervtes "Was ist?" von ihm zurück. Meine Laune ließ sich nicht unterkriegen. "Naja, Jamie und Alicia mögen sich ja auch und da Jamie dein Bruder ist und Alicia eine gute Freundin von mir und beide noch kein Date hatten und unsere Unterstützung brauchen, dachte ich..." Ich stoppte kurz und sah in die fragenden Gesichter der drei, welche nun direkt vor mir standen. "Vielleicht könnten wir ja alle zusammen gehen." Mit einem erwartungsvollen Blick, sah ich zu den dreien. Diese guckten mich entgeistert an, dann sagten sie alle gleichzeitig: "Ein Doppeldate?!" In genau derselben Stimme und mit gleich viel Entsetzen dahinter. Mein Lächeln verschwand langsam und wurde zu einem Schmollmund. "Ja, sozusagen ein... Doppeldate." Nun grinste ich wieder. Josh wurde ernst. "Nein, kommt gar nicht in frage." Sagte er streng. Alicia hingegen, setzte ein falsches lachen auf. "Ja, weißt du, ich würde wirklich gerne mitkommen aber ich glaube ich habe an dem Abend schon was vor..." misstrauisch sah ich zu ihr herüber. "Ich habe dir doch noch gar nicht gesagt, wann es ist." Sie wurde rot. "Ja, ich... bin eine viel beschäftigte Person, von daher-" "Von daher steht es fest! Alicia und ich warten dann bei meinem Haus auf euch. Und seid pünktlich!" Mit diesem Satz ging ich davon, direkt zur Bank neben dem Fahrradständer.

Alicia kam mir direkt hinterher, um nicht alleine mit den Jungs da stehen zu müssen. Wütend, setzte sie sich neben mich. "Was hast du dir dabei gedacht?! Wir kennen uns seit letzter Woche und du ziehst mich schon komplett mit in dein Leben rein!" Sie war sichtlich aufgebracht. Mein Gesicht wurde traurig. "Tut mir leid, das..." mein Blick wanderte zu Boden. "Das ist so ne Angewohnheit. Das habe ich mit Jessica auch immer gemacht." Ich spürte, wie sich zwei Arme um meinen Hals schlangen. "Ist schon gut, aber frag mich das nächste mal bitte, bevor du so etwas tust." Sie löste sich aus der halben Umarmung. Ich sah sie an, nickte. "Heißt das, du kommst mit?" Lachte ich ihr zu. "Ich habe wohl keine andere Wahl mehr." Ihr ironischer Blick, brachte mich zum Lachen.

Kurze Zeit später, lachten wir beide auf, was allerdings nicht sonderlich lange anhielt, denn Melanie, Melina, Melissa und Jessica stellten sich vor uns. "Na? Was macht ihr beiden, kleinen Schlampen so schönes?" Melanies Stimme klang so arrogant wie immer. Alicia und ich, schauten uns kurz in die Augen, standen schließlich auf, sodass wir direkt vor ihnen standen. "Kannst du uns nicht einfach mal in Ruhe lassen?" Fragte ich genervt. Alle Mädels, bis auf Jessica fingen an zu lachen. Sie guckte mich eher traurig an.

Dann packte sie sich ein Herz und stellte sich direkt vor mich. "Hört auf!" Melanie wirkte geschockt. "Was tust du da?" Fragte sie komplett entgeistert. Daraufhin wühlte Jessica in ihrer viel zu kleinen Handtasche herum, kramte einen pinken Pulli heraus, zog ihn über ihr knappes Oberteil. "Das bin ich! Ich bin nicht so wie ihr! Das ist mir jetzt endlich klar geworden und mir ist auch klar geworden, was ich vor euch hatte!" Sie sah mit einem hilflosen Lächeln zu mir, doch ich schaute eher misstrauisch zurück. Melina ergriff das Wort. "Ach so läuft das bei dir. Jetzt hat Josh ein Date mit Emma und du springst von uns, die nicht mehr so viel mit ihm zu tun haben ab, oder was?"

Jetzt wurde mir so einiges klar. Natürlich! So ungern ich das auch zugab, aber die drei Blondinen hatten wohl recht. Wie konnte ich nur so dumm sein und wirklich für einen winzigen Moment denken, Jessica würde endlich einsehen was sie getan hat. Ich sah zu ihr, sie hatte den Blick immer noch auf mich gerichtet. "Du glaubst ihnen doch nicht etwa... oder?" Jessica wurde traurig. Die Trauer war auf jeden Fall echt, so gut konnte sie das niemals spielen. Was wenn sie es doch ernst meinte? Konnte ich ihr jemals wieder vertrauen? Nein, ich glaube nicht. Die flehende Stimme ihrerseits, riss mich aus meinen Gedanken. "Bitte Emma! Es tut mir so leid ich-... ich wollte das doch nicht ich-... keine Ahnung was mich dazu bewegt hat." Tränen liefen ihr über die Wangen. Ich schüttelte nur stumm den Kopf, ging mit Alicia zurück zur Aula und ließ Jessica allein dort stehen. Sie hatte nun niemanden mehr. Ja, sie tat mir leid. Aber jetzt würde sie endlich mal sehen, wie ich mich gefühlt hatte, als ich ganz alleine war. Als ich niemanden hatte. Es war schmerzhaft, denn die Leere breitete sich immer weiter in einem aus, bis man zersplitterte, in tausend, leblose Teile. Auch Jessica würde diesen Schmerz spüren, doch das war nicht das, was mich erschrak.

Es war viel mehr die Gewissheit , dass es mir nichts ausmachte, wie sie leiden würde.

Her own happy endingWhere stories live. Discover now