Kapitel 3

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Heute war ein seltsamer Abend. Zuerst der Vorfall mit dem Unbekannten und jetzt schienen die Gassen zum Hotel wie leergefegt zu sein. Als wir zum Club spaziert waren, waren hier etliche Leute entlang gegangen oder blieben auf den Straßen stehen, um sich mit ihren Freunden auszutauschen. Von weit her war Musik von einem Straßenmusiker gekommen und Menschen hatten sich um ihn getummelt, applaudiert und getanzt. Das war noch nicht mal wenige Stunden her. Nun war keine Menschenseele mehr unterwegs. Niemand war uns bisher begegnet. Josie durchbrach die Stille, als sie hektisch in ihrer braunen Ledertasche kramte und einen Lippenbalsam herauszog. Plötzlich hielt sie inne, bevor sie ihn sich auftrug.

„Mayra, bitte sag mir, wieso bist du ihm hinterhergerannt? Wer war das?", platzte es aus Josie heraus, „Ich muss es wissen. Ich bekomme die Szenen nicht mehr aus meinem Kopf!"

Bei der Frage verkrampften sich meine Finger und ich umfasste den Riemen meiner Handtasche um meine Schulter. Ich presste die Lippen aufeinander und sah sie besorgt an. Was sollte ich ihr nun sagen? Ich hatte ja nicht mal selbst Antworten auf ihre Fragen. Sie würde mich für verrückt erklären, wenn ich ihr erzählte, dass ich Bilder von ihm und mir vor meinem inneren Auge gesehen hatte. Nicht einmal ich hatte die Zeit gehabt, diese zu beurteilen. Ich konnte ihr das doch nicht einfach sagen. Als wäre das ja noch nicht genug, küssten der Fremde und ich uns und plötzlich umzingelte mich die Dunkelheit. Da war nichts, rein gar nichts außer ein großes, schwarzes Loch. Ein Schauder lief über meinen Rücken bei der erneuten Vorstellung und ich bekam Gänsehaut. In meinen Augenwinkeln spürte ich die Hitze der aufsteigenden Tränen, die drohten, mich zu überwältigen. Josie bemerkte meine plötzliche Reaktion und blieb neben mir stehen. Sie packte mich an den Schultern und sah mir in die Augen.

„Du bist jetzt in Sicherheit. Uns ist nichts passiert, okay?", sprach sie in einer sanften Stimme.

„Aber...", flüsterte ich.

„Ich hab Pfefferspray dabei, wenn der nochmal versucht uns anzugreifen. Verstanden? Jetzt sind wir vorbereitet!", sagte sie in einer überzeugten Tonlage und riss ihre Handtasche vor meinen Augen auf. Da entdeckte ich eine kleine, rote Dose mit Pfefferspray. So etwas musste ich mir auch unbedingt besorgen.

„Okay", presste ich aus meiner Kehle heraus, wo sie inzwischen ein Kloß angesammelt hatte. Sie zog mich in eine Umarmung und drückt mich fest an sich.

„Und, und,... du musst mir nicht erzählen, was da in dir abging. Lass dir Zeit und wenn du soweit bist, bin ich für dich da", flüsterte sie in meine hellbraunen Haare und löste sich von der Umarmung. Ich nickte und drückte einen Mundwinkel zu einem leichten Lächeln nach oben. Wie sollte ich nur all die Gedanken ordnen? Wieso zögerte ich so, mit Josie darüber zu reden. Wenn mir jemand dabei helfen konnte dann sie. Sie war meine beste Freundin, wenn ich ihr so etwas nicht anvertrauen konnte, wem dann? Sie steckte gerade wieder ihren Lippenbalsam in die Tasche nachdem sie ihn benutzt hatte und spielte mit ihren Lippen. Daraufhin ging sie langsam weiter und ich trappelte ihr hinterher.

„Josie?", innerlich nahm ich all meinen Mut zusammen, als ich wieder neben ihr ging.

„Ja?", antwortete sie und neigte ihren Kopf zur Seite.

„Ich hab keine Ahnung wer dieser Typ war. Ich wünschte,...aber...ich sah diese Bilder. Als seien es Erinnerungen. Doch das ist nicht möglich", sprach ich aufgeregt.

„Wie meinst du?", bohrte Josie tiefer nach.

„Als sich unsere Blicke trafen, meinte ich, dass ich ihn schon mal getroffen habe. Dann kamen verschiedene Bilder in mir hoch und diese fühlten sich so real an", erklärte ich ihr, so gut ich es auch nur konnte, aber jetzt wo ich es ausgesprochen hatte, hörte es sich absolut absurd an. Nein, ich konnte ihr nicht noch mehr erzählen. Ich war doch völlig verrückt geworden.

ZARTHs Krieger - Gefangen zwischen Licht und SchattenWhere stories live. Discover now