Kapitel 45

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Ouriel umschlang Trienia sofort und drückte sie fest an sich, nachdem sie aufgewacht war. Dennoch schien sie nicht gerade klar denken zu können und wischte sich nach der Umarmung sanft über die Stirn. Sie blickte uns drei an und richtete sich in ihrem Bett auf. Sofort verwandelte sie sich in ihre menschliche Gestalt und ihre Flügel waren mit einem Mal verschwunden. Erst da fiel mir auf, dass sich auf ihren Händen die Tattoos wiederfanden. Aber nicht wie damals, als sie noch von der dunklen Magie beherrscht wurde, sondern es war ein friedliches und gleichmäßiges Muster. Somit war auch klar, für welche Seite sie sich entschieden hatte. Mit zusammengekniffenen Augen war ihr Blick auf mich geheftet.

„Philomena, bist du es?", kam nun stotternd aus ihr heraus.

„Ja, aber mich nennt man nun Mayra", lächelte ich ihr schüchtern zu, „Du bist nun in der Kirche ‚Luce ed Ombra'. Kannst du dich noch an irgendetwas erinnern?" Vielleicht konnte sie sich auch noch an unser Gespräch tief in ihrer Seele erinnern...

„Okay, schön, dich wieder bei uns zu haben, Mayra. Ähm...", stockte sie und verdrehte plötzlich die Augen. Ihr Gesicht wurde mit einem Schlag leichenblass und sie kippte zur Seite, hätte Tilonas sie nicht an den Schultern festgehalten, wäre sie direkt auf die Bettkante geknallt.

„Alles okay?", fragte Ouriel und legte seine Hände in ihre, doch ihr Gesicht hatte immer noch keine Farbe gewonnen.

„Wieso seid ihr so nett zu mir?", stammelte sie, „Ich hab Schreckliches getan. Oh, Phi... Mayra, es tut mir unendlich leid. Ich hatte versucht, gegen die Dunkelheit anzukämpfen, doch ich war... ich war wie gefangen und konnte nur noch an Zerstörung denken. Ouriel? Oh bei Zarth.... Was hatte ich dir angetan? Wozu hatte ich dich getrieben?" Sie schlug die Hände vor das Gesicht, als könne sie sich dahinter verstecken, „Und Tilonas, ich wollte dich nicht so quälen. Es tut mir leid, dich in der Finsternis gelassen zu haben." Dann hörte ich einen tiefer Schluchzer und sie riss die Arme wieder von ihrem Gesicht. Da sah ich, dass ihr unzählige Tränen über das Gesicht flossen.

„Das warst nicht du, Trienia. Wie auch immer die Macht in dich gekommen war!", meinte Tilonas, „Du kannst nichts dafür. Einer der größten Geschenke von Zarth ist es, zu vergeben und das tun wir. Du warst nur eine Marionette!" Ich war überrascht von Tilonas Worten, denn als Ouriel eben über seine Vergebung gesprochen hatte, hatte ich auch in Tilonas Gesicht gesehen. Er hatte nicht wirklich gewirkt, als hätte er Trienia bereits verziehen. Aber vielleicht hatte er seine Meinung geändert. Trienia brach bei Tilonas Worten nicht in Freudentränen aus, stattdessen legte sich ein dunkler Schatten über ihr Gesicht, genau wie über Ouriels.

„LUZIFER", kam es gleichzeitig aus Ouriels und Trienias Mund und sie blickten sich schockiert an.

„Es war seine Macht! Du, Tilonas, solltest seine neue Hülle werden, darum wollte ich euch mit dem zweiten Tod von Mayra so aus der Fassung bringen. Du solltest all deine Prinzipien über Bord werfen, damit ich deine Schwäche ausnützen könnte, wenn du meine Hülle zerstörst. Dabei hättest du Luzifers Macht entfesselt und ihn selbst gerade mit... Aber halt. Wie hast du es geschafft, zurückzukommen, Mayra?", fragte sie mich nun verwundert.

„Um es mit einem Wort zu erklären: Zarth. Er hat mich zu sich zurückgeholt, meine zerbrochene Seele geheilt und mich auf den Weg der bedingungslosen Liebe geführt. Dann brachte er mich wieder zurück auf die Erde", erklärte ich und lächelte verlegen. Trienia sah mich nun mit offenem Mund an.

„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll", meinte sie.

„Ich bin immer noch hin und weg, wenn du uns das erzählst. Zarth mischt sich selten in die expliziten Geschehnisse ein, geschweige denn, dass er eine Seele wieder zurückbringt, obwohl die menschliche Hülle bereits gestorben war. Das hat er bisher nur ein einziges Mal getan. Zumindest meines Wissens nach zu urteilen", teilte uns Tilonas mit bloßem Erstaunen in der Stimme mit.

„Ja, und zwar Jesu Christi höchstpersönlich. Das zeigt uns erst, was für eine Macht er besitzt", fügte Ouriel hinzu, doch bevor ich genauer nachfragen konnte, brach Trienia in Tränen aus. Sie schüttelte immer weiter den Kopf und Tränen liefen ihr über das Gesicht.

„Es tut mir so leid", wimmerte sie, „Ouriel, auch, dass ich dich zu Mayra ließ, war alles nur ein Plan gewesen. Ich wollte ihre Gefühle entfachen und ihre Zerrissenheit schüren, welche sie zu Wut und Hass treiben sollte, um sich von ihrer Macht nähren zu können. Was mir dank Zarth ja zum Glück nicht gelungen ist. Ich bin froh, dass ihr einen Weg gefunden habt, mich aufzuhalten. Dann wäre...", brach ihre Stimme ab und sie sog nochmals tief Luft in sich hinein.

„Wir wissen, was dann geschehen wäre. Luzifer hätte die Erde zerstört und mit der Energie seinen Heimatplanet auferstehen lassen und wieder versucht, das Universum an sich zu reißen", fügte Ouriel hinzu und spannte, während er sprach, seine Wangenmuskeln an. Trienia schien sich wieder etwas beruhigt zu haben, doch ihre Stirn war nun in Falten gelegt.

„Seid ihr sicher, dass all seine dunkle Magie zerstört wurde?", fragte sie besorgt. Sie spannte nun ihren gesamten Körper an und sie wollte soeben aus dem Bett springen. Ouriel legte ihr seine Hand auf die Schulter und wusste scheinbar, was er sagen musste, um sie zu beruhigen.

„Es ist alles gut, Trienia. Keine Sorge, seine Magie ist ein für alle Mal vernichtet worden. Glaub mir. Die anderen Engel haben den ganzen Erdestern nach Anzeichen durchforstet. Nichts. Wir sind endlich frei von seinen Machenschaften!", lächelte er ihr aufmunternd zu. Sofort entspannte sie sich und ließ sich zurück ins Kissen fallen.

„Gut!", sagte sie und atmete tief aus.

„Wir lassen dich noch etwas ausruhen, Trienia. Wir sehen uns später. Okay?", meinte nun Tilonas.

„Ja, ich muss das Ganze einmal verdauen, bevor ich mich bei den anderen Engeln wieder blicken lasse. Hilfe! Sie werden mich hassen!", sah sie nun wiederum schockiert in unsere Gesichter. Sie krallte sich das Ende der Bettdecke und hätte diese vermutlich am liebsten vor Scham über ihren Kopf gezogen.

„Ganz bestimmt nicht!", wandte ich mich ein, „Wir halten zusammen und in all dieser Dunkelheit von Luzifer, oder wer auch immer, habe ich trotzdem dein Licht in dir gesehen und dir geholfen, dich aus dem Gefängnis zu befreien. Alles wird gut, versprochen." Ich lächelte ihr aufmunternd zu und ihr verkrampfter Gesichtsausdruck schien sich nun etwas zu legen.

ZARTHs Krieger - Gefangen zwischen Licht und SchattenWhere stories live. Discover now