Kapitel 11 (Teil 1)

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Das Tor schloss sich mit einem ohrenbetäubenden Knall hinter mir. Kurz blieb ich stehen und mein Blick wanderte über das Areal. Bisher hatte noch kein Schattendämon den Ort betreten, denn er gehörte zu heiligem, geweihtem Boden von der Gemeinschaft der Engel des Lichts und des Schattens. Als die ersten Himmelsboten vor Milliarden Jahren nach der Entstehung der Erde angekommen waren, war dies der erste Ort gewesen, an dem sie Fuß gefasst hatten. Erst Millionen Jahre später hatten wir die Kirche gebaut, aber die Uressenz und das Urlicht war hier immer noch gespeichert. Jede satanistische Gestalt würde beim Betreten in Flammen aufgehen, es sei denn, die Macht der Meisterin wäre stark genug und würde sich dessen Hinwegsetzen können, doch wie? Ich glaubte nicht daran, dass ihr dies gelingen würde, aber bald würden wir es herausfinden.

Die herrliche Wiese strahlte im Schein der Sonne, keine Wolke bedeckte den Himmel und alles war ruhig. Kein Anzeichen von Schattengestalten war wahrzunehmen, nur der verbrannte Geruch der Häuser um das Areal stieg in meine Nase. All die schönen Kunstwerke in Rom waren innerhalb einer Nacht zerstört worden und die Meisterin würde ihre Untertanen nicht zurückpfeifen, bis sie alles hatte, was sie wollte, und zwar die unendliche Macht über den Erdenstern, auch wenn es bedeutete, alles niederzubrennen.

Ich setzte mich wieder in Bewegung und trat die weißen Stufen nach unten zu meinen Gefährten. Alle hatten sich in ihre Engelsrüstungen aus Melachit gezwängt, welche nur in Schlachten wie diese zum Einsatz kamen. Melachit war einst ein Stern gewesen, der durch eine natürliche Kernexpulsion zerstört worden war. Aus den Meteoritengestein, die dadurch in das Weltall geschleudert worden waren, konnten wir die Brocken auffangen, das Metall daraus extrahieren und damit unsere Rüstungen schmieden. Kein Element war härter, als das des Melachit und konnte nicht durchstochen werden, vorausgesetzt, es war keine Diavosklinge. Die meisten trugen eine bronzefarbene Schutzkleidung, nur Engel von höherem Rang wie Pachriel, Tramaleon und ich erhielten dunkelblaue Rüstungen. Sie waren noch mit einer zusätzlichen Schicht von Melachit lasiert worden. Abariel war der einzige Erzengel dem eine weiße Rüstung zugestanden hatte. Auch Philomena würde ihre blütenweiße, edle Schutzkleidung als Erzengel tragen, doch sie konnte man im Moment noch nicht dazuzählen. Erzengel waren direkte entsandte von Zarth, was so viel wie Gott bedeutete, welcher jedem Erzengel spezielle Fähigkeiten durch ihre besonders starke Seele zugeschrieben hatte.

Als ich den unteren Bereich der Treppen erreicht hatte, machten meine Gefährten Platz und traten zur Seite, denn nun war ich es, der Abariels Stellung eingenommen hatte und die Verantwortung des Erdensterns auf seinen Schultern tragen durfte. Diese Bürde lastete schwer auf mir und ich hoffte, ich würde die richtigen Entscheidungen treffen. An der Spitze der Reihe meiner Gefährten angekommen, flüsterte mir der Kampfmeister Pachriel mit dunkelblauen Haaren ins Ohr, dass die Schattendämonen nicht weit von hier entfernt waren. Er konnte ihre Präsenz genau spüren und sie würden jeden Moment eintreffen.

Kurz schloss ich meine Augen und griff mit der anderen Hand an mein Herz. Unter meiner Rüstung trug ich ein Amulett, das mir Philomena geschenkt hatte, in dem ihr goldenes Licht einst gespeichert gewesen war. Jeden Tag hatte ich es bei mir, auch wenn ich ihre strahlende Essenz bereits verwendet hatte, um mich selbst von dem Verderben vor ein paar Jahrhunderten zu retten. Ich atmete tief ein und brachte meinen bebenden Körper zur Ruhe. Das magische Dreieck von Körper, Geist und Seele kreiste um mein Herz. Beim Ausatmen zentrierte ich meine Kräfte in meinen Händen, welches mein Schwert zum Glühen brachte. Ich konnte die angenehme Hitze auf meiner Handfläche spüren und wie sie mir Sicherheit gab. Mein Herzschlag schlug nun gleichmäßig und jede Spur von Angst und Aufregung war verschwunden. Ich öffnete meine Augen, hob das goldene, leuchtende Schwert in die Höhe und schoss einen Lichtstrahl in den Himmel empor. Neben mir griffen auch meine Gefährten zu ihren Waffen, ließen es mit ihrer Macht erfüllen und unzählige Lichter rauschten in die Lüfte.

Lange blieb die angenehme Stimmung jedoch nicht, denn über die Sonne legte sich plötzlich ein dunkler Schatten und verhüllte den strahlend blauen Himmel in angsteinjagende Schwärze. Die einzige Lichtquelle kam von unseren erhobenen Schwertern, diese immer noch den Himmel über uns erhellte. Sie waren hier, dachte ich, und nicht lange darauf schritten die Schattengestalten zwischen den Trümmern und Überresten der Häuser heraus. Sie kamen in einer Reihe nach vorne und blieben mit ihren Fußspitzen direkt vor der Grenze des Areals stehen. Als ich die Menge der Dämonen sah, taumelte ich zurück, doch ich konnte mich mit einem Schritt nach hinten noch auffangen. Es waren zweihundert, vielleicht auch dreihundert an Wesen, die bereit für einen Kampf waren. Zusätzlich flogen über den Schattenwesen am Boden unsere einstigen Gefährten. Ich erinnerte mich noch an die Farbenpracht ihrer Flügel, die nun in ein mattes Schwarz getränkt worden waren. Auf ihrer Haut pochten die Schatten sogar auf denen der Engel des Lichts. Einst waren wir Verbündete, doch jetzt gnadenlose Gegner. Wie konnte es so weit kommen? Nie hatte man daran gedacht, dass Engel selbst sich ein weiteres Mal gegen Ihresgleichen wenden würden.

Ich kniff meine Augen ein wenig zusammen, um sehen zu können, ob die Inschriften der Engelsschwerter auf ihren Waffen eingeritzt worden waren. Mir stockte der Atem, meine Klinge schwankte zittrig hin und her, während ich den Lichtstrahl weiter in den Himmel richtete, denn jeder einzelne Schattendämon, egal ob am Boden oder in den Lüften, war mit einer Diavosklinge bestückt worden. Mir fiel fast das Schwert aus meiner Hand, denn falls sie den heiligen Ort betreten konnten, würde dies keine Schlacht werden, sondern in einer bloßen Abschlachtung an Engeln enden.

Wir hatten keine Schwerter, welche die Dunkelheit töten würde. All die Waffen gegen die Engel und welche auch den Dämonen etwas antun könnten, waren vor Jahrtausenden im ganzen Universum ausgemerzt worden. Außer Luzifers Blut selbst gab es vielleicht noch in den alten Schriften kleine Schlupflöcher zu finden, die beschrieben, wie unter anderem ein Diavosklinge von Neuem erstellt werden konnte, aber auch sie wurden zerstört. Das glaubte ich zumindest, und falls noch Exemplare existierten, musste man die uralte satanistische Sprache erst sprechen können, die aus den Omniversen in unser Universum überliefert worden waren. Außer Luzifer und Zarth wusste ich kein Wesen, das diese überhaupt verstehen konnten.

Wiederum blickte ich durch die Runde, doch ich konnte die Meisterin nirgendwo entdecken. War sie etwa nicht mitgekommen, um zuzusehen, wie ihre Gefolgschaft uns dem Erdboden gleich machen würde? Ich hätte sie in der ersten Reihe erwartet.

Nun regte sich einer der Schattengestalten am Ende des Areals, welcher keine Flügel besaß. Er sah verstohlen um sich und ein selbstgefälliges Lächeln legte sich über seine Lippen. Er war von Kopf bis Fuß mit Schattenmagie gezeichnet worden und trug ein enganliegendes Ledergewand. Er hob ein Bein an und bewegte es über die Grenze auf unser gesegnetes Reich. Dann setzte er zuerst seine Zehenspitzen auf die grüne Wiese, welche bei der Berührung zu Asche zerfiel und rollte schließlich seinen gesamten Fuß ab. Dieser Anblick sog mir all die Farbe aus dem Gesicht und ein eiskalter Schauder lief mir über den Rücken, welcher meine Flügel zum Zittern brachte. Denn schon jetzt wusste ich, dass wir gleich in Grund und Boden gestampft werde würden. Trotzdem blieb der Dämon mit einem Bein auf dem Areal stehen und wartete, bis er sich sicher war, dass nichts geschah. Dann rannte er ungehemmt auf uns zu und auch die anderen Gestalten kamen nun erst richtig in Fahrt und stürmten mit Gebrüll auf uns. Mein erhobenes Schwert, immer noch dem Himmel zu gewannt, schwang ich nach vorne und richtete mein Licht auf die Schatten. Auch meine Gefährten taten es mir gleich und eine gewaltige Lichtwelle wurde ausgelöst. Mit voller Wucht prallte es auf die Dunkelheit und sie knallten aneinander. Kurz war nur unser heller Lichtschein zu sehen und ich lächelte bereits siegessicher. Aber da legten sich Schatten zwischen unser Licht und durchlöcherten unsere Mauer, bis nichts mehr davon übrig blieb, als reine Finsternis...

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Fortsetzung folgt...

ZARTHs Krieger - Gefangen zwischen Licht und SchattenWhere stories live. Discover now