Kapitel 35

124 21 68
                                    

Ω

Das Erdbeben kam mir gerade sehr gelegen. Es war, als würde mir jemand ein Zeichen geben, dass ich das Richtige tat. Das, was ich heute vorhatte, hätte ich schon vor langer Zeit erledigen sollen. Wo sonst das belebte Nachtleben Roms herrschte, war alles bis auf mich ausgestorben. Die Lichter waren ausgehaucht worden und es ruhte eine unheimliche Stille über der Stadt, trotz dem tobenden Beben. Hier waren die Gebäude ebenso abgebrannt und in Asche gelegt worden und mit dem Erdbeben zerfielen auch noch die wenigen Überreste. Ich flog über die Straßen und Ruinen, um an eine versteckte Seitengasse zu gelangen, wo sich der Eingang zu meinem geheimen Portal befand. Ich hoffte, mein Eingang würde nicht verschüttet sein. Meine weißen Flügel glitten sanft in der Luft, hier oben wurde ich kaum vom Erdbeben beeinflusst. Immer wieder spähte ich um mich, ob die Schattengestalten nicht ihr Unwesen trieben. Dennoch musste ich keine Angst haben, gehüllt in den Mantel des Todes würden sie mir nicht zu nahetreten wollen, welchen ich aus einer meiner Verstecke herausziehen konnte. Schließlich hatte ich die schon vor langer Zeit geplant gehabt.

Als ich in der Seitengasse ankam, hatte ich Glück. Die Gebäude links und rechts der Gasse waren in sich zerfallen und verschütteten nur kaum den Kanaldeckel, wo ich gleich eintreten würde. Mithilfe meines Schattens hob ich die Trümmer zur Seite und öffnete den Deckel, den ich in die Ferne schleuderte. Nun war es so weit. Ich zog mir meine Kapuze des langen, schwarzen Mantels über, welche mein Gesicht verhüllen sollte. Kurz griff ich in meine Manteltasche, um sicherzustellen, dass der Dolch des Vergessens sich darin befand. Dieser war essenziell dafür, was ich später vorhatte. Zudem war er ebenso tödlich wie ein Engelsschwert, denn ich hatte ihn als eine der ersten Waffen mit der Macht der dunklen Magie noch zusätzlich durchtränkt. Er war an Ort und Stelle so weit, so gut. Beides hatte ich an einem geheimen Platz aufbewahrt, wo nur ich Zugang gehabt hatte. Da ich jetzt alles hatte, was ich brauchte, gab es keine Ausreden mehr, einen Rückzieher zu machen.

Ich flog nach unten zum Kanaldeckel und schlüpfte hinein. Draußen wies mir das Mondlicht den Weg, doch hier drinnen dominierte die Dunkelheit. Zu meinem Vorteil als Schattenengel konnte ich auch in der Finsternis klar sehen und es machte mir nichts aus. Der Geruch nach Fäkalien biss mir in der Nase, doch ich musste durch ein paar Gänge zum Schattenportal, das mich in die Katakomben führen würde. Die Erde bebte unter mir und ließ die Wände erzittern und Steine prasselten auf mich ein, denen ich auswich. Ansonsten machte mir das Beben in der Luft nicht viel aus. Ich flog durch die fallenden Steine und gelangte zu meinem Portal. Ich war mir sicher, dass dieses Erdbeben kein natürliches war, sondern damit zusammenhing, dass eine Dimension nach der anderen miteinander zerfiel. Das war nur der Anfang. Es würden alle wie Dominosteine umfallen und ich befürchtete, dass das Erdbeben nur der Vorbote war der weiteren Katastrophen, die folgen würden. Da gab es aber einen Weg, das Ganze zu beenden und den würde ich heute bestreiten.

Ein Beben in dieser Stärke würde auch bei den Dämonen Unruhe auslösen. Dies würde ich ausnutzen, um mich zum Opfergabenaltar zu schleichen, ohne viele Schattengestalten anzutreffen. Solange die Meisterin nicht auftauchen würde, gab es kaum jemanden, der die Macht besaß, gegen mich anzukommen, um mich dann zu entlarven. Zu meinem Vorteil befand sich die Meisterin die meiste Zeit im Kolosseum und betrat diesen Ort der Hölle nur selten. Ich erreichte das Schattenportal nach etlichen Abzweigungen. Das Portal war circa 1x1 Meter groß und sah wie eine Wand in der Kanalisation aus. Ich hatte einige mithilfe der dunklen Magie erstellt, damit ich meinen Plot gegen die Meisterin unbemerkt hatte planen können.

Ich landete am Boden und soeben stoppte das Erdbeben - vorerst. Ich ging in die Hocke und spähte noch einmal kurz um mich, um sicher zu stellen, dass mich niemand verfolgt hatte. Ich verschleierte meine Engelsflügel, machte mich winzig klein und kroch durch das Portal hindurch. Es führte durch zwei Dimensionen hindurch und ich landete wie erhofft in den Katakomben. Ich befand mich nun in einem offenen, leeren Grab. Es war eine einfache Einbuchtung in der Wand. Ein paar Schattengestalten huschten hektisch hin und her, doch keiner konnte mich hier unten sehen oder würde auch nur annähernd mit so einem Eingang rechnen. Ich machte noch einen letzten Kontrollgriff in die Manteltasche, ob der Dolch seinen Weg durch das Portal gefunden hatte. Ich seufzte erleichtert, als ich ihn ertastete. Ich streckte meinen Kopf etwas aus dem Grab und spähte nach draußen. Kein Dämon befand sich mehr in diesem Gang. Er wurde im Grunde nur selten benutzt. Ich schwang mich aus dem einengenden Loch und trat in den Gang. Niemand war zu sehen. Also rückte ich meinen Mantel zurecht und lief mit selbstsicheren Schritten den Gang entlang.

ZARTHs Krieger - Gefangen zwischen Licht und SchattenWhere stories live. Discover now