Kapitel 38

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Ich konnte es nicht fassen, was ich gerade vor meinen Augen gesehen hatte. Ich hatte daneben gestanden und hätte es verhindern können. Doch was tat ich? Nichts. Ouriel hatte den Dolch an Mayras Brust gelockert und Erleichterung war in mir hochgekommen. Mit der Reaktion der Meisterin hätte ich nicht gerechnet. Und nun hielten wir ihren reglosen Körper in den Armen. Ouriel richtete sich auf, ich legte sie ganz sanft in seine Arme. Ihr Kopf fiel dabei schlaff nach hinten. Mir riss es vor Schmerz beinahe das Herz aus der Brust und ich konnte kaum noch atmen. Ich schluckte schwer, doch in meinem Hals hatte sich ein Kloß gesammelt, der nichts hindurch ließ. Plötzlich packte mich jemand an den Schultern und riss mich aus meiner Trance der Trauer. Es war Gicarro, der einen Angriff von einer der Dämonen abgewehrt hatte.

Verwirrt schüttelte ich den Kopf und ich nahm endlich auch das wahr, was um mich herum gerade geschah. Ouriel stand, wie ich fassungslos da, nur, dass er sein Blick immer noch auf Mayras Gesicht in seinen Armen gerichtet hatte. Wiederum verschlug es mir die Sprache, denn die anderen Engel um uns waren in einen niederschmetternden Kampf mit den Schattengestalten verwickelt, die die Dämonen von Ouriel, Mayra und mir fernhielten.

Xulnilles wurde gerade von zwei Schattenwesen gewaltsam zu Boden geworfen und ein Weiterer schwang ihr die Diavosklinge um den Hals und zerrte sie nach hinten. Sie keuchte und wehrte sich mit Armen und Beinen. Da kam Meotune ihr jedoch zur Rettung und bohrte seine Klinge von hinten in die Schattengestalt, welcher das Schwert um ihren Hals festhielt. Das Wesen mit den schwarzen Flügeln keuchte auf und lockerte den Griff, dabei konnte Xulnilles fliehen und den anderen Angriff von dem nächsten Dämon abwehren. Zwar würden unsere Klingen die Schatten nicht töten, doch von den Verletzungen mussten sie sich dennoch zuerst wieder erholen und das dauerte ihre Zeit. Mein Blick streifte weiter über das Schlachtfeld und die Dämonen waren dabei, meine Gefährten abzuschlachten. Mein Magen verkrampfte sich und mir wurde speiübel. Nichts hatten wir aus der vorigen Schlacht gelernt oder erreichen können. Ich hatte versagt.

Wir mussten an die Engelsschwerter gelangen. Dann hätten wir eine Chance, kam es mir plötzlich. Aber als ich weiter beobachtete, wurde ein Engel in einer strahlenden, moosgrünen Rüstung von einer Diavosklinge erstochen. Zusätzlich durchtrennte das Schattenwesen mit einem pochenden Tattoo am Hals, das wie ein Engel und ein Teufel aussah, seine Glieder. Warte, war das eben Adiri gewesen? Ein selbstgefälliges Lächeln umspielte Adiris Lippen und soeben transformierte sich der Körper des Engels in goldigen Staub. Das Licht stieg nach oben, aber da entdeckte ich etwas Neues am Himmel. Einen Schleier an Schatten, der die hellen Lichter der Seelen in sich verschlang.

Ein wütender Schrei kam aus meiner Kehle, denn eine Erkenntnis schlug in mir ein, die mich völlig aus der Bahn warf. Mayras Seele, Abariels und alle, die mit einem Engelsschwert getötet wurden, waren nicht zu Zarth gelangt. Was? Sie wurden Teil der Finsternis, darum wurde die Meisterin immer stärker. Sie nutzte die Magie der verlorenen Seelen. Wäre Gicarro nicht hinter mir gestanden, wäre ich vermutlich nach hinten gekippt.

Das Wissen darüber, dass Mayras Seele nie mehr zurückkommen konnte, zerfraß alles in mir, bis nichts mehr übrig blieb als die gähnende Leere. Nun wurde meine größte Angst Wirklichkeit, und zwar Philomena für immer zu verlieren. Das war gerade geschehen.

Mit einem hasserfüllten Blick sah ich nun zu der Meisterin, die sich eben mit Chalvara einen Zweikampf bot, den er nicht gewinnen konnte.

„Ouriel!", rief ich, um auch ihn aus der Trance zu befreien. Erst beim zweiten Rufen seines Namens reagierte er und ich wies mit einer Kopfbewegung auf die Meisterin.

Ich musste nicht lange warten, da verstand Ouriel, was ich meinte. Er kam mit wenigen Schritten auf uns zu und legte Mayra gefühlvoll in Gicarros Hände. Ohne zu zögern, spannte er seine Flügel und flog mit ihr davon. Er würde ihren Körper von dem Gemetzel fortbringen, davon war ich überzeugt.

ZARTHs Krieger - Gefangen zwischen Licht und SchattenWhere stories live. Discover now