~ Wind ~

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"Natürlich können wir etwas essen. Maia wartet sicher schon mit dem Essen auf uns", sagte Magnus und wurde von einem durch große Augen unterstrichenem "Oh, Oh!" seines Kleinen unterbrochen.

"Meinst du, Maia schimpft mit uns, Daddy?", fragte Alec vorsichtig, als sie zusammen aufstanden und zum Speisezimmer gingen.

"Wenn dann schimpft sie nur mit mir, mein Süßer. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen", sagte Magnus schmunzelnd und hatte seinen Kleinen an der Hand genommen.

Kurz vor der Tür zum Speisezimmer zögerte Alec und Magnus schaute ihn an.

"Muss ich wieder groß sein, Daddy?", fragte er unsicher.

"Nein, sie ist zwar manchmal echt streng, aber sie muss alle Geheimnisse für sich behalten und glaube mir, sie kennt noch ganz andere Dinge", deutete Magnus an und Alec machte nur große Augen. Was sein Daddy damit wohl andeuten wollte?

Und so war es auch. Alec aß mit seinem Daddy zu Mittag und Maia benahm sich so wie immer. So entspannte sich Alec auch wieder etwas und genoss seine Fischstäbchen mit Spinat und Kartoffelbrei. Nachdem offensichtlich der schlimmste Hunger gestillt war, begann Alec den Kartoffelbrei ein wenig mit der Gabel zu formen. Zaghaft glättete er verträumt die gelbe Masse. Magnus schimpfte nicht, sondern ließ ihn einfach weiter machen.

Doch Alec bemerkte schließlich doch, was er tat und schaute unsicher zu Magnus.

"Meine Mum hat immer mit mir geschimpft, wenn ich das gemacht habe", erinnerte er sich und Magnus fragte daraufhin, anstatt auf die scheinbar schmerzhafte Erinnerung einzugehen, lächelnd und absichtlich ein wenig provozierend: "Soll ich auch schimpfen?"

Doch Alec schüttelte nur mit dem Kopf. Er wirkte nun nicht mehr so klein. Er hatte schon lange nicht mehr solche Gedanken überhaupt zugelassen. Doch Magnus ließ ihn nicht in ihnen versinken, denn er sagte direkt daraufhin: "Ich werde gleich jemanden anrufen, die sich sehr gut mit Halsbändern auskennt. Sie hat in der Stadt ein Spezialgeschäft für BDSM-Bedarf und führt vor allen Dingen handgemachte Spezialanfertigungen. Ich schätze ihre Beratung immer sehr und diese Stücke bekommt man nirgends sonst. Ich hoffe, dass sie Zeit hat, heute Abend zu uns zu kommen." Alecs Augen begannen direkt wieder zu leuchten.

"Dafür braucht man eine Beratung?", fragte der Jüngere leicht irritiert und bekam nur ein schmunzelndes "Du wirst schon sehen" zur Antwort.

"Möchtest du dein Zimmer sehen, bevor wir den Vertrag unterschreiben?", fragte Magnus fröhlich und stand schon auf. Doch er bekam nur einen irritierten Blick von Alec. Von einer Sekunde zur anderen hatte sich dessen Gesicht verfinstert.

"Ich kenne doch das Gästezimmer schon. Außerdem werde ich doch wieder in meiner Wohnung wohnen, sobald dein Arzt mich endlich wieder entlässt...", murrte dieser leise, aber ziemlich pampig. Das Gespräch schien ihm nicht so richtig zu behagen. Fast wirkte er wieder wie am Anfang: unnahbar, sarkastisch, rebellisch. Eben wie ein stacheliger Teenager.

Magnus wusste zwar noch nicht, woher denn nun dieser Wind auf einmal wehte, aber dieses Verhalten sagte ihm nicht zu. Er hatte zwar nicht damit gerechnet, so schnell auch die weniger angepasste Seite von Alec zu entdecken. Doch auch diese gehörte zu seinem Liebsten und gerade jetzt brauchte er seinen Daddy am meisten.

Ruhig und ernst sagte der Ältere: "Ich habe nicht um einen frechen Kommentar gebeten, sondern dir eine Frage gestellt und erwarte eine Antwort darauf."

Innerlich hatte Alec schon mit einem Donnerwetter gerechnet, doch die ernsten Worte trafen ihn seltsamer Weise umso mehr. Unsicher schaute er auf seinen Daddy, der ihn mit einem durchdringenden Blick ansah.

Noch immer stand Magnus hinter seinem hochlehnigen Stuhl und wartete. Alecs Blick spiegelte verworrene Gefühle wieder und eine Mischung aus Unsicherheit und Trotz. Es kam auch nach einer Weile keine Antwort vom Jüngeren, also beschloss Magnus für ihn zu entscheiden.

"Mein Gästezimmer ist für Gäste. Und selbst wenn du dich entscheiden solltest, weiterhin in deiner Wohnung zu leben, du wirst hier dein eigenes Zimmer haben. Ich will, das du dein eigenes Reich hast, wenn du bei mir bist. Und ich wünsche mir auch, dass du bei mir wohnst. Doch diese Entscheidung werde ich dir nicht abnehmen. Darum hast du mich gebeten."

Magnus' Worte waren klar und eindeutig. Trotz Alecs plötzlichem Verhalten hielt er an allem fest, was vorher besprochen war. Er überließ ihm selbst die Entscheidung, wo er wohnen wollte, aber sagte auch ganz deutlich, wie sein Wunsch war.

Damit hatte Alec nicht gerechnet, doch diese Klarheit war so entwaffnend, dass er mit seinem Daddy schließlich mitging. Sie gingen schweigend hinauf und hielten an einem Raum an, der in der Nähe des Hauptschlafzimmers lag und welches Alec noch nicht gesehen hatte, da es verschlossen gewesen war. 

Lässig und ein wenig rebellisch, lehnte sich Alec an die Wand neben der Tür und schaute gelangweilt an die gegenüberliegende Wand. Dabei  stellte er seinen Fuß an die teure Tapete, was ihm direkt einen ernsten Räusperer von seinem Daddy einbrachte. Natürlich hatte Alec sofort seinen beschuhten Fuß runter genommen, auch wenn die Attitüde noch immer fragwürdig war.

Dann sah er den Schlüssel, den Magnus ihm hinhielt. Ohne ein weiteres Wort, aber mit einem immer noch recht coolen Blick, schloss Alec auf und trat in sein neues Zimmer. Beziehungsweise in das Zimmer, das Magnus ihm für die Zeit bereitstellte, in der er hier sein würde. Wahrscheinlich sah der Raum so aus, wie die anderen auch, also wozu dann das Abschließen und dieser Aufriss?

Doch dieser Raum sah ganz anders aus. Es gab keine alten dunklen Holzmöbel und auch keine schweren langen Vorhänge. Dieser recht große Raum wirkte so hell und offen. Die Möbel waren modern und hätten wohl auch in ein Jugendzimmer gepasst. Schwarz und weiß waren die vorherrschenden Farben hier und zogen sich vom großen Futon-Bett, zur Couch mit Fernseher und einer Spielekonsole bis hin zum Schreibtisch. Vom Zimmer gingen noch zwei weitere Türen ab, die wahrscheinlich zum Kleiderschrank und zum Bad führten.

Nein, dieser Raum war nun wirklich nicht so, wie der Rest des Hauses. Alecs Füße trugen ihn hinein um sich genau alles anzusehen. Die raumhohen Fenster konnten mit Schalosienen abgedunkelt werden und gaben den Blick auf den wunderschönen Garten frei. 

Sprachlos schaute er zu dem Älteren zurück, der noch immer in der Tür stand. Plötzlich schämte sich Alec für sein dummes Verhalten und er wusste, dass Magnus es ihm an der Nasenspitze ansehen konnte. 

"Ich hoffe, es trifft deinen Geschmack", sagte Magnus ruhig.


Hey KleinerWhere stories live. Discover now