35. Kapitel

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Ich blieb den nächsten Tag ebenfalls zu Hause, aber als Ian meinte, dass soweit alles gut wäre entschied Dad, dass ich auch wieder zur Schule gehen konnte. Also stand ich am Donnerstagmorgen vor der Schule, während Noah im Bett lag und Need for Speed spielte. Seine Eltern hatten sich immer noch nicht gemeldet und ich merkte, wie es Noah das Herz brach, zu merken wie egal er ihnen Schlussendlich war, doch leider konnte ich ihm dabei nicht helfen. Mum wusste mittlerweile, dass er da war, aber sie sagte nichts. Aber sie sorgte sich um ihn, denn mir war aufgefallen, dass sie Brei in verschiedenen Geschmacksrichtungen gekauft hatte und auch Kleidung die mir, rein zufällig, zu klein waren, aber Noah passten. Es war ihre Art der Unterstützung und ich war froh darüber, denn Noah hatte lang genug ohne Zuwendung gelebt.

Ich ging über den Schulhof und freute mich, dass wir keine Kleiderordnung hatten. Denn bei über 30 Grad trug kaum einer der Mädchen lange Hosen und es war einer der wenigen erfreulichen Dinge an dieser Schule, wo es doch so wenig Erfreuliches gab. Ein paar Cheerleaderinnen blinzelten mir zu als unsere Wege sich kreuzten. Freundlich lächelte ich ihnen zurück. Noah hatte offiziell eine starke Grippe und niemand hinterfragte das. Das es die dritte Grippe in diesem Jahr war, schien ebenfalls niemand zu hinterfragen. Dafür fragte ich mich, wie viele Kinder wohl unter so einer ‚Grippe' litten und ob unser System solche Kinder nicht besser schützen konnte. Ich begrüßte die Jungs und erzählte ihnen von Noahs Zustand und dass er sich weigerte ein Lätzchen zu tragen. Sitzen konnte er noch nicht wirklich und Stehen nicht lange. Aber zumindest hatte er es geschafft zu Duschen, was ich als einen großen Fortschritt erachtete. Drei bis vier Tage würde es dauern, bis er wieder sitzen könnte, weitere vier bis er auf ‚weiche Kost' umsteigen konnte. Bis dahin also musste er sich mit Brei begnügen und sich darüber aufregen, wenn ich ihn füttern wollte.

„Da hinten ist Ava." Kyle deutete mit dem Kinn hinter mich. „Brings lieber jetzt hinter dich." Ich atmete ein, straffte meine Schultern und ging in ihre Richtung. Das Unwohlsein in mir trat wieder auf und obwohl ich es nicht zugeben wollte, hatte ich Angst vor ihrer Reaktion. Ava schien meine Anwesenheit zu spüren, denn sie drehte sich schon zu mir, bevor ich etwas gesagt hatte. Ihr Blick war distanziert, nichts in ihrer Miene ließ auf eine Emotion schließen und ich schluckte.

„Hallo Ava, tut mir leid wegen letztens." Unsicher kratzte ich mich an meinem Kopf. Meine Entschuldigung klang lahm, dass fiel sogar mir auf. Verdammt, warum fiel mir jetzt nicht irgendwas eloquentes ein?

„Ich hatte nichts anderes von dir erwartet.", entgegnete sie kühl und wieder fühlte ich mich schlechter. 

„Wann hättest du denn wieder Zeit wegen der Nachhilfe? Könntest du vielleicht nach der Schule?", fragte ich unsicher und bemüht ihr durch die Blume meine Reue mitzuteilen. Lernen war ja immerhin eine edle Absicht.

„Nein."

Gut, das war eine klare Antwort. Ich versuchte es weiter mit Smalltalk. „Musst du arbeiten?"

„Nein." Aye, das Gespräch lief nicht gut.

„Ava, es tut mir wirklich leid, ich wollte dich nicht rausschmeißen, wirklich nicht." Flehend sah ich sie an, aber sie verdrehte nur die Augen und legte ihren Kopf schief.

„Gut, warum musste ich denn gehen?" Fuck, ich konnte es ihr nicht sagen, dass konnte ich Noah nicht antun. Aber leider fiel mir auf die schnelle auch keine andere plausible Ausrede ein. Spöttisch grinste Ava. „Siehst du. Weißt du Liam, du kannst nicht von andern erwarten ehrlich zu sein, wenn du es selbst nicht einmal bist." Sie wandte sich zum gehen, doch ich hielt sie an ihrer Hand fest und drehte sie zu mir.

„Ava ich kann es dir nicht sagen, auch wenn ich es gerne machen würde. Bitte sei nicht sauer." Sie nickte langsam und erleichtert zog ich sie in eine Umarmung. Kurz darauf realisierte ich, was ich da gerade tat und ließ sie wieder los.

DeliriumWhere stories live. Discover now