50. Kapitel

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Es gab kein Loch was tief genug war um darin zu versinken. Und es müsste eine betonwand haben, damit ich meine Kopf dagegen schlagen konnte. Fuck war da peinlich. Wie konnte ich denn so etwas sagen? Wo war meine Coolness gewesen? Jetzt stand ich da wie der letzte Vollidiot. Gott sei dank hatte Ava mir das abgekauft mit dem Scherz, denn ich eins konnte, dann eine peinliche Situation gut lösen und meine Unbehagen überspielen. Es war zum Glück nicht mehr allzu weit bis zu ihrem Zuhause und ihr Frühstücksangebot nahm ich gerne an, denn bei ihrer Familie konnte man nicht anders, als sich wohl zu fühlen. Nur war Amber hoffentlich am schlafen und wenn nicht, würde ich dieses Mal eisern bleiben und nicht mit ihr spielen.

Bla bla bla, ich belog mich selbst. Sobald ihre süßen Kulleraugen zu mir aufschauen würden, würde ich schwach werden. Trotzdem musste ich bald mal ins Bett gehen und vor dem Spiel schlafen gehen, sonst sah ich dafür schwarz. Wenigstens hatte ich so ein Auge auf Dave denn vor seinem ersten Spiel war er sicher aufgeregt. Ich hatte damals die ganze Nacht nicht geschlafen und Kyle hatte nicht gefrühstückt, weswegen er auf dem Spielfeld kollabierte. Josh hatte bei seinem ersten Spiel auf das Feld gekotzt, dass war auch nicht gerade gut wenn ich so recht überlegte. Aber hey, wir wollten ja keine unnötigen Pferde scheu machen. Ich hielt in der Einfahrt und noch bevor ich aussteigen konnte, hörte ich wie die Haustür knallte.

„Fuck.", flüsterte Ava leise und überrascht sah ich sie an. Ich hatte sie noch nie fluchen gehört. Als ich aber ihren wutentbrannten Vater auf uns stampfen sah, verstand ich sie. Unschlüssig verharrte ich in meiner Position und sah dem drohenden Unheil nach.

„Wir könnten auch fahren.", schlug ich vor, die Hand bereits am Zündschloss. Doch leider war Ava die erwachsenere von uns beiden und stieg einfach aus. Ich bewunderte ihren Mut, obwohl sie vermutlich weniger zu befürchten hatte als ich. Stöhnend riss ich mich zusammen und folgte ihr. Noch bevor ihr Dad losschreien konnte, redete sie auf ihn ein. Man merkte wie die Anspannung nach ließ und als er mein demoliertes Gesicht sah, lächelte er selbstzufrieden, während sie um ihn herum ging und in dem Haus verschwand.

Mr. Hastings wartete, bis ich zu ihm aufschloss und klopfte mir auf die Schulter. „Macht dir nichts draus, die Hastings Frauen waren schon immer stark." Verwirrt nickte ich und begann mich zu fragen, was genau sie ihm da erzählt hatte. Leider hatte ich keine Gelegenheit mehr sie zu fragen, denn sobald ich die Schwelle übertrat, wurde ich von Dave abgelenkt. Der Gute sah ziemlich schlecht aus und ich hatte den Verdacht, dass er ähnlich viel geschlafen hatte wie wir. Er sah nicht einmal auf, nur die um die Tasse verkrampften Finger wiesen auf einen Lebenden Menschen hin. Auch Ava schien das aufgefallen zu sein, schließlich ging sie zu ihm und legte sanft ihre Hand auf seine Schulter ab.

„Ist alles in Ordnung?", fragte sie besorgt, aber ihr Bruder schien sie nicht gehört zu haben.

„Ava, lass ihn, er ist aufgeregt genug, ohne dass er darüber sprechen muss." Er zuckte kurz zusammen, als er meine Stimme hörte und ich setzte mich zu ihm an den Tisch. „Na wie oft hast du bisher gebrochen?"

„Woher weißt du das?"Seine rot unterlaufenen Augen sahen mich überrascht an. „Zwei mal.", murmelte er leise.

Ich lachte leise auf bei seinem Tonfall. „Ich hab es damals auf Vier gebracht, Kyle Drei und bei Josh hatten wir später nicht mehr gezählt." Zögerlich versuchte er zu lächeln, trotzdem wirkte er weiterhin sehr angespannt. Mitfühlend rückte ich zu ihm und legte meinen Arm um seine Schultern. „Es ist absolut in Ordnung, wenn du Aufgeregt bist, aber es besteht kein Grund Angst zu haben. Wären wir nicht überzeugt, dass du es kannst, dann würdest du auch nicht spielen. Aber das hast du und wir stehen als Team hinter dir, egal was passiert. Nur nützt es uns nichts, wenn du nachher auf dem Spielfeld kollabierst, also musst du etwas essen, auch wenn du nicht kannst, in Ordnung?" Er nickte leicht. „Gut."

Vorsichtig trank Dave einen Schluck aus der Tasse, dann blickte er wieder zu mir. „Und du warst früher genau so aufgeregt wie ich?"

„Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen.", versicherte ich ihm. Endlich lockerte er sich, während er einen erneuten Schluck trank und um einiges hoffnungsvoller erschien. Ich klopfte ihm auf die Schulter, dann rückte ich weg um Ava Platz zu machen, die den Tisch deckte. Sie lächelte mich an und ihr Mund formte ein lautloses ‚Danke'. Ich zwinkerte ihr zu ehe ich die Teller verteilte. Dave wollte aufstehen und ihr helfen, aber ihr Blick ließ ihn wieder zurück auf den Stuhl sinken.

„Manchmal frage ich mich, warum sie überhaupt spricht, wenn sie doch alles mit ihren Blicken sagen kann.", flüsterte er leise zu mir.

„Bist du dir sicher, dass sie nicht irgendwelche magischen Fähigkeiten hat, die andere Leute zwingt zu tun, was sie will?", fragte ich ebenso leise zurück und Dave kicherte.

„Sie hat dich hier her gebracht, sie muss eindeutig zaubern können."

Ich tat als würde ich lachen, war mir aber nicht sicher ob Dave nicht Recht hatte mit dem was er gerade gesagt hatte. Ava hatte mich auf jeden Fall verzaubert nur war es ihr vielleicht noch nicht bewusst geworden, wie weit ihr Zauber reichte. „Ja vermutlich.", antwortete ich lahm, weil ich etwas sagen musste.

„Wer kann zaubern?", fragte eine müde Amber, die sich verschlafen die Augen rieb. Jetzt wo ich wusste, dass sie krank war, sah ich es auch. Ihre Hautfarbe war eine Mischung aus Blässe und Gelb, tiefe Schatten lagen unter ihren Augen, während ihre Haare stumpf aussahen. Sie wirkte viel zerbrechlicher als ich sie in Erinnerung hatte und es versetzte mir ein Stich wenn ich daran dachte wie fröhlich sie immer war, während sie so krank war.

„Ava, weil sie Liam hergebracht hat.", antwortete ihr Dave und Mr. Hastings drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel, ehe er sich zu uns setzte.

„Aber Ava hat doch gar kein Führerschein, wie soll sie ihn dann gebracht haben?" Misstrauisch funkelte sie ihre Schwester an, die gerade Milch abstellte. „Kannst du wirklich zaubern?"

Mr. Hastings strobelte ihr durch die Haare. „Nein natürlich nicht Kleine. Sie waren heute Nacht unterwegs und sie hat ihn zum Frühstücken eingeladen."

Vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte dieses winzige Detail nicht verraten, denn wenn Amber vorher schon misstrauisch war, dann war sie nun völlig vom Glauben gefallen. „Warum wart ihr denn die ganze Nacht zusammen?"

„Nachhilfe.", schoss es aus Ava's und meinem Mund, wie aus einer Pistole. Niemand am Tisch rührte sich und selbst Dave kratzte sich verlegen am Nacken.

Dieses Mädchen hatte ein ungesundes Gespür für Lügen. Ich fühlte mich wie ein Angeklagter und sie war die Richterin, die entschied ob ich hängen würde oder nicht. „Und warum habt ihr das Nachts gemacht? Sollte man da nicht schlafen?" Sie zog ihre Augenbraue hoch, genau wie ihre Schwester es immer tat. Verrückt. Ava's Mini-me war eben so schlimm wie sie.

„Stell nicht so fragen, dann müssen wir dir weniger Lügen erzählen." Ava stellte die letzten Lebensmittel ab und setzte sich zu uns an den Tisch. Verschwörerisch zwinkerte sie mir zu, während ich ihr versteckt die Zunge rausstreckte. Die anderen bekamen davon herzlich wenig mit, denn ähnlich wie bei einer Raubtierfütterung, versuchte sich jeder das beste Stück zu sichern und ich, gewöhnt an höfliches Geplänkel, hatte dabei schnell das Nachsehen.

Dave schien seine Nervosität überwunden zu haben oder er schätze seinen Bauch als unnatürlich groß ein, so viel wie er sich auffüllte. Amber bot mir ein Stück ihrer angebissenen Banane an, welche ich dankend ablehnte und dafür den Joghurt von Ava klaute. Wütend blitze sie mich an, ihr Messer auf mich gerichtet. „Jefferson." Ihre Stimme klang drohend. Aber ich kannte sie zu lange um das noch einschüchternd zu finden.

„Ich will nur, dass du nachher noch in das Trikot von mir passt." Und vielleicht war ich auch ein kleines bisschen Lebensmüde geworden.

DeliriumWhere stories live. Discover now