Kapitel 44

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Ich öffnete sanft die Türe und streckte meinen Kopf nach drinnen. Tilonas kam ebenso mit mir mit und stand direkt hinter mir. Ich war nun in Ouriels Turm. So benannte ich ihn nun, denn Tilonas als auch ich hatten neben dem Hauptturm je einen eigenen Turm mit unseren eigenen Wandgemälden. So auch er. Das war damals sein Zimmer gewesen, hatte mir Tilonas erklärt. Nach der Schlacht hatte Ouriel Trienia hierhergebracht, die aber noch nicht aufgewacht war.

Die meisten, die nach der mächtigen Energiewelle von mir in Ohnmacht gefallen waren und nicht entweder zu Zarth zurückgekehrt waren oder einfach verwirrt von der Magie zurückgekommen waren, waren bereits schon wieder aufgewacht. Nur nicht Trienia. Ich hatte auf die ganzen Geschehnisse mit den Seelen und warum manche zu Zarth zurückgekehrt waren, keinen Reim gefunden. Tilonas hatte mir dies so erklärt. Die Seelen, die zurück zu Zarth gegangen waren, hatten vermutlich selbst entschlossen, dass ihre Aufgabe hier auf der Erde vorerst erledigt sein musste. Zarth in der Zentralsonne würde ihre Seelen reinigen und sie würden von Neuem auf die Erde oder auf andere Planeten entsandt werden, wenn sie ihre Seelenaufgabe noch nicht erfüllt haben sollten.

Zudem musste das Gleichgewicht von Licht und Schatten wiederhergestellt werden. Die Schattenwesen, die nach der Lichtwelle nur verwirrt gewesen waren, hatten sich schon für eine Seite entschieden, Licht oder Schatten. Trienia jedoch und all die anderen waren über ihre Entscheidung noch unsicher gewesen. Manche waren zuerst in Ohnmacht gefallen und hatten sich dann doch zu einem Licht aufgelöst, andere waren als Schattenengel oder als Engel des Lichts erwacht.

Ouriel saß an seinem dunkelbraunen Bett und hielt gerade Trienias Hand, als ich die Türe nun etwas weiter öffnete. Neben seinen Aufgaben kam er immer wieder zu ihr, um nach ihr zu sehen. Zögernd blieb ich in der Türe stehen und beobachtete ihn.

„Kommt doch rein!", sagte er, als er uns bemerkte.

Wir gingen auf ihn zu und ich setzte mich an die Bettkante. Tilonas stellte sich neben das Bett und betrachtete sie mit einem sanften Gesichtsausdruck. Sie war immer noch in ihre göttliche Gestalt verwandelt. Ihr Körper war zwar mit einer cremefarbenen Decke zugedeckt worden, doch ihre schwarzen Flügel blitzen darunter hervor. Sie hatte ihre Augen geschlossen und es kam mir vor, als würde sie schlafen. Ich bemerkte jedoch, dass ich gerade beobachtet wurde. In meinem Augenwinkel sah ich, dass Ouriels Blick auf mir ruhte. Ich drehte mich zu ihm um und meine Lippen formten ein aufmunterndes Lächeln. Doch er erwiderte es nicht und sah wiederum zu Trienia.

Ich betrachtete Tilonas und Ouriel abwechselnd, denn auch in ihrer menschlichen Gestalt sahen sie ebenso atemberaubend aus wie in ihrer göttlichen. Ein paar Fragen brannten mir aber auf der Zunge und ich hatte bisher noch nicht den Mut zusammengebracht, sie zu stellen. Endlich unterbrach ich die Stille zwischen uns.

„Ouriel...Wieso hat sie dich in der Schlacht ‚Bruder' genannt?", wollte ich nun endlich wissen. Beide sahen mich gleichzeitig an. Tilonas rückte dabei eine seiner Locken zurecht und Ouriel biss sich kurz auf die Unterlippe, bevor er sprach.

„Naja, das kommt davon, dass wir wirklich Geschwister sind. Sie ist meine Seelenschwester. Wir gehören zur selben Seelenfamilie vom gleichen Seelenstern", erklärte er, ohne ins Detail zu gehen und wandte seinen Blick nun wieder zu Trienia.

„Seelengeschwister gibt es nur ganz selten unter Engel und dass Trienia und Ouriel auch demselben Planeten angehören, so gut wie nie. Seelenfamilienmitglieder haben eine besondere Verbindung miteinander, das kann man sich vermutlich gar nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat", ergriff Tilonas das Wort und sah nun ebenso zu Ouriel. Der verzog nur sein Gesicht und schwieg.

„Hast du auch eines deiner Familienmitglieder getroffen?", fragte ich Tilonas neugierig.

„Nein, bisher noch nicht", antwortete er zurückhaltend und legte nun nachdenklich seine Hand auf seine Wangen, „Sagen wir so, vermutlich schon, aber dies muss dir zuerst bewusst werden und das ist nicht gerade einfach."

ZARTHs Krieger - Gefangen zwischen Licht und SchattenWhere stories live. Discover now