51. Kapitel

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Man merke: einer Frau indirekt zu sagen, dass sie dick werden könnte, konnte einer Todsünde gleichgesetzt werden. Es war erstaunlich wie unterschiedlich die Geschlechter darauf reagierten, denn während Dave und Mr. Hastings lauthals lachten, funkelten mich die Schwestern so böse an, dass ich mich fragte, warum ich noch nicht explodiert war. „Was hast du gesagt?", fragte Ava in dieser unheimlichen Tonlage, die mir Gänsehaut bereiten konnte.

Ihr Vater lachte immer noch. „Du hast ihn doch gehört. Hätte er dich anlügen sollen?" Ich glaube das war der Moment, wo ich wusste: ihr Vater hatte mich akzeptiert. Zwar war ich der Feind, als potenzieller Schwiegersohn, aber in diesem wunderbaren Augenblick der Einigkeit merkte ich, wie er mich trotzdem mochte. Es war ein sehr schönes Gefühl und ich hätte mich sicher noch mehr darüber gefreut, wenn die Damen am Tisch nicht plötzlich in so einer unfassbar hohen Tonlage das Schreien angefangen hatten. Es entstand eine hitzige Diskussion, die zu einem Brand entfachte. Zwei Fronten kämpften gegen einander, keiner bereit auch nur einen Millimeter nachzugeben. Erst das Klingeln meines Handy führte zu einer kurzweiligen Feuerpause. Ich zog es aus der Tasche und sah verdutzt auf Dads Bild. 

„Mein Vater.", erklärte ich unnötigerweise, bevor ich mit einem letzten Blick auf Ava aufstand. Sie nickte mir aufmunternd zu und ich ging nach Draußen zum Telefonieren. „Hey Dad, was gibt's?"

„Hast du eine Ahnung, was für Sorgen wir uns gemacht haben? Du bist fast zwei Tage weg und hast es nicht einmal für nötig gehalten, uns bescheid zu geben, wo du bist?" Dad's Stimme dröhnte durch den Hörer, sodass ich ihn von meinem Ohr weghielt. „Nicht einmal deine Freunde wussten wo du warst! Noah meinte nur, dass ihr Streit hattet und du abgehauen bist! Wäre es wirklich zu viel verlangt gewesen einmal anzurufen oder eine Nachricht zu senden? Du hängst doch sonst auch immer davor!"

„Dad, es-"

Und ich dachte wirklich, dass du langsam erwachsener geworden bist! Aber nein, mein Sohn betrinkt sich lieber wieder und schläft bei irgendeiner dieser leichten Mädchen! Deine Mutter war außer sich! Ich-„

„Wow, wow, wow, Dad, komm mal wieder runter. Ich habe-"

Hör mir gefälligst zu!", schrie er in den Hörer und ich hatte ihn noch nie so außer sich erlebt.

Dann setzte etwas bei mir aus. „Nein Dad, du hörst jetzt mal mir zu! Es ist euch Jahrelang egal gewesen wo ich war und was ich gemacht habe, Hauptsache in der Öffentlichkeit stehen wir als die super Familie dar." Dad gab einen Laut von sich, doch ich war noch lange nicht fertig. „Also versuch erst gar nicht mir wieder die Schuld in die Schuhe zu schieben, wie du es sonst immer machst. Tu mir den gefallen und tu nicht so, als ob es dich interessieren würde, wo ich war oder was ich gemacht habe, das Theater können wir uns sparen." Ich atmete tief durch und versuchte die Wut in mir unter Kontrolle zu bringen. „ Ich bin gerade bei den Hastings und komme nachher nach Hause."

Eine Zeit lang war es ruhig und fast hätte ich gedacht, dass er nicht mehr dran gewesen wäre, als die Stimme meiner Mutter erklang. „Wie kommst du darauf, es würde uns nicht interessieren?" Ihre Stimme klang so fassungslos traurig, dass ich normalerweise ein schlechtes Gewissen gehabt hätte. Hatte ich aber nicht.

„Mum, lass es einfach gut sein." Ich verabschiedete mich und legte auf, ohne auf eine Antwort zu warten. Mein Herz schlug hart gegen meine Brust. Was hatte ich da bloß gesagt? Fuck, warum musste mir das gerade jetzt rausrutschen? Regungslos verharrte ich im Vorgarten, unfähig irgendetwas zu denken oder zu planen. Meine Gedanken kreisten einzig und alleine um das unumgehbare Gespräch was ich mit meinen Eltern führen musste. Fuck, wie konnte ich bloß so sehr meine Fassung verlieren? Aber da war diese Wut in mir die sich über all die Jahre aufgestaut hatte und ich hatte endlich genügend Rückgrat um zu sagen, was ich vor so langer Zeit schon hätte sagen müssen. Das dringende Bedürfnis auf irgendwas einzuschlagen wurde schier übermächtig, dennoch war ich Profi genug einzuatmen und ein lächeln aufzusetzen, ehe ich zurück zu den anderen ging. Die Frage ob sie mich gehört hatten oder nicht, erübrigte sich. Schweigend sahen sie mich alle an, während ich mich setzte. Erst als Ava's sanfte Hand sich um meine schloss, merkte ich wie angespannt mein Körper war. Langsam atmete ich aus, versuchte die Anspannung zu lösen. Ihr Daumen fuhr kleine Kreise über meinen Handrücken und allmählich wurde mein Herzschlag wieder ruhiger.

DeliriumWhere stories live. Discover now