Kapitel 23 (Teil 1)

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Es war nicht mehr weit bis zum dunklen Lager der Schattengestalten, doch trotzdem musste ich den restlichen Weg alleine bestreiten. Yruel, Phamepra und die anderen Engel würden in der Ferne in einer entfernten Dimension auf mein Zeichen warten. Wir waren genug Kämpfer, um das kleine Lager zu stürzen, das sich hier außerhalb von Rom befand. Ich hatte es damals, als ich nur mit meinem Geist durch die unteren Dimensionen gestreift war, erhaschen können und welch dunkle Anziehungskraft von ihm ausgegangen war. Hätten Ouriel und ich vor circa 35 Jahren den Ort nicht schon mal durchkämmt, um die Schattengestalten aufzuspüren, wäre ich nie darauf gekommen und hätte keine Erinnerung daran gehabt. Vielleicht war es nur Zufall oder die Meisterin hatte mir dieses Versteck bewusst eingepflanzt, damit ich in ihre Falle lief. Ich war mir immer noch nicht sicher.

Nun wurde es Zeit, mich von meinen Freunden zu verabschieden. Ich hielt kurz an, doch meine Flügel bewegten sich immer noch sanft in der Luft.

„Wartet, bis ich euch zu mir rufe, ich werde euch stets berichten, was ich zu sehen bekomme", sprach ich und sah dabei Phamepra mit ihren dunkelbraunen, fast schwarzen Augen an. Ihr bronzefarbenes Haar wehte im Wind und die Muster ihrer Tattoos erinnerten mich an die Wellen des Meeres. Sie nickte bei meiner Bemerkung und drückte mir ein kleines Säckchen in die Hand.

„Vergiss nicht, deine Gestalt anzupassen", erinnerte sie mich. Ich nickte ihr dankend zu und wandte mich zu Yruel, meinem treuen Gefährten. Seit Ouriel uns verlassen hatte, hatte er sich als wahrer Freund erwiesen und ich vertraute ihm innig.

„Pass auf sie auf, falls...", ich konnte meinen Satz nicht zu Ende sprechen, da unterbrach er mich.

„Das wird nicht geschehen. Jetzt geh. Wir sind hier, wenn du uns brauchst", sprach er und lächelte mir zu.

Ich flog sanft auf ihn zu und drückte ihn kurz an mich, dann schwebte ich auch schon davon und stieg hinab in die Welt der dunklen Dimensionen. Ich durchquerte den Raum und wechselte in die tiefen Ebenen. Dort, wo sich sonst niemanden mit gutem Willen hin verirrte. Die dunkelsten Bestien und Kreaturen lauerten in den Ecken und warteten nur auf eine Beute wie mich. Wenn ich eine Dimension durchquerte, fühlte es sich an, als müsste ich einen Vorhang auf die Seite schieben. In den oberen Ebenen reichte ein kleiner Flügelschlag aus, doch je tiefer ich hinabsank, desto schwerer war der Schleier zu heben. Die letzten drei Dimensionen, die mich zum Lager führten, wollten mir kaum Einlass gewähren, doch ich schaffte es, alle drei mit viel Mühe und Not zu durchbrechen. Als ich durch den letzten Vorhang trat, schloss ich die Augen, um nicht sofort von der Dunkelheit erschlagen zu werden. Ich glitt hindurch, saugte die Luft automatisch tief in mir ein. Schon in ihr klebte der Geruch und die triefende Macht der Finsternis.

Ich öffnete die Augen und nahm das Säckchen hervor, dass Phamepra mir gereicht hatte. Ich griff nach dem schwarzen Sand darin und warf ihn in die Lüfte. Er formierte sich zu einer Schattenwolke, in die ich mich hineinbegab. In der schwarzen Wolke wurde meine Gestalt zu der eines Schattenengels angepasst. Diese unterschied sich kaum von der Gestalt eines Schattendämons. Hätte ich den Sand vorher angewandt, wäre der Zauber beim Durchschreiten der vielen Dimensionen verblasst. Phamepra hatte diesen Staub von ihrer eigenen Macht extrahiert. Somit hatte ich für kurze Zeit auch dieselben Fähigkeiten. Ich blickte hinab und mein Körper wurde übersäht mit etlichen Tattoos, wie die von Phamepra.

Endlich konnte ich mir in Ruhe einen Überblick des ganzen Umfelds verschaffen und mir einen Plan überlegen, wie ich in das Gebäude kam. Ich schwebte weit oben in den Lüften, dort, wo niemand mich entdecken konnte. Im Vergleich, wie die Umgebung vor 35 Jahren ausgesehen hatte, war der Ort nicht wiederzuerkennen. Schon damals zählte dieser Raum zu den Dunkelsten, doch der jetzige Anblick raubte mir den Atem. Der Himmel war pechschwarz, die einzige Lichtquelle war der Schein des Mondes. Üblicherweise schien der Mond ein silbernes, helles Licht, doch hier warf er ein blutrotes Licht auf die Oberfläche. Dies war nicht der Mond, sondern Orsac, Luzifers Heimatplanet, der vor Jahrhunderten zerstört worden war. Mir stockte der Atem und mein Mund blieb offen stehen. Wie war das möglich? Ich hatte selbst dazu beigetragen, dass seine dunkle Magie für immer erlosch. Mit eigenen Augen hatte ich den Planeten in sich kollabieren sehen. Von wo kanalisierte die Meisterin nur ihre Macht, um solch ein Trugbild zu kreieren? Mir war es ein Rätsel, wie sie sowohl an die Engelsschwerter gelangt war als auch an solch unersättliche Kräfte, die Welt in so ein Chaos zu stürzen.

ZARTHs Krieger - Gefangen zwischen Licht und SchattenWhere stories live. Discover now