Kapitel 12

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Ω

Ein eiskalter Schauder krabbelte mir die Wirbelsäule entlang nach oben, packte mich am Nacken und durchfuhr mich mit einem Frösteln. Meine Schatten reagierten sofort darauf und pochten unter meiner Haut. Ohne zu zögern, strömten sie zu meinen Händen und wollten sich transformieren, doch ich hielt sie in letzter Sekunde zurück. Dies konnte nur eines bedeuten. Unzählige Schattendämonen mussten sich ganz in der Nähe befinden. Ich schloss meine Augen und versuchte zu lokalisieren, wo sie sich zentrierten. Südwestlich von hier mussten sie sich aufhalten und es gab nur einen Ort, der von solcher Wichtigkeit wäre, so eine gewaltige Macht einer Armee zu versammeln.

Sie waren an einem Ort, der mir einmal selbst heilig gewesen war. Ich wusste auch, wer sich da gerade aufhielt - Philomena. Sie war in Gefahr, denn jede Faser meines Körpers schrie danach und ließ mir meine Nackenhaare aufstellen, so schnell wie möglich zu ihr zu gelangen. Sofort änderte ich den Kurs, lenkte meine Flügel in die andere Richtung und flog nach Südwesten. Kurze Zeit später landete ich auf einem Dach eines abgebrannten Hauses in der Nähe des heiligen Areals. Wie um alles in der Welt hatten sie in so kurzer Zeit, ohne Philomena so viel Macht sammeln können. Ihre Zahl an Anhänger musste drastisch gestiegen sein. Anders konnte ich es mir kaum vorstellen.

Ich wollte mir ein Bild von der Situation verschaffen und wie ich am besten die Verteidigung unterstützen konnte. Doch als mein Blick über das Areal schweifte, war die halbe Schlacht schon fast verloren. Die meisten Engel waren bereits von den Diavosklingen zerstückelt worden. Nur Tilonas kämpfte unerbittlich weiter. Er versuchte so gut wie möglich für Philomena Zeit zu gewinnen, doch das gelang ihm wohl oder übel nicht gerade außerordentlich gut. Ich überlegte kurz, wie ich die Lage noch verbessern konnte. Am liebsten wäre ich zu ihm hinuntergeflogen und hätte ihm beigestanden, doch uns beide für die Klinge des Engelsschwerts zu opfern, brachte der vermutlich unwissenden Philomena nicht gerade viel.

Im Grunde würde ich ebenfalls da unten mit den anderen Schattengestalten kämpfen, doch aus irgendeinem Grund musste mein Bann gebrochen worden sein und der unersättliche Hass hatte aufgehört, durch meinen Körper zu toben. Dies hatte ich nur einer Person zu verdanken. Gestern, als ich ihr so nahegetreten war, dass ich ihre Aura gespürt hatte. Zuerst war ich zwar nur von der Tat hingerissen worden, ihr durch die Droge Schaden zuzufügen und wie es so weit kommen konnte. Doch als ich wieder Teil des Schattens gewesen war, kamen, wie aus dem Nichts die Erinnerungen an die gemeinsamen Zeiten zurück, wie wir Seite an Seite miteinander gekämpft hatten, wie wir unserer Freundschaft ewige Treue geschworen hatten, bis sich aus Freundschaft, Liebe entwickelte hatte ... Wie hatte ich sie nur verlassen können?

Wenn ich es bildlich beschreiben müsste, war meine Befreiung wie ein Regenbogen der Gefühle gewesen, der wie ein Blitz in mir eingeschlagen hatte. Er hatte mich von der dunklen Magie und von dem Hass, der Wut und der Zerstörung über die Welten zu bringen, befreit.

Daher konnte ich nicht mehr zur Meisterin zurück, ohne Weiteres würde sie mich in die gierige Dunkelheit verbannen, wenn sie meinen Hass nicht mehr in mir wahrnahm. Da müsste ich so lange verharren, bis ich all dem Licht abgeschworen hatte und jegliche Empfindung zu Philomena von mir gerissen hatte. Kein Hoffnungsschimmer an die Helligkeit dürfte an meiner Seele verankert sein, nur pure Schwärze und ich würde als Monster zurückkehren. Dann hätte ich keine Chance mehr, Philomena und Tilonas beizustehen.

Während ich darüber nachdachte, spielte ich ungeduldig mit meiner Schattenmacht zwischen meinen Fingern, die nun nicht mehr nach Zerstörung lechzten. Immer, wenn ich das tat, flossen die Schatten von meinen Tätowierungen in meine Hände. Dabei verblassten sie etwas auf der Haut, doch sie waren trotzdem unersättlich vorhanden. Seit der Zauber gebrochen war, hatten sich meine Tattoos wieder zu einem gleichmäßigen, ruhigen Muster verwandelt. Davor waren sie ein Wirrwarr von Hass und Wut durch den Einfluss der Finsternis gewesen. Meine dunkelsten Wünsche waren dabei zum Ausdruck gekommen. Beim Gedanken an die Bilder, die meinen Körper vorher geziert hatten, erschauderte ich bis heute. Vor allem bei einem ganz speziellem ... Bei dem, wie ich Tilonas tötete und Philomena in den Bann der Dunkelheit ziehen würde. Schon die Tätowierungen allein würden mich bei der Meisterin verraten.

ZARTHs Krieger - Gefangen zwischen Licht und SchattenWhere stories live. Discover now