XLVIII

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Liam's Arm um mich spendete mir wohlige Wärme, während mein Kopf auf seiner Brust lag und ich seinen regelmäßigen Herzschlag unter mir spürte. Wir sprachen nicht, was merkwürdig war, denn noch nie fanden wir uns in dieser angenehmen Stille wieder. Meistens stritten wir oder ich erklärte ihm was oder wir taten andere Dinge, bei denen man nicht reden musste. Aber so hier zu liegen ohne irgendetwas dergleichen zu tun, dass war neu. Neu und auch schön. Ich wusste nicht warum es sich gut anfühlte und ich wollte es auch gar nicht. Leider dachte ich zu oft über Dinge nach, nur um sie dann schlecht zu machen ohne das sie es waren. Dieses Überdenken, was ein deutlicher Charakterzug von mir war, passierte aber nicht. Mein Kopf fühlte sich so angenehm leer an wie schon lange nicht mehr. Und das nur, weil ich hier draußen mit Liam lag, demjenigen der mich in so ein Chaos stürzen konnte. Was war an ihm, dass er meine Grundmauren so erschüttern konnte wie kein anderer?

„Noah wurde von seinem Vater zusammengeschlagen, weil er Männer mag. Er wohnte die letzte Woche bei uns und obwohl wir so oft darüber gesprochen haben, will er zurück zu ihnen. Sie haben sich nicht einmal gemeldet um zu wissen wie es ihm geht oder ob er überhaupt noch lebt. Und heute ruft seine Mutter an und er ist sofort ins alte Muster gefallen." Liam holte tief Luft. „Und ich hab Angst davor, dass er wirklich wieder zurück gehen könnte."

Ich überlegte, was ich sagen könnte. So etwas war schwierig, trotzdem hatte ich das Gefühl etwas sagen zu müssen. „Vielleicht hat er das Gefühl, keine andere Wahl zu haben. Aber das du deswegen unsicher bist, ist verständlich, denn er ist dein Freund und du machst dir Sorgen um ihn, das ist normal. Kannst du ihn denn verstehen?"

„Teilweise.", schnaubte Liam. „Aber ich will nicht, dass er auch nur überlegt dahin zurück zu gehen und trotzdem tut er das. Wie kann ich ihm das ausreden? Er musst doch verstehen wie dumm diese Idee ist."

„Aber wenn du ihn zwingst, was macht das mit dir im Vergleich mit seinen Eltern? Natürlich abgesehen von den Misshandlungen. Du willst ihn doch auch zu dem bringen was deiner Meinung nach richtig ist. Liam, man kann nun mal nicht immer alles kontrollieren, auch wenn man es gerne möchte. "

Er sah zu mir. „Aber du kannst das. Du hast doch für alles die richtige Lösung."

Ich lachte hohl auf, nichts lag der Wahrheit ferner. „Oh nein, manchmal gibt es eben keine richtige Lösung." Ich überlegte ob ich ihm das folgende wirklich sagen sollte, entschied mich aber dafür. „Amber wird nächste Woche operiert und geht dann zu Dialyse.", sagte ich und Liam zog mich näher an sich. „Ich habe Angst deswegen. Es kann so vieles schief gehen dabei und sie ist doch noch so jung. Und ich hasse es, dass ich so schwach bin, wenn sie mich doch am meisten brauchen wird. Wie kann ich Angst haben, wo sie sich doch alle auf mich verlassen?" Meine Stimme verlor sich in der Nacht.

„Sie ist doch noch ein Kind. Kinder sollten sich nicht damit befassen müssen. Kinder sollten nicht Schmerzen haben und so viele Einschränkungen haben. Und trotz all dieser Dinge ist sie so fröhlich, dass es mir wehtut sie zu sehen. Ich kann nicht einmal mehr mit ihr spielen weil ich Angst habe, dass ich meine Fassung verlieren könnte und das weinen anfange. Davie, der kann das. Er ist ein so viel besserer Bruder als ich eine Schwester bin. Ich tue alles um mich nicht damit beschäftigen zu müssen, dass sie möglicherweise auch sterben könnte. Ich schleppe sie zu Ärzten, obwohl ich weiß sie möchte das nicht." Eine Träne kullerte aus meinem Augenwinkel und verschämt wischte ich sie weg. „Ich zwinge sie dazu ihre Medikamente zu nehmen, obwohl sie sich danach immer schlechter fühlt. Was ist, wenn sie das ganze gar nicht möchte? Was ist wenn es in Ordnung für sie wäre zu sterben? Ich hab sie nie gefragt, was sie möchte aus Angst, dass sie genau das sagen könnte. Ich Handel aus puren Egoismus und aus Liebe, so wie du es mit Noah machst." Ich versuchte weitere Tränen aufzuhalten, doch mir endlich all das einzugestehen machte es beinahe unmöglich. Zwar verließ kein Ton meine Lippen, dennoch zitterte mein Körper. „Siehst du, ich habe nicht immer eine Lösung, ich versuche es einfach nur und hoffe auf das beste."

Liam drehte sich und nahm mich in seine Arme. „Ava, du bist selbst noch ein Kind, auch wenn du schon viel erwachsener bist als die meisten Eltern." Sein Körper spannte sich unter mir an. „Deswegen brauchte dein Vater den Job oder? Wegen der Versicherung?" Ich nickte. „Und ich zwinge dich auch noch dazu mit mir zu schlafen. Fuck. Warum hast du mir dass den nie gesagt?"

„Liam, was hättest du dann gemacht? Du hast mich gehasst, schon vergessen?" Er ließ mich los und drehte sich wieder auf den Rücken. Man merkte wie er überlegte, doch er schien zu demselben Entschluss gekommen zu sein.

„Kein Wunder das du mich so verachtest. Ich an deiner Stelle würde mich auch verachten. Es tut mir Leid Ava, mehr als ich sagen kann." Mir fehlte die Kraft zu antworten und wenn ich genau überlegte, dann wusste ich nicht was es zu verzeihen geben sollte. Liam wusste nichts, weil ich ihm nichts gesagt hatte. Dem Deal zu zustimmen war meine Entscheidung gewesen und er hat jedes Mal bevor wir miteinander geschlafen haben um meine Erlaubnis gebeten. Ich hätte Nein sagen können, habe es aber nicht.

Ich seufzte. „Wie machst du das bloß immer?"

„Was meinst du?" Verwirrt musterte er mich und ich sah im schwachen Licht, wie seine Stirn sich zusammenzog, wie sie es immer tat, wenn er über etwas nachdachte.

„Du sagst etwas und ich fühle mich von dir verstanden, ohne dass du es überhaupt versuchst."

Er merkte sicher wie ich versuchte von dem Thema abzulenken und ich war froh das er mitspielte. „Ich bin ehrlich gesagt froh, dass du mich nicht anschreist oder Sachen nach mir wirfst."

Sanft schlug ich ihn auf dem Bauch. „Sei froh dass hier keine Pokale stehen, sonst sähe das hier ganz anders aus." Ich kuschelte mich näher an ihn, während er leise lachte.

„So leid mir das wegen der Abmachung auch tut, aber ein Teil von mir ist froh dass wir ihn hatten, denn sonst hätte ich dich nie so kennenlernen können.", murmelte er. Ich drückte mich kurz an ihn und hoffte, dass er verstand was ich nicht sagen konnte. Denn er hatte Recht. Egal wie schlecht es mir auch wegen ihm gegangen war, so war ich auch dankbar dafür ihn so doch noch kennengelernt zu haben. Vielleicht hatte ich unrecht als ich sagte, dass wir keine Freunde waren. Vielleicht waren wir es schon längst. Vielleicht auch schon mehr als das.

DeliriumWhere stories live. Discover now