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Die ersten Lichtstrahlen fielen durch die bodentiefe Fenster und hüllten das Zimmer in trügerische Ruhe. Meine Augen öffneten sich und sahen das fremde Zimmer vor sich auftauchen. Sie benötigten einen Moment um sich daran zu gewöhnen, dann setzte der Schmerz ein. Schnell schlossen meine Augen sich und ich konnte gerade noch so ein schmerzhaftes aufstöhnen verhindern. Ich spürte Liam hinter mir, spürte seine Wärme, spürte wie er ruhig atmete. Gott sei Dank, er schlief. Trainiert durch eine kleine Schwester die es nicht zu wecken galt, stand ich auf. Der Moment in dem sich alles drehte verging und ich überdachte meine Lage. Von ihm bis zu mir waren es mit Sicherheit 6 Meilen, aber das war zu schaffen. Solange die Sonne nicht zu hell war und meinen inneren Vampir aufschreckte, dürfte das kein Problem werden. Allerdings konnte man meinen genialen Einfällen nach gestern Abend nicht mehr unbedingt trauen. Gott, wie viel Uhr war es überhaupt?

Es war nicht schwer in einem Zimmer, in dem alles überdimensional groß war, eine überdimensional große Uhr zu finden. 4 Uhr sagten mir die Zeiger. Also hatte ich noch genügend Zeit bevor Dad aufwachen würde, Alarm schlug und eine Vermisstenanzeige aufgab. Ich machte mich auf zur Tür, bis mir auffiel, dass ich ja unbekleidet wie Gott mich schuf dastand. Hopala, das hätte ungünstig enden können. Auf Zehnspitzen lief ich über den Boden und zum Glück war er aus Stein, sodass er nicht knirschen konnte. Meine Güte, warum musste ich, oder vielmehr Liam, die denn auch überall verteilen? Und wie kam mein BH auf der Lampe? 

Dafür war er wenigstens leicht zu finden, was von der Unterhose nicht zu sagen war. Aber für das geschulte Auge, trainiert durch Jahrelanges hinterher räumen von kleinen Kindern und einem Dad, ließen sich alle Stücke wieder finden. Dieses Mal vollständig bekleidet stahl ich mich durch Liam's Tür und stand auf diesen riesen Flur. Innerlich schüttelte ich den Kopf über die ganze Dekadenz die hier zur Schau gestellt wurde. Alles hier sagte aus: ich bin reich, sieh wie reich ich bin. Von dieser Vase konnten wir mit Sicherheit eine Monatsmiete zahlen und von dem Bild an der Wand konnten wir uns bestimmt ein halbes Jahr ernähren. Liam's Familie lebte einfach in einer ganz anderen Welt. Ich machte drei Kreuze, denn die Tür war nicht abgeschlossen. Reiche Leute mussten nicht abschließen, weil Reiche Leute sicher waren. Sobald ich draußen stand, atmete ich tief die Luft der Freiheit ein. Wie schön, dass ich diese Luft noch 6 Meilen genießen konnte. Verkartet. Mit Muskelkater.

Bilder von letzter Nacht tauchten in mir auf, doch ich schickte eine Armee von Gehirnzellen auf sie um sie zu bekämpfen. Nicht über das nachdenken. Nicht über das nachdenken. Nicht über Liam's Finger in mir Nachdenken. Nicht über dieses Gefühl nachdenken. Einfach gerade aus laufen. Leider musste ich schon an der nächsten Kreuzung feststellen, dass es Quatsch war. Hellas, ich dachte ich hätte nicht so viel gestern getrunken, aber nach meinem Durstgefühl muss es doch mehr gewesen sein als nur sechs Tequila, drei Bier und eine halbe Flasche Wein. Super gemacht Ava. Oder eher Liam, wegen dem hatte ich mir schließlich Mut angetrunken. Oder hatte ich erst getrunken und hatte dann diese Glorreiche Idee? Schwer zu sagen und mein Kopf schien mir zuzustimmen, dass Denken gerade sehr weit unten in unserer Prioritäten Liste stehen sollte.„Brauchst du einen Fahrer?" Und Stimmen oder allgemein Geräusche sollten noch weiter darunter kommen. „Ava, ich rede mit dir?" Also wirklich, dieses fiepen nervte doch ein wenig. Weiter Konzentriert darauf nicht umzukippen und zu kotzen, zwangsläufig nicht in dieser Reihenfolge, setzte ich einen Fuß vor den andern, bis ich gegen einen Baum lief.

„Blöder Baum.", fluchte ich und wollte um ihn herum gehen, aber der Baum bewegte sich auch. Was war mit dem? Hatten die Reichen da Motoren drunter gebaut, damit der Arme Leute vertrieb?

„Das blöd akzeptiere ich, den Baum aber nicht." Endlich schaute ich nach Oben und sah in Kyle's grinsendes Gesicht. Schade, ein Baum wäre besser gewesen, die produzieren wenigstens Sauerstoff.

„Kyle."

„Ava." So heiße ich, vielen Dank. „Was machst du im diese Uhrzeit alleine hier draußen?", fragte er und ich merkte wie er mich neugierig musterte.

DeliriumWhere stories live. Discover now