XXVIII

468 36 82
                                    

Es war eine Sache Liam bei mir zuhause zu sehen, aber eine ganz andere ihn dabei zu erwischen wie er Barbie mit meiner kleinen Schwester und Dad spielte. Leider verflog meine Belustigung in dem Moment, als mir wieder einfiel warum er hier war. Nicht aus Freundlichkeit, nicht aus Langeweile, sondern um mich abzuholen, damit ich meinem Teil der Abmachung nachkam. Zwei Tage reichten definitiv nicht aus um mich genug zu sammeln und darauf vorzubereiten, zumindest auf Emotionaler Ebene. Sobald wir das Haus verließen ließ ich Liam's Hand los und fragte mich, wie ich das Auto hatte übersehen können, hier standen zumindest selten Autos mit 2000ner Baujahr auswärts, außer es waren Cop's. Vermutlich war ich einfach zu sehr in Gedanken gewesen.

Liam öffnete mir die Tür und ich ließ mich auf die weichen Ledersitze nieder. Meine Güte, das Auto roch sogar noch neu und nach reich. Letztes Mal hatte ich gar nicht darauf geachtet, allerdings hatte ich da auch andere Probleme um die ich mich kümmern musste, allem voran nicht zu erbrechen. Hätte ich es doch mal getan, dann würde das Auto wenigstens nicht mehr so ekelig neu riechen. Aber diese Lederapplikationen sahen wirklich schick aus, da konnte man wirklich nichts anderes behaupten. „Ihr habt doch ein Auto, warum konntest du dann nicht fahren?", fragte Liam, der sich gerade anschnallte. „Nicht dass es ein Problem wäre.", fügte er noch schnell hinzu.

„Ich hab keinen Führerschein.", antwortete ich Schulterzuckend und Liam drehte entgeistert den Kopf zu mir.

„Wieso das denn nicht?"

„Falls es dir nicht aufgefallen ist, wir haben bei weitem nicht die finanziellen Mittel wie ihr es habt und es gab wichtigere Dinge die bezahlt werden mussten." Zum Beispiel die Ärzte für Amber, aber das verschwieg ich. Liam schien nicht zu wissen was er sagen sollte, stattdessen startete er den Motor und fuhr los, während ich aus dem Fenster schaute. Die Landschaft zog an mir vorbei und im Augenwinkel bekam ich mit, wie Liam den Radiosender durch wechselte. Als ‚The Clash- Should I stay or should I go' anklang, schrie ich entzückt auf und schlug seine Hand weg. „So you gotta let meee know, Should I stay or Should I go?", sang ich leise mit und wippte im Takt mit den Kopf mit. Liam hob kommentarlos die Augenbraue, dann drehte er das Lied lauter. Mein Dad hörte früher ständig solche Musik und weil ich damit aufgewachsen war, liebte ich sie genau so sehr. Mein Geschmack war also nicht unbedingt zeitgemäß, aber das störte mich nicht. Sie erinnerte mich an Zeiten wo ich nur die Sorgen eines Kindes hatte, oder wo ich viel mehr noch ein Kind war. Damals hatte ich nicht gewusst, dass diese Zeiten vorbei gingen. Trotzdem führte es noch heute dazu, dass ich mich entspannte.

Wir erreichten das Valley, die Gegend der Reichen und Schönen. Man erkannte sofort den Unterschied zu unserer Gegend: der Rasen war gepflegt und nicht so vertrocknet wie bei uns, die Straßen waren ausgebaut und die Grundstücke waren so groß wie ein Block von uns. Alles hier schrie nach Wohlstand, dafür sah ich aber nirgendwo Kinder spielen oder Nachbarn die sich locker miteinander unterhielten. Ich begann mich zu fragen ob es wirklich besser war, hier zu leben als bei uns und versuchte mir vorzustellen wie es gewesen wäre hier aufzuwachsen. Glücklicher wäre ich sicher nicht geworden, wenn ich mir Liam oder Kyle ansah, die zwar Sorgenfrei erschienen, aber sicherlich keine Ahnung hatten was es hieß zu verzichten oder Verantwortung für sich zu übernehmen. Wenn man immer bekam was man wollte, lernte man nicht das zu schätzen, was man schon besaß. Wir passierten die Kreuzung wo er mich Sonntagmorgens aufgelesen hatte und ich musste an der Erinnerung daran schmunzeln. Was für ein verrückter Tag es gewesen war. Liam schaute mich an und hielt an dem Straßenrand. Verwirrt sah ich zu, wie er sich abschnallte und mich musterte. In seinen Augen lag das Aufleuchten einer Idee, was mir Unbehagen bereitete, denn seine Ideen waren selten gut.

„Steig aus.", kommandierte er und stieg ebenfalls aus. Langsam kam ich seiner Aufforderung nach und Millionen Horrorszenarien tauchten in meinem Kopf auf, angefangen davon wie mich die Bäume wieder jagen würden bis zu einem verlassenen Haus indem man meine Schreie nicht mehr hören würde. Wobei, die wohnten hier so weit auseinander, das traf auf jedes Haus hier zu.

DeliriumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt