Kapitel 20

208 33 78
                                    

Die Wachen öffneten das Tor und ich rannte in den Hauptsaal, als wäre ich gerade von einer Biene gestochen worden. Ich blickte um mich, ob ich Tilonas sehen konnte. Doch er war vermutlich immer noch im Hauptturm. Ich stürmte zum Gemälde von Tilonas, mir und... Ouriel. Ouriel... da lief mir ein Schauder über den Rücken. Josie musste mich bemerkt haben, denn plötzlich stand sie neben mir und fragte: „Mayra, was ist passiert? Ist das Schutzschild zusammengebrochen?"

„Nein, sind sie nach unten gekommen?"

„Nein!? Aber..."

Ich legte meine Hand auf ihre Lippen. Ich musste mich konzentrieren, denn noch nie zuvor war ich ohne einen anderen Engel in den Hauptturm gelangt. Schon etliche Male hatte ich gesehen, welche Symbole sie gedrückt hatten, doch jetzt musste ich diese selbst anwenden. Da war ich etwas überfordert, vor allem, weil ich durch Ouriel völlig durch den Wind war. Ich drückte wahllose Symbole, doch die Türe öffnete sich nicht.

„Verdammt!", entfuhr es mir und hämmerte gegen den Bilderrahmen.

„Mayra, beruhige dich doch", redete Josie auf mich ein.

„NEIN", fuhr ich sie an. Als die Türe sich zum dritten Mal nicht öffnete, trat ich heftig mit meinem Bein gegen das Wandgemälde. Genau an die Stelle, an der sich Ouriel befand. Ich hoffte, ich würde zumindest einen Fußabdruck hinterlassen können, doch das Bild hatte nicht einmal einen Kratzer abbekommen.

„Natürlich muss das Bild ja auch magisch sein", zischte ich zwischen meinen Zähnen hervor und presste meine Augen zu einem kleinen Spalt zusammen.

„Jetzt sag schon, was hast du?", drang Josies Stimme etwas fordernder zu mir durch.

„Lass mich in Ruhe!", brüllte ich. Als ich aber realisierte, was ich da gesagt hatte, sah ich sie sofort entschuldigend an. Sie hatte recht, ich musste herunterfahren. Ich hätte nicht gedacht, dass Ouriel mich so aus der Bahn werfen konnte. In letzter Zeit hatte ich das Gefühl, dass meine Emotionen viel intensiver geworden waren, egal, ob Liebe oder Wut. Sie brannten unter meiner Haut wie Feuer.

Ich atmete einmal tief durch und versuchte mich wieder zu sammeln. Dann blickte ich erneut auf das Wandgemälde und ich wusste intuitiv, welche Symbole ich drücken musste.

Mit den Fingerspitzen berührte ich sie und sofort begannen sie zu leuchten. Dann kam das klickende Geräusch der Türe und ich konnte sie endlich aufreißen. Josie und ich hasteten gemeinsam die Treppen des Turmes hoch. Kurz vor jeder Türe lauschten wir daran, ob sich darin Tilonas befand. Bei den ersten beiden Türen war nichts zu hören. Bei der dritten Türe konnten wir schon vom unteren Stockwerk aus Tilonas Stimme ausmachen, die laut und intensiv klang. Sie sprachen in der göttlichen Sprache somit nur für mich verständlich.

Er schien aufgebracht zu sein und ...

„Wir brauchen eure Unterstützung! So lange wir hier sind, ist die Erde noch lange nicht aufzugeben. Vor allem, da wir jetzt eines ihrer Lager im Visier haben", das war eindeutig Tilonas Stimme.

„Wir müssen...Fronten auf den anderen Planeten stärken ... ihren Angriff gewappnet ... Uns wird es nicht passieren... überrumpelt...und...", murmelte deutlich leiser eine fremde weibliche Stimme. Leider konnte ich nur Bruchstücke des Gespräches ausmachen, da wir uns zu weit entfernt von der Türe befanden. Josie und ich schlichen mit vorsichtigen Schritten weiter hoch. Fast waren wir bei der Türe angekommen, da packte ich Josies Oberarm vor der letzten Kurve, damit sie nicht noch näher herantrat. Wir wollten schließlich nicht, dass jemand uns entdeckte. Von hier unten konnte ich genug hören und niemand würde uns erblicken. Wir drückten uns an die Wand und ich flüsterte Josie die zusammengefasste Version auf Deutsch in ihr Ohr. Da musste ich aber wieder aufhorchen, denn Tilonas fuhr fort...

ZARTHs Krieger - Gefangen zwischen Licht und SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt