~ Muscheln ~

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So wunderbar das Erlebnis eben mit Magnus in der Dusche auch gewesen war, Alec spürte davon nichts mehr. Er war wieder verschlossen, hatte sich in Windeseile und nur auf Grund eines Wortes wie eine Muschel zugeklappt.

Er würde nicht mit Magnus fröhlich einkaufen gehen, denn er konnte sich nichts leisten und er würde auch kein Geld von Magnus nehmen. Aber genauso wenig wollte er mit Magnus darüber streiten oder ihn enttäuschen. Im Prinzip konnte er es doch jetzt nur falsch machen. Also war er einfach einsilbig aus dem Badezimmer gegangen und hatte sich in seinem Zimmer versteckt.

In der ganzen Zeit, die sie in diesem wunderschön auf einer Klippe am Meer idyllisch gelegenen Haus verbracht hatten, hatte Alec die Tür zu seinem Zimmer nicht geschlossen, doch jetzt tat er es. Selbst Wolf mochte er jetzt nicht sehen. Die schlauen Sprüche seines Kuscheltieres würde er gerade nicht ertragen. Und so trat er hinaus auf den Balkon und hoffte, dass der Wind seine Gedanken sortieren würde.

Tatsächlich half der Wind, der Alec durch seine wuscheligen Haare fuhr, dabei die vielen Zweifel für einen Moment aus dem Kopf zu wischen. Endlich kehrte ein wenig Entspannung zurück in seine Schultern und so setzte er sich auf einen der beiden Rattanstühle, die auf dem kleinen Balkon standen. Er beugte sich vor und ließ sein Gesicht in seine aufgestützten Hände fallen.

Warum war nur immer alles so schrecklich kompliziert? Warum machte er selbst immer alles so kompliziert? Warum kam immer direkt die Enttäuschung, wenn er doch gerade endlich glücklich gewesen war? Und warum war er selbst immer die Enttäuschung?

Da waren sie schon wieder, allesamt, all die schrecklichen Gedanken, die sich wie Dämonen gleich über seine Seele hermachten, um sie in Stücke zu zerreißen. 'Wenn sie es doch wenigstens schnell machen würden', dachte Alec.

Er wusste nicht, wie lange er schon hier gesessen hatte. Eigentlich war ihm schon lange kalt und hatte er großen Hunger. Doch er traute sich einfach nicht zu Magnus.

Doch dann stand dieser plötzlich vor ihm, mit gerunzelter Stirn und ohne Lächeln.

Alec war es egal in diesem Moment. Ja, normalerweise hätte er sich vielleicht noch weiter zurück gezogen, in der Angst, nun auch noch Magnus enttäuscht und wütend gemacht zu haben. Doch seine Gedanken hatten ihn so sehr gequält, dass er alles auf eine Karte setzte und hoffte, dass Magnus ihn halten würde.

Und dies tat er im wahrsten Sinne, denn Alec stand auf und schlang seine Arme um Magnus' Hüfte, vergrub sein Gesicht an dessen Brust und flüsterte: "Es tut mir leid." Irritiert von dieser plötzlichen Wandlung, war Magnus für eine Sekunde noch ganz steif, doch dann schloss er seinen Kleinen ganz fest in seine Arme und sagte ihm beruhigende Nichtigkeiten. 

"Es ist schon gut, Alexander. Du wirst deinen Grund dafür haben und vielleicht erzählst du mir diesen später." Beruhigend ließ Magnus seine warmen Hände über Alecs Rücken fahren. 

"Du hast bestimmt Hunger und kalt bist du auch...", sagte Magnus sanft. Die eigene Wut, die sich in ihm auf Grund des Unverständnis für Alecs seltsames Verhalten gebildet hatte, war wie weggeblasen. Alec brauchte ihn und so war er für ihn da.

Es dauerte etwas, bis sich Alec soweit entspannt hatte, bis er der Älteren nicht mehr umklammerte. Dann gingen sie beide nach unten, wo Magnus schon das Frühstück vorbereitet hatte. Alec machte große Augen und setzte sich direkt an den gedeckten Tisch und verputzte den ersten Pfannkuchen mit Nutella, bevor er sich noch an die guten Tischsitten erinnern konnte. Verschämt und mit etwas Nutella im Mundwinkel schaute er zu Magnus und sagte: "Danke und guten Appetit."

Magnus schmunzelte und wischte ihm die braune Creme vom Gesicht. Endlich war das zufriedene Lächeln wieder zurück gekehrt und so aßen beide Männer sichtlich entspannter und wieder mit der Welt im reinen ihre runden süßen Teigfladen.

"Ich werde wohl wieder öfter zum Sport gehen müssen...", sagte Magnus zufrieden, als er sich satt zurücklehnte. Alec war noch lange nicht fertig, denn er genoss jeden einzelnen Bissen. "Meine Mum hätte sie wohl nicht besser gemacht", gab Alec zu, was Magnus kongruent zu Alec übers ganze Gesicht strahlen ließ.

Nachdem Alec keinen Bissen mehr hinunter bekommen konnte, stand Magnus auf, um das Geschirr wegzuräumen, doch Alec hielt ihn auf um es selbst zu tun, auch wenn er sich deutlich langsamer bewegte. 

"Vielleicht waren das ein oder zwei Pfannkuchen zuviel", kicherte der Jüngere und Magnus lachte daraufhin mit. "Könnte sein", meinte Magnus grinsend.

Nach getaner Arbeit kam Alec und kuschelte sich wieder an Magnus' Brust und dieser hielt ihn fest in seinem Arm. "Magst du dich auf meinem Schoß einkuscheln", bot ihm der Ältere an und nachdem Alec genickt hatte, gingen sie beide rüber zum Sofa.

Erst nachdem Alec seitwärts auf Magnus' Schoß saß und sich eng an ihn schmiegte, fragte ihn der Ältere: "Erzählst du mir nun, was dich so belastet?" Doch Alec schüttelte wie ein kleiner Junge den Kopf.

"Hmm", machte Magnus, "soll ich es erraten?" Und schon tauchte Alecs Kopf wieder auf und er schaute den Älteren mit großen Augen an. 

"Ok, was könnte es denn sein?", spielte Magnus den Grübelnden. "Vielleicht ist ja Wolf krank und du bist traurig?", riet er, doch Alec schüttelte schnell entsetzt den Kopf.

"Nein? Hmmm, was könnte es denn sein? Hmm, du bist heimlich neidisch auf meinen tollen Nagellack und ich soll dir deine Nägel auch lackieren?", schlug Magnus mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem kleinen Grinsen vor. Und endlich war auch ein kleines Lächeln bei Alec zu sehen und auch kurz seine Zunge, die er dem Älteren wegen seiner blöden Idee rausstreckte.

So gefiel ihm Alec schon viel besser. Doch sie mussten wirklich endlich mal über die finanziellen Fragen sprechen. Und so bot er Alec seine Hand an, damit er diese halten könnte. Nervös spielte Alec dann auch mit dieser herum.

"Du willst nicht, dass ich Geld für dich ausgebe, richtig?", mutmaßte Magnus dann, sein Ton ernster. Sein Lächeln war einem besorgten Ausdruck gewichen. Sein Kleiner nickte nur.

Magnus seufzte, denn so kamen sie nicht weiter. Nach einem Augenblick, des Nachdenkens und des Entscheidens sagte Magnus schließlich: "Du kannst nichts für deine finanzielle Lage. Ich habe gesehen, wie du dich jeden Tag kaputt geschuftet hast, immer lächelnd, immer fleißig. Und doch würde es dich niemals aus dieser schlimmen Lage befreien."

So war es und es brachte nichts es zu beschönigen. Zwar hatte sich Magnus selbst auch von ganz unten hochgearbeitet, aber er hatte jede Möglichkeit, jedes µ einer Chance genutzt und war dabei auch nicht immer ethisch und moralisch korrekt vorgegangen. Doch Alec war anders als er. Alec würde niemals die gleichen teils skrupellosen Entscheidungen treffen und er sollte dies auch nicht müssen. 

Natürlich hätte Magnus nun für Alec bestimmen können, hätte ihm diese Entscheidung aus der Hand nehmen können. Doch der Kleine hatte genau dies ja als eine seiner größten Ängste benannt. Also blieb dem Älteren keine andere Wahl, als ihm gute Argumente zu liefern und ihn dann allein entscheiden zu lassen. Doch dazu schien er gerade nicht in der Lage zu sein. 

Aber vielleicht ging es ja gerade darum und nicht um das Geld? Vielleicht ging es ja nur darum, die Freiheit zu behalten, über sich selbst zu bestimmen. Ja, das konnte Magnus sehr gut verstehen. 

Und daher sagte er: "Du kannst mir jederzeit sagen, wenn du mit irgendetwas nicht einverstanden bist, Alexander. Ich werde dich nicht bevormunden, nur um dich zu unterdrücken. Ich will deine Meinung wissen und kann sie ertragen. Und ich werde nicht enttäuscht sein oder dich weniger lieben, nur weil du eine eigene Meinung hast." Natürlich schaute Alec die ganze Zeit über auf die Hand des Älteren mit der er spielte. Doch nun hob Magnus sein Kinn an, damit er ihm in die Augen sehen konnte. "Bitte habe den Mut und sei ehrlich mit mir. Wirst du das für mich tun?"

Alec nickte und Magnus ließ ihn gewähren. 

Magnus wusste, dass Alec nicht von heute auf morgen dieses Verhalten würde ablegen können und so zwang er ihn auch nicht, es ihm zu versprechen. Sein Kleiner würde noch sehr viel mehr Vertrauen in ihn erlangen müssen, um sich wirklich sicher zu sein, dass Magnus nicht sauer werden würde, wenn Alec seine eigene Meinung vertrat. 

Hey KleinerWhere stories live. Discover now