27. Kapitel

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Obwohl ich schon eine halbe Stunde zu früh war, saß Ava bereits in der Bibliothek an dem selben Tisch wie beim letzten Mal. Über die Oberfläche lagen Bücher aufgeschlagen und Notizen lagen herum. Sie selbst war über einen Block gebeugt, die Beine unter dem Stuhl gekreuzt und tippte sich mit dem Stift gegen de Kopf. Ihre Haltung sprach von hoher Konzentration, während sie einen Text las und mit einem anderen verglich. Dann schrieb sie sich wieder etwas auf. Komisch das sie mich gar nicht bemerkte, denn ich war nicht wirklich leise hier reingekommen. Aber gut für mich, dann konnte ich sie in Ruhe dabei beobachtet. Nein, dass klang ja als wäre ich ein Stalker. Aber so wie ich hier gerade stand, war ich das auch. Also machten sich meine Füße auf dem Weg zu ihr und als ich ihr über die Schulter schaute, sah ich dass es sich um irgendwelche Paragraphen handelte. Na nu? „Hast du irgendetwas angestellt?", fragte ich nach.

„Wenn du dich weiterhin immer anschleichen möchtest werde ich einen Mord begehen, aber ansonsten habe ich im Gegensatz zu dir eine weiße Weste.", antwortete sie, während sie die Bücher zusammenklappte und auf einander stapelte. Schleppte sie eigentlich immer diese Bücher mit? Leicht sahen die auf jeden Fall nicht aus. Ich lachte leise und umrandete sie, bevor ich mich auf den Stuhl neben sie fallen ließ. Ava schloss ihren Block und legte sie mit auf den Buchhaufen, ehe sie das Biologie Buch herausholte. Meine Güte, wie viel passte in diese Tasche rein? „Also hast du dir die Zettel angeschaut?"

Ich bejahte und suchte nach meinen Ergebnissen. Tatsächlich fielen mir die Aufgaben nicht so schwer, denn vieles wurde vorher erklärt, sodass ich es verstehen konnte. Ava nahm mir die Zettel ab sobald ich sie gefunden hatte und überflog die Ergebnisse. Zeitweise schüttelte sie den Kopf, manchmal runzelte sie die Stirn und ich fragte mich, ob ich wirklich so daneben gelegen haben konnte. „Im Vergleich zu deinen sonstigen Antworten ganz gut, aber du hast die Phasen noch nicht ganz verstanden. Hier zum Beispiel" ich rückte näher um zu sehen worauf sie zeigte. „'In der Prophase findet eine Verdrehung statt, sprich die Chromosomen werden schraubig verkürzt und verdickt.' aber was müssen sie vorher machen, damit sie sich verdrehen können? Abgesehen davon heißt es Spiralisation und nicht Verdrehung." Verständnislos sah ich sie an, was dazu führte, dass sie die Augen verdrehte. „Kennst du die Nudeln die ineinander gedreht sind? Was wird vorher gemacht, damit sie gedreht werden können?"

Ich überlegte. „Na ja, die werden komprimiert."

Ava nickte und deutete auf eine andere Aussage. „Also müssen sie zu erst komprimiert werden, das ist die Prophase. Was du beschrieben hast, ist die Phase danach. Weißt du welche das war?"

„Die Anaphase?" Okay, das war ein Schuss ins Blaue, dass musste ich selbst zugeben.

„Nein, Metaphase heißt die. Ich pauke mich auch Tod: Interphase, Prophase, Metaphase, Anaphase und Telophase. Kannst du dir das so besser merken?" Begeistert nickte ich, denn den Satz konnte ich mir garantiert merken. Währenddessen knurrte Ava's Bauch, aber sie drückte nur mit den Arm dagegen.

„Hast du nicht gegessen?", erkundigte ich mich belustigt. Sie schüttelte mit dem Kopf und ich kramte in meiner Tasche nach meinem Brot. In der Schule gab es heute Pizza, also brauchte ich es eh nicht.

„Was soll ich damit?", fragte sie, als ich es ihr hinschob.

„Na essen natürlich." Misstrauisch packte sie das Brot aus und roch sogar dran. „Keine Sorge, ist nicht vergiftet." Sie kam wohl zu demselben Entschluss nachdem sie zaghaft probierte.

„Dankeschön. Also weiter, wenn sich die Chromosomen zusammenfügen, dann müssen sie sich auch wieder trennen. In welcher Phase macht das Sinn?"

„In der letzten, also der Telophase." Erstaunliches Gefühl, wenn man etwas wusste und es sogar logisch war. Ava hob den Daumen und innerlich tanzte ich.

DeliriumWhere stories live. Discover now