46. Kapitel

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Wie immer wenn ich ein Problem hatte, dessen Lösung ich nicht selbst fand oder es um Frauen ging, fuhr ich zu Kyle. Für mich war er quasi ein Experte auf diesem Gebiet, schließlich hatte er schon mal eine Beziehung gehabt, auch wenn es nur für eine kurze Zeit war. „Kyle, ich habe ein Problem.", begann ich, als ich in sein Zimmer kam und mich zu ihm setzte.

Verwirrt legte er sein Handy zur Seite und sah mich aus seinem Bett aus interessiert an. „Es geht um Ava nicht wahr?"

Überrascht stockte ich kurz. „Natürlich nicht, wie kommst du darauf?", fragte ich ihn. Doch natürlich ging es um Ava und ihre ‚Wir sind doch gar keine Freunde' Aussage. Wie konnte sie nur so etwas sagen? Klar wusste ich, dass sie nicht unbedingt die Gefühle für mich hegte, die ich für sie hatte, aber trotzdem hatte ich gedacht wir hätten eine Bindung zu einander.

„Stimmt, war nur eine sinnlose Vermutung. Nun erzähl mir von deinem Problem." Er richtete sich auf und ich holte Luft.

„Also da ist das Mädchen, was ich mag. Wir haben uns geküsst, na gut, viel mehr hab ich sie geküsst und alles und  manchmal hab ich den Eindruck, dass sie mich mag und einen Moment später ist sie eine Eiskönigin. Aber sie sagt, dass wir nicht einmal Freunde wären und ich weiß nicht, wie ich das kippen soll. Wie können wir denn keine Freunde sein, wenn wir uns fast jeden Tag unterhalten oder schreiben?" Ich fuhr mir genervt durch die Haare, während Kyle leise lacht und sich zu mir setzte. 

„Weißt du Liam,", fing er an. „Frauen sind sehr rätselhafte Wesen, deren Rästelhaftigkeit nur noch durch ihre Komplexität überboten wird. Wollte sie denn geküsst werden?", erkundigte er sich.

Ich schnaubte. „Nein."

„Und was hast du dir dann von dieser Aktion erhofft?"

„Naja, sie sollte irgendwie wissen, dass sie mir gehört.", murmelte ich leise, denn ich wusste wie dumm das klang. „Aber ich war auch einfach so eifersüchtig und ich wusste nicht so Recht, wie ich das lösen kann..."

Kyle hob wenig überzeugt seine Augenbraue. „Oh ja, schlepp sie doch gleich in deine Höhle und lass sie da nie wieder raus. Also wirklich, dass war echt dumm von dir. Hast du wirklich geglaubt Ava würde plötzlich bewusst werden, was für ein toller Kerl du bist?"

Schon wieder! „Es geht nicht um Ava!"

„Und deswegen warst du auch so sauer wegen dem Date und bist direkt zu ihr gestampft wie ein Berserker." Er verdrehte die Augen, als ich meine Hände zu Fäusten ballte und ich wusste, ich hatte mich damit verraten. „Trotzdem, du hast sie Jahrelang runtergezogen. Erwartest du nicht ein wenig zu viel von ihr?" Ich antwortete nicht, denn ich wusste er hatte Recht. Es war mir vorher schon klar gewesen, aber es von anderen auch noch mal zu hören, machte es nicht einfacher. „Ich verstehe warum du sie so super findest. Sie ist klug, hübsch, lustig, Selbstbewusst und sie gibt einem das Gefühl, sich bessern zu wollen obwohl sie gar nichts verlangt. Und sie ist ehrlich, etwas was es in unseren Kreisen nicht gibt."

Wie kam er denn darauf? Ich stockte, als mir die einzig logische Erklärung einfiel: Mein bester Freund stand auf dasselbe Mädchen wie ich. Fuck. Scheiße. Mein Herz raste, während mein Körper erstarrte. Es war, als hätte man meinen Körper in Eiswasser getaucht und mein Gehirn durch Leere ersetzt. Ich konnte nicht mit dem Mädchen schlafen, auf dem mein bester Freund stand, dass ging einfach nicht.

„Warum hast du mir nicht davon erzählt?", fragte ich ihn schockiert. „Ich hab mit ihr geschlafen! Fuck, du hättest mir sagen sollen, dass du auf sie stehst dann hätte ich sie niemals mit dem kleinen Finger berührt! Fuck Kyle man!" Hilflos sah ich ihn an und ich hoffte, dass er mir verzeihen konnte. Gott wie konnte ich nur so blind gewesen sein? Es hätte mir doch auffallen müssen, dass es eine Frau in seinem Leben gab. Oh man, ich musste Ava schreiben und musste diese ganze abgefuckte Scheiße klären. Sie durfte nicht von mir auf meinen besten Freund schließen. Kyle ist ein besserer Mensch als ich, er kann sie glücklicher machen als ich es je könnte. Gelächter unterbrach meine panisch kreisenden Gedanken. Überrascht sah ich zu Kyle, der sich auf seinem Bett nach hinten warf. Er setzte zum Sprechen an, doch konnte er noch nicht aufhören zu lachen. „Was ist mit dir?", fragte ich fassungslos.

„Du...", er wischte sich eine Träne weg. „Ich..." Er kam leider nicht dazu weiter zu reden, weil er sich seinen Bauch hielt. Ich zögerte nicht lange und kippte das Glas Wasser neben ihm über seinen Körper. Augenblick hörte er auf und funkelte mich an. „Was sollte das denn jetzt?"

„Das fragst du? Wir stehen auf das gleiche Mädchen! Das ist das Worst-case-szenario!"

Er grinste. „Warum sie blöd genug war mit dir zu schlafen, musst du mir irgendwann einmal erklären. Was das andere angeht: ich bin nicht in Ava verknallt. Es war alles geplant und offensichtlich ist es aufgegangen."

Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Perplex starrte ich ihn an. „Was meinst du damit?"

Kyle stand auf und ging zu seiner Tür. „Ich hole uns eine Cola, dann reden wir." Die drei Minuten, die ich warten musste, fühlten sich deutlich länger an, aber die Erleichterung, die ich empfand tat mir sehr gut. Trotzdem riss ich ihm beinahe die Flasche aus der Hand, bevor wir durch das Fenster auf die Garage kletterten. Ungeduldig wartete ich, aber ich wusste wenn ich etwas sagen würde würde er es noch weiter in die Länge ziehen. Er will sie nicht. Ich kann sie haben. Fast schämte ich mich für den Gedanken.

„Also?"

„Also. Du erinnerst dich an das Wochenende deiner Party, wo ich den Abend vorher eine kennengelernt habe?" Ich nickte. „Das war Ava. Ich muss zugeben, dass ich kurzzeitig wirklich überlegt hatte mit ihr auszugehen." Er öffnete seine Flasche und trank einen Schluck. „Aber dann wurde mir schnell klar, dass sie zu jemand anderen viel besser passen würde, nämlich dir.  Also fing ich an einen Plan zu schmieden. Es war klar, dass du irgendwann Interesse an ihr zeigen würdest, wenn sie dich immer und immer wieder abblitzen lassen würde, aber zunächst musste ich dafür sorgen, dass ihr Zeit miteinander verbringt. Da passte es ganz gut, dass du Nachhilfe brauchtest. Ich ließ in Gegenwart von Mr. Cullen immer wieder ihren Namen fallen im Zusammenhang mit dir und hoffte, dass er auf dieselbe Idee kam. Leider hatte ich nicht damit gerechnet, dass sie ablehnen würde, aber zum Glück hat es dann doch noch funktioniert. Dennoch, ich dachte mir, dass das nicht reichen konnte und sobald du bekommen hättest, was du wolltest, hättest du sie fallen lassen. Also fing ich an, immer wieder ihren Namen bei uns fallen zu lassen und auch ihr gegenüber verhielt ich mich zunehmend freundlicher. Aber ich konnte dich nicht eifersüchtig machen, weil sie Null Interesse an mir zeigte und jegliche Anspielung nicht wahrnahm. Also musste ich mehr über sie herausfinden und bin bei ihrer Arbeit aufgetaucht. Und da traf ich meine Rettung in Form von Jake." Ich grollte und er lachte leise.

„Es war mehr als eindeutig, dass da Gefühle im Spiel waren und ich versuchte alles, damit die beiden mehr Kontakt zueinander bekamen. Ich hab sogar getanzt dafür." Angewidert schüttelte er den Kopf. „Naja, das hatte auf jeden Fall gezogen, nebenbei: das werde ich in der Trauzeugenansprache auch erzählen. Sie hatten das Date und du schienst zum ersten Mal verstanden zu haben, dass sie nicht selbstverständlich war. Und mit Auftreten von Jake, konnte ich aufhören so zu tun und einfach die Show genießen. Oh und natürlich hin und wieder Kommentare fallen lassen, um dich noch mehr in die richtige Richtung zu schubsen, aber das war mehr für mich als für dich." Er streckte seine Beine aus. „Es ehrt dich, dass du für mich das Mädchen gehen lassen würdest, für die du Gefühle hast. Aber es war alles geplant. Und wie ich sehe, hatte ich Erfolg."

Ich war sprachlos. Zu einem, weil ich Kyle niemals so etwas Raffiniertes zugetraut hätte, zum anderen weil er damit auch so viel Erfolg hatte. Statt Worte zog ich ihn an mich und drückte ihn in einer maskulinen Art und Weise. „Ich weiß nicht ob ich dich hier runter schubsen soll, oder mein Erstgeborenen nach dir benennen sollte."

Kyle lachte und schlug mir auf die Schulter. „Es reicht mir schon, dass du erkannt hast, was mir schon lange klar war. Und alles andere wird sich klären. Wer weiß, wenn du dich nicht so dumm anstellst wie sonst, kommt ihr vielleicht wirklich einmal zusammen und bis es soweit ist, kannst du voll auf meine Unterstützung zählen. Wäre doch gelacht wenn wir keinen von uns unter die Haube kriegen würden ohne dass unsere Mütter darauf Einfluss hätten." Eine plötzlichen Eingebung nach, griff ich nach meinem Handy und schrieb Ava.

Sag mir bescheid wenn ich dich nach Hause bringen soll. Bitte geh nicht alleine Nachts nach Hause. – Liam

DeliriumWhere stories live. Discover now