38. Kapitel

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Immer noch fassungslos über die Tatsache, dass Ava wirklich ein Date mit einem lebenden Menschen hatte, ging ich über den Schulhof Richtung Sportplatz. Ich war zu früh, aber ich hatte keine Lust mehr mir die Gespräche der anderen anzuhören die über Ava gingen. Irgendeine der jüngeren Klassen hatte Sport und ich setzte mich auf die Tribüne, froh um die Einsamkeit. Offensichtlich stand heute Staffellauf auf dem Lehrplan und es überraschte mich nicht, dass ein Großteil der Mädchen angezogen unten auf der Tribüne saß. Genervt von ihrem Gekicher und den Selfies die man anscheinend im Minutentakt schießen musste, sah ich mir die Läufer an.

Einer der Läufer fiel mir besonders auf: er war im Vergleich körperlich weiter entwickelt und ziemlich schnell. Der Lehrer rief ihm irgendetwas zu, worauf der Junge nur nickte. Interessiert ging ich die Treppe herunter, vorbei an den kleinen Mädchen die noch mehr kicherten, als sie mich erkannten und über den Platz. „Liam, was machst du denn hier? Ihr habt doch gleich erst Training." Er reichte mir die Hand und ich schüttelte sie kurz, während ich die Bahn nach dem Läufer absuchte.

„Der Junge eben mit den schwarzen Haaren, wie fit ist er?", fragte ich interessiert.

Mr. Sualez sah sich um, bis er fand wen ich meinte. „Du meinst Dave. Für sein Alter ziemlich, außergewöhnlich schnell, warum fragst du?"

„Kann er fangen?"

Mr. Sualez erkannte, worauf ich hinaus wollte und pfiff durch seine Pfeife, während er sich bückte um einen Football hochzunehmen. Er reichte ihn mir, während er nach diesem Dave rief. Gerufener trabte zu uns und wirkte nicht im Mindesten erschöpft zu sein. „Dave, dass ist Liam, der Kapitän der Football Mannschaft. Liam, dass ist Dave."

Ich nickte ihn zu und musterte ihn. Er erschien mir schmaler und kleiner wie ich, aber das bedeutete auch meistens, dass sie wendiger waren. Seine schwarzen Haare zeigten keine Spur von Schweiß und seine Augen strahlten rohe Energie aus. Komisch, er sah irgendjemanden ähnlich, doch mir fiel nicht ein wem. „Kannst du fangen?" Dave nickte. „Gut, wir brauchen einen vernünftigen Running back, meinst du, du kannst das?"

Hastig nickte er, plötzlich um ein vielfaches aufgeregter. „Willst du es sehen?" Ich grinste und stellte mich Wurfbereit, während Dave loslief. Als er die 40 Yard Linie überquerte, warf ich den Ball. Mühelos sprang er in die Luft, fing ihn und sprintete los zur Touchdownlinie. Anerkennend pfiff ich durch meine Zähne, als er sie überquerte. Er war wirklich schnell.

„Meinen Sie, es wäre in Ordnung ihn bei uns mitspielen zu lassen?", fragte ich Mr. Sualez, welcher den Kopf schief legte und Dave ansah.

„Ich denke schon, lass ihn doch heute mitmachen." Ich nickte zustimmend.

„Dave, kannst du nach dem Unterricht noch bei uns mit trainieren?", rief ich ihm zu, als er in Hörweite war.

„Klar, ich muss nur Bescheid geben."

Ich hielt ihm die Hand hin und er schlug ein. „Cool, dann sehen wir uns später." Ich wandte mich zu gehen, als mir etwas einfiel. „Sag mal, kennen wir uns irgendwo her?"

Dave zuckte mit den Schultern. „Vielleicht wegen meiner Schwester, sie gibt dir Nachhilfe. Ava Hastings? Wir sehen uns wohl ziemlich ähnlich."

Das war es! Natürlich, jetzt fiel die Ähnlichkeit noch mehr auf. „Stimmt. Bis später dann." Ich reichte Mr. Sualez die Hand und ging, während ich mir innerlich gegen den Kopf schlug, weil ich nicht erkannt hatte, dass er ihr Bruder war. Wie konnte ich denn so blind sein?

*

„Ein vierzehn Jähriger? Liam, bist du verrückt geworden? Die werden ihn zerfetzen." Der Coach schüttelte fassungslos den Kopf.

„Coach, ich hätte ihn nicht gefragt, wenn ich nicht überzeugt gewesen wäre, dass er das packt. Lassen Sie ihn gleich laufen, dann verstehen Sie was ich meine." Skeptisch sah er mich an, während er Hütchen auf dem Feld verteilte. „Sie wissen doch auch, dass Jeff nicht die Notwendige Leistung bringt. Und ein Probetraining schadet doch niemanden.", bettelte ich ihn an.

„Ich weiß ja nicht. Aber gut, ich denke ein Training wird er schon schaffen. Aber lass dir gleich gesagt sein, dass ich da wenig Hoffnung sehe." Ich bedankte mich und bekam die Hütchen in die Hand gedrückt. „Jaja, dafür kannst du die schon einmal verteilen.", murte er. Ich grinste siegessicher, ehe ich anfing sie weiter zu verteilen. Als ich das letzte hingestellt hatte, sah ich dass Dave auch schon da war. Ich winkte ihn zu mir und bewegte mich in die Richtung des Coaches. „Das ist er also. Nun Junge, Liam war ja ganz begeistert von dir. Meinst du das ist Begründet?" Er hob abwartend die Augenbrauen hoch.

„Ja Sir, das denke ich." Respekt, nicht jeder hätte so reagiert, aber das musste an den Hastings-genen liegen, die kleine war ja genauso wie die große, warum sollte er da eine Ausnahme bilden?

„Gut, hoffen wir, dass du uns nicht enttäuscht. Wir werden gleich mit ein paar leichten Spielzügen beginnen um zu sehen, was du kannst."

Dave nickte ernst und ich deutete ihm, mir zu folgen. „Wenn du einen ähnlichen Dickschädel wie deine Schwester hast, werde ich mir da keine Sorgen machen. Bist du aufgeregt?" Er nickte erneut und ich schlug ihn lachend auf die Schulter. „Ja das war ich auch."

Wie sich herausstellte, gab es keinen Grund für seine Besorgnis. Er war wirklich gut und auch im direkten Vergleich mit Jeff zeigte er sich agiler, weichte den Tacklern aus, sprang über am Boden liegenden Spielern und fing fast jeden Pass. Ich sah, wie der Coach immer wieder anerkennend etwas notierte und er nickte mir zu. Als er nach dem Training verkündete, dass Dave ab jetzt bei uns spielen würde, war Dave sprachlos, hatte ein Hochroten Kopf und grinste die ganze Zeit freudestrahlend. Auch wir anderen waren begeistert über ihn und freuten uns, ihn in unserem Team zu begrüßen. Alle, bis auf einen. Jeff wartete vor den Umkleiden auf mich, um mich abzufangen. „Was soll der Scheiß Liam? Was bringst du denn den jetzt hier hin? Du weißt doch, dass ich unser Running Back bin!" Er stieß sich von der Wand ab und folgte mir.

„Du hast selbst gesehen wie gut er ist."

„Ja und, spinnst du? Wir sind doch Freunde man! Du kannst mich doch nicht einfach aus der Mannschaft schmeißen für einen Jungen, der nicht mal aus dem Stimmbruch ist."

Genervt drehte ich mich zu ihm und blieb stehen. „Jeff, ich habe dir die ganze Zeit gesagt, dass du dich mehr auf Football konzentrieren sollst und ich habe bis heute nicht einmal gesehen, dass du dich bemüht hast. Also musst du mit den Konsequenzen leben. Streng dich mehr an, dann bleibst du die erste Wahl, mach so weiter wie bisher und Dave wird der neue Stammspieler, so einfach ist das."

Fassungslos sah Jeff mich an, spuckte zur Seite und verschwand. Das Knallen der Tür hallte in den Gängen nach, als ich seufzend weiter ging. Es war klar, dass es irgendwann passieren würde, aber es wunderte mich, dass Jeff deswegen so überrascht war. Hatte er wirklich geglaubt, dass er ewig damit durchkommen würde? Ein Arm legte sich um meine Schultern und Kyle sah dem verschwunden Jeff nach. „Du hast das richtige gemacht. Es konnte so nicht weiter gehen, dass wussten wir alle und Dave ist wirklich gut. Was meinst du, wie er erst in ein oder zwei Jahren sein wird?" Ich nickte, sagte aber nichts. „Nimmst du mich mit? Ich wollte eh noch nach Noah schauen." Wieder nickte ich, froh über ein anderes Thema reden zu können. „Wir können ja die anderen fragen, ob sie nachher vorbei kommen wollen und wir legen uns an den Pool.", schlug Kyle weiter vor.

„Kannst du gerne machen, ich muss noch lernen, aber das macht ja nichts."

„Du nimmst das ernst oder? Diese ganze Nachhilfe Sache?", fragte Kyle.

„Es ist meine letzte Chance, ich wäre dumm sie nicht zu nutzen." Das war nur die halbe Wahrheit: ein Teil von mir wollte Ava beweisen, dass ich wirklich bemüht war, dass ich wirklich etwas ändern wollte und damit die letzten Tage wieder gut zu machen. Wer weiß, vielleicht hatte ich ja Glück. Zumindest musste ich es versuchen. Aber das sagte ich Kyle nicht und ich fragte mich wann wir angefangen hatten Geheimnisse voreinander zu haben.

DeliriumWhere stories live. Discover now