~ Füße ~

1.5K 108 19
                                    

Träumte oder wachte er? Alec konnte es nicht sagen, als die Sonne kitzelnd seinen Körper weckte. Noch immer hielt sein Daddy ihn geborgen in seinem Arm. Das konnte nicht Realität sein. So wohl wie er sich gerade fühlte... ja hatte er das schon einmal erlebt? Alles fühlte sich weich und entspannt an. Es gab wohl keinen Millimeter in seinem Körper, der Anspannung zeigte. Wobei... es da schon eine wunde Stelle gab....

Das Türklingeln riss Alec aus seinen Gedanken. Magnus hinter ihm murrte nur unwillig, Wer würde das wohl sein? Oh, natürlich! Es konnte doch nur das Collier sein! Sollte das nicht heute morgen geliefert werde? 

Ohne noch weiter nachzudenken, warf sich Alec etwas Anziehbares über und flitzte die Treppen hinunter zur Haustür. 

"Ich mach das schon", rief er Maia zu, die gerade die Tür geöffnet hatte. 

Verdutzt und etwas grummelig ließ sie den Wirbelwind gewähren, der das Paket begeistert vom Postboten entgegen nahm.  Es war erstaunlich klein und schneller ausgepackt, als das Maia noch etwas hätte Einwänden können. 

Freudig flog das Verpackungsmaterial auf den Fußboden und brachte den Inhalt zu Tage... 

"Alec!"

Schneidend kalt drang die bekannte und doch gerade so fremdartig klingende Stimme an Alecs Ohr und ließ ihn in seinem Tun abrupt innehalten. 

Magnus stand auf der Treppe. Strenge sprach aus seinem Blick, die Alec den Atem raubte. Tränen standen plötzlich in Alecs Augen und er wusste nicht ein noch aus. Doch der Körper des jungen Mannes reagierte schneller, als er überhaupt denken konnte. 

Polternd landete das Paket auf dem Fußboden. Schlitternd rutschte das kleine schwarze Gerät vor Magnus Füße und noch ehe er das Handy aufheben konnte, war Alec schon aus der Haustür verschwunden. 

---

'Was hab ich mir dabei gedacht?' Immer wieder routierte diese Frage in Alecs Geist. Wurde nur abgelöst von schlimmen und noch schlimmeren Prophezeiungen zu Magnus Reaktion. Barfuß, nur mit einer Hose bekleidet und ohne seinen Rucksack war er einfach losgerannt. 

Magnus so streng zu sehen... ertappt dabei, wie er dessen Post öffnete... Was hatte er sich nur dabei gedacht, so grob über alle Grenzen hinweg zu gehen? Man öffnete nicht einfach Pakete von anderen Menschen!!!

Wut brodelte in Alec hoch und ließ ihn den rauen Untergrund nicht mehr spüren, der ihn hart in die Fußsohlen stach. Magnus' Haus war so abgelegen, dass ihn zumindest keine Menschen anstarrten. Obwohl Alec dies im Moment auch nicht gestört hätte. 

Nur von Magnus wollte er gerade nicht gefunden werden. Und so schlug er einen Seitenweg ein. Sollte der Ältere mit dem Wagen nach ihm suchen, so würde er ihn nicht von der Straße aus finden. 

Regnete es nicht immer in solchen Momenten? Unterstrich das Wetter in dramatischen Filmen nicht immer passend die Stimmung des Protagonisten? Doch es regnete nicht. Hellster Sonnenschein brannte Alec auf seinem nackten Rücken. Warum hatte er sich auch nicht richtig angezogen...

Quälend prügelten die Gedanken auf ihn ein, nannten ihn Nichtsnutz, Freak und Schlimmeres. Sie nahmen ihm die Kraft weiter zu laufen und so fand Alec schließlich auf einem abgelegenen und verlassenen kleinen Spielplatz einen ruhigen Ort. 

Und sie hatten Recht, das wusste Alec. Seine Gedanken hatten doch immer Recht gehabt. Er hatte einen Mann wie Magnus gar nicht verdient. Das er überhaupt solange dort bleiben durfte, war ein Wunder gewesen. 

Ein Wunder, welches ihn sein Alleinsein nun nur noch mehr spüren ließ. 

Nach der Wärme, die Magnus ausgestrahlt hatte, fühlte sich alles nur noch unglaublich kalt an. So kalt, dass sich Alecs Herz irgendwann schmerzhaft zusammenzog und nur noch Leere zurück ließ. 

Leer und taub starrte er auf den Fußboden. Starrte auf die kleinen und großen Kiesel, die auf den Gehwegen lagen. Wie schön wäre es, jetzt genauso wenig Gefühle wie diese Steine zu haben. Einfach nichts mehr fühlen zu müssen und auch keine Entscheidungen treffen zu müssen. 

Und doch... eine kleine Stimme machte sich in Alec bemerkbar. Schüchtern, leise und zurückhaltend gab sie zu bedenken, dass sich Magnus doch bereits ein bisschen Vertrauen erarbeitet hatte.

Rigoros schob Alec diese Stimme weg und machte sich auf. Langsam kam Leben in seine Umgebung und natürlich wollte er nicht erst von der Polizei ohne Schuhe und Shirt auf einem Spielplatz aufgegriffen werden. 

Er musste nur irgendwie wieder zurück in die Stadt und zu seinem Zimmer. Einen Ersatzschlüssel hatte er versteckt. Alles weitere würde er sich morgen überlegen. Dazu war er nicht mehr in der Lage.  

Er würde einfach nur einen Schritt nach dem anderen machen müssen. Das wäre nicht das erste Mal, dass Alec über seine eigenen Grenzen hinweg stark sein musste. 

Alles kein Problem...

Doch seine Füße bewegten sich nicht.

Keinen Millimeter schritten sie voran. Keinen einzigen. 

Stattdessen schrie nun die kleine schüchterne Stimme fast. 

'Dreh um!'

'Geh zurück!'

'Ich will nie wieder alleine sein!'

'Hör auf uns weh zu tun, du Idiot!'

'Er ist es wert!'

Da war es wieder, das flauschige Gefühl. Leise, doch immer stärker werdend. 

'Du liebst ihn!'

"Ja....", murmelte Alec. "Ja, ich liebe ihn...", sagte er zu sich selbst. Und es war, als wenn einige Kilo an groben Steinbrocken von seinen Schultern gefallen wären. Leichter trotz der Schmerzen machte sich der junge Mann auf den Weg zurück  zum Anwesen des Älteren.  

Hey KleinerWhere stories live. Discover now