Kapitel 1 (Teil 1)

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Eine leichte, warme Brise der italienischen Sommerluft wirbelte um mich herum und ich atmete einmal tief ein. Frisch gemahlener Espresso in Kombination mit dem Geruch einer gebackenen Steinofen Pizza stieg in meine Nase und augenblicklich meldete sich mein Magen zu Wort. Es war jedoch noch etwas zu früh für unser Abendessen, denn ein spezieller Ort hatte ich mir persönlich vorgenommen, den wir ausschließlich heute besuchen konnten.

„Wo sollen wir als Nächstes hin?", fragte Josie neben mir und blätterte im Reiseführer über die Sehenswürdigkeiten von Rom, „In der Nähe wäre der ‚Piazza del Popolo' oder die Kirche ‚Luce ed Ombra'. Wir könnten aber auch zuerst einen Happen essen gehen. Also, was meinst du?"

„Na ja, etwas Essen zu gehen scheint zwar verlockend, doch auf meiner 'Must-See' Liste steht schon immer die Kirche ‚Luce ed Ombra'", antwortete ich und warf ebenfalls einen Blick in den Reiseführer.

„Okay, dann gehen wir zuerst in die Kirche, bevor sie schließt. Ich kann meinen Hunger noch eine Weile bändigen. Die Kirche ist nur zehn Minuten von hier entfernt. Komm!", meinte sie motiviert, klappte das Buch schwungvoll zu und packte es wieder in ihren blau geblümten Rucksack. Einen kleinen Blick warf ich noch auf die Kirche ‚Santa Maria del Popolo' und bestaunte das kleine, runde Fenster in der Mitte, bevor wir die Treppen hinunterstiegen. Schon mehrere Male war ich hier in Rom gewesen und immer gab es neue Sehenswürdigkeiten zu erkunden und genau deswegen liebte ich diese Stadt so sehr. Wir schlenderten dem Gehsteig entlang und ich sah in die Schaufenster der unzähligen Geschäfte der frisch renovierten Bauten. Im Stadtzentrum waren die Gebäude und die Straßen meist sehr ordentlich und gut im Stand gehalten. In den Vororten von Rom sah das jedoch schon deutlich anders aus. Wieder kitzelte der Duft von frischem Espresso in meiner Nase und ich entdeckte ein nettes, kleines Café am Straßenrand. An der Kreuzung der gepflasterten Straße zum ‚Piazza del Popolo' blieben wir stehen und versicherten uns drei Mal, bis die Autos wirklich angehalten hatten und wir getrost über den Zebrastreifen gehen konnten. Obwohl die Ampel bei den Autofahrern auf Rot geschaltet wurde, traute ich keinem Italiener hinter dem Steuer.

Viele Menschen sammelten sich am Piazza und wir folgten den Schildern zum Areal der Kirche ‚Luce ed Ombra'. Beim Park angekommen, bemerkten wir schnell, dass dies kein gewöhnlicher, heiliger Ort war, zumal im Grunde jedes Gotteshaus einzigartig war. Hier herrschte dennoch eine sinnliche Atmosphäre, welche mich sofort zur Ruhe brachte. Von zuhause wäre ich es gewohnt, dass mysteriöse Statuen oder etliche Kreuze den Weg zur Kirche leiteten. Genug Platz für einen Friedhof bot dieses Areal ebenfalls, aber auch das war nicht anzutreffen. Zwar waren die Basilika in Rom etwas anders, wie in meinem Heimatort, doch trotzdem war jedes christliche Gebäude oder Piazza in Rom prunkvoll gestaltet worden, aber nicht hier. Diese Kirche war umgeben von einem Park mit großen, saftigen Liegewiesen. Der Geruch des Espressos wich dem von den gigantischen Pinien im Park. Sie ragten weit in die Höhe und spendeten wohltuenden Schatten in der sonstigen Hitze. Der Weg zum großen Tor der Kirche wurde mit Lilien verziert. Touristen tummelten sich bereits beim Eingang, manch andere schlenderten durch den Park und machten Fotos. Auch für Einheimische schien dies ein beliebter Naherholungsort zu sein, denn viele joggten über die gepflasterten Wege oder genossen die Sonne auf den Liegewiesen. Ich freute mich schon sehr lange darauf, diesen Ort besuchen zu können, doch jedes Mal, als ich bisher in der Stadt gewesen war, hatte mich irgendetwas davon abgehalten. Endlich hier zu stehen, diesen wunderschönen Ort zu betrachten und im Hintergrund die schlicht gehaltene Kirche zu sehen, war magisch.

Josie und ich spazierten gemütlich durch den Park in Richtung Eingangstor. Vögel sangen um uns, Schmetterlinge flatterten umher, durch die grünen Äste glitzerte das Sonnenlicht und Josie und ich liefen wortlos nebeneinander und genossen die Zeit in vollen Zügen. Bei der Kirche angekommen, konnten wir zum ersten Mal die bescheidene Pracht und die Größe des Gebäudes erkennen. Sie wurde ansonsten von den Bäumen im Park gut verhüllt. Im Zentrum des Bauwerks befand sich der größte Turm, von den insgesamt sechs Türmen. Er war mit vielen kleinen Ornamenten verziert worden, jedoch konnte ich weder eine Uhr auf dem Turm erkennen, noch war ein Glockenturm zu sehen. Nicht einmal Touristen konnte ich von hier unten erkennen, vermutlich waren die Türme für die Besucher nicht zugänglich. Um den großen Turm in der Mitte befanden sich noch fünf weitere Türme, welche ebenfalls mit Ornamenten geschmückt wurden. Erst dann fiel mir auf, dass das Gebäude ausschließlich rund gebaut wurde und nicht, wie üblich, eckig oder nur mit einzelnen runden Elementen, sondern völlig kreisförmig. Es erinnerte mich mehr an ein Märchenschloss, als an ein Gotteshaus. Zudem, laut den Beschreibungen des Reiseführers, war die Architektur einzigartig und der Stil des Gebäudes mit keinem anderen auf der Welt zu vergleichen.

ZARTHs Krieger - Gefangen zwischen Licht und SchattenOù les histoires vivent. Découvrez maintenant