XXXVI

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Ich saß in Mr.Steam's Unterricht und war dabei mir Notizen zu machen, als ich das erste mal von einem Zettel getroffen wurde. Ich musste mich nicht umdrehen um zu wissen, dass es Liam war der mich da abwarf. Also ignorierte ich ihn. Auch bei dem zweiten Mal und auch noch bei dem sechstem Mal. Meine einzige Reaktion bestand darin, ihm meinen Mittelfinger zu zeigen; ich würde ihm nicht die Genugtuung geben und einen dieser lächerlichen Zettel aufheben. Meine Rettung zeigte sich in Form von Mr. Steam, der Liam darauf hinwies aufzuhören. Dankbar lächelte ich ihn an, doch sobald er sich wieder zu der Tafel drehte, traf mich erneut ein Zettel. War das sein verdammter Ernst? Kein Wunder dass er im Unterricht nicht mitkam. Ich ignorierte ihn weiter und schrieb von der Tafel ab. Anscheinend hatte Liam den Spaß daran verloren, zumindest wurde ich nicht weiter belästigt. Ich war genervt. Den ganzen Tag über regte er mich schon auf, angefangen mit heute Morgen. Hätte ich ihm mal nicht von meinem Date heute erzählt, dann wäre mir manches Leid erspart geblieben. Aber nein, dafür lauerte er mir gefühlt an jeder Ecke auf oder bewarf mich oder mir hunderte Nachrichten schickte, sodass ich ihn mittlerweile blockiert hatte.

Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich vermutet, dass er Eifersüchtig war. Aber es lag daran, dass er sein Spielzeug, also mich, nicht teilen wollte. Tja, das hatte er davon. Es schellte und ich verlies schnellstmöglich die Klasse. Befriedigt stellte ich fest, dass Liam zurückgerufen wurde um sein Chaos zu beseitigen. Grinsend lief ich zu meinem Spind und nahm ‚Die Tasche', wie Tia und Jules sie nannten, raus und legte meine Rucksack rein. Ich würde ihn hier lassen, was bedeutete, dass ich keine Hausaufgaben machen konnte für morgen, aber das war mir egal. Du liebe Güte, hatte Jake bereits einen schlechten Einfluss auf mich? Ich zuckte unwillkürlich mit den Schultern und machte mich auf den Weg zu den Mädchenklos um mich umzuziehen. Jules hatte mir ein dunkelblaues Kleid mitgebracht und gesagt, dass ich es behalten konnte, weil es ihr zu eng geworden war. Ich glaube das war das schönste Kleidungsstück was ich besaß. Es passte einfach perfekt und vorne war eine Art BH eingearbeitet, sodass ich keinen tragen brauchte. Schnell verschwand ich in einer der Kabinen und zog mich aus. Als das Kleid an mir runterfiel, fühlte ich mich wie ein anderer Mensch, was Unsinn war, denn ich war immer noch dieselbe. Durch den tiefen Rückenausschnitt spürte ich die Luft und es fühlte sich äußerst angenehm an. Meine Schuhe wurden durch mein einziges Paar an hohen Schuhen ersetzt und ich löste meine Haare, die offen an meinem nackten Rücken kitzelten.

Ich verließ die Kabine und kramte den kleinen Beutel mit der Schminke aus der Tasche. Tia hatte mir immer wieder erklärt, wie ich mich schminken sollte und noch öfter hatten wir diesen dämlichen Lidstrich geübt, bis meine Augen rot waren. Aber am Ende hatte ich ihn halbwegs anständig hinbekommen. Nur wo ich jetzt vor dem Spiegel stand, schien ich wieder bei Null angefangen zu haben: es benötigte drei Anläufe bis ich zufrieden war. Zum Glück war die Wimperntusche nicht ganz so ein Problem, ebenso wenig wie der Lippenstift. Dann fiel mir auf, dass ich das Makeup vergessen hatte und genervt stöhnte ich auf. Vorsichtig verteilte ich es, stets darauf bedacht nichts zu verschmieren und als ich im Spiegel sah, war ich mehr als zufrieden. Meine Haare fielen durch den Dutt in seichte Wellen und ich legte sie über meine Schulter. Ich sah so anders aus, aber es gefiel mir eindeutig. Ich lief so schnell es ging auf den Schuhen zu meinem Spind um die Tasche zurück zu stellen und eine Kleine mitzunehmen, wo Schlüssel und Handy reinpassten.

Und hey, ich knickte auch nur vier Mal um. Nach dem vierten Mal ging ich dann langsamer und ich sah mich nachher schon in Zeitlupe gehen, was sicher sehr gut aussehen würde, aber mich auf Dauer nicht vorwärts brachte. Aber nun gut, ich hatte eben keine andere Wahl. Als ich die Schule verließ sah ich, wie Jake gerade zu Kyle ging und ich stöhnte. Das hieß also, dass ich wohl oder übel auch dahin musste. Ich holte tief Luft und machte mich, in Slowmotion, auf den Weg. Die Blick der anderen brannten auf meiner Haut und am liebsten hätte ich jeden einzelnen vernichtend angefunkelt, aber ich musste mich auf meinen Weg konzentrieren und versuchen so auszusehen, als würde ich das ständig tun. Jake sah wirklich gut aus, sein Haar lag wirr wie ich es am liebsten hatte und er trug ein Hemd, welches den größten Teil seiner Tattoos verdeckte.

„Er ist wegen mir hier.", antwortete ich statt Jakes auf Kyles Frage und unmittelbar danach lagen sämtliche Blicke auf mich. Im Augenwinkel sah ich, wie Liam mich mit offenem Mund musterte und Genugtuung erfüllte mich. Doch Jake's Blick ließ mich wie eine Königin fühlen, er sah mich an wie eine Erscheinung und pure Bewunderung lag in seinem Blick.

„Du siehst atemberaubend aus.", sagte Jake und legte eine Hand an meine Wange.

Ich merkte wie Röte in mein Gesicht und ich war überrascht deswegen, denn normalerweise wurde ich nie rot. Trotzdem konnte ich nicht anders, als ihn anzulächeln. Dies verblasste allerdings, als ich Liam schnauben hörte. „Lass uns gehen."

Jake nickte und wirkte erleichtert. Wir gingen Richtung des Parkplatzes, während mir auffiel, dass er wirklich angespannt war. „Ist alles gut?", fragte ich besorgt.

„Ich mag Schulen nicht gerne.", antwortete er knapp und besorgt strich ich über seinen Arm. Er warf mir ein Lächeln zu. „Du hättest dich wirklich nicht so schick machen müssen für mich, ich mag dich auch in deiner normalen Kleidung.", murmelt er und ich lachte.

„Das hätten Jules und Tia niemals zugelassen. Es wundert mich, dass sie sich nicht hier irgendwo versteckt haben um uns zu beobachten." Jake lachte und er mir einen Helm reichte. Er half mir dabei ihn zu schließen, als in der Nähe ein Auto eine Fehlzündung hatte und knallte. Jake zuckte heftig zusammen und sah sich erschrocken um. „Jake?" Meine Stimme schien ihn zurück zu holen.

Er schüttelte den Kopf. „Lass uns hier verschwinden, nicht das du es dir noch anders überlegst. Und zieh bitte meine Jacke an, nicht das dir nachher noch kalt wird oder die Jungs hier Pubertäre Züge zeigen." Ich streckte ihm die Zunge raus, zog seine Jacke an und schwang mich hinter ihm auf das Motorrad, während er seinen Helm aufsetzte. Es war wirklich sehr klug von mir ein Kleid anzuziehen, denn mit gespreizten Beinen rutschte das auch gar nicht hoch. Unauffällig versuchte ich es unter meinen Beinen zu befestigen.

„Alles in Ordnung bei dir?" Jake's Stimme klang durch den Helm gedämpft und ich hob meinen Daumen, ehe ich meine Arme um ihn schlang. Aus Sicherheitsgründen selbstverständlich. Seine Muskeln unter dem Hemd zu spüren hatte rein gar nichts damit zu tun. Der Motor startete und Jake fuhr von dem Parkplatz runter. Nach den ersten Metern war ich froh eine Jacke zu tragen und ich rutschte näher an Jake, natürlich auch nur aus Sicherheitsgründen und der Möglichkeit einer Wärmequelle. „Wir müssen noch eben beim Clubhaus vorbei, was abholen.", rief er nach hinten und ich drückte ihn kurz als Zeichen, dass ich verstanden hatte. Er gab Gas und meine Haare flogen nach hinten. Den Wind um mich zu spüren war wundervoll. Es vermittelte mir das Gefühl von Freiheit und ich verstand, warum Jake gerne fuhr. Mutig nahm ich einen Arm um ihn weg und ließ meine Finger im Wind spielen. Im Seitenspiegel sah ich wie Jake grinste und noch schneller fuhr. Ich lachte, genoss den Wind um meine Beine und sah der Landschaft zu, die an uns vorbei zog. Alleine hierfür hatte sich das Date schon gelohnt.

DeliriumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt