Kapitel 39

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~Erstes Kapitel nach dem Zeitsprung~

Ich saß wie so oft auf der Fensterbank und sah nach draußen.
Seit knapp 2 Jahren hatte ich hier ein Einzelzimmer, mit Blick auf den Zaun und das große Tor.
Die 4 Jahre davor hatte ich mir ein Zimmer Teilen müssen mit vier anderen Mädchen.
Das waren nie einfache Konstellationen gewesen.
Es gab ständig Wechsel unter den Mädchen.
Meine längste Zimmergenossin war knapp ein Jahr lang da.
Allgemein war niemand in dem 'Institut', wie die Werwölfe das hier nannten, länger hier als ich.
Die Menschen die hierher kamen nannten den Ort hier den 'Vorort der Hölle'.
Es war für sie alle eine letzte Station bevor sie die 'Hölle' erleben würden, indem sie Gefährten von Werwölfen werden würden.
Für mich war vielmehr das hier die Hölle.
Und in dieser Hölle habe ich schon sechs Jahre verbracht.
Dabei hatten sie es mir anders versprochen.
'Beruhig dich Enya' haben sie gesagt 'sobald du 16 wirst darfst du wieder zurück'.
Oh man, was habe ich nur an diese Lüge geglaubt.
Gehofft und die Tag gezählt.
Und der Tag kam und der Tag ging wieder und nichts änderte sich.
Was habe ich die Werwölfe hier angefleht mich zurück zu lassen.
Zurück zu Darmin und dem Rudel.

Die Werwölfe draußen wurden wachsam.
Mit wenig Interesse verfolgte ich das Geschehen.
Auf der einzigen Straße hier weit und breit näherte sich ein kleiner Bus.
Ich wusste, in dem Bus saßen einige junge Frauen und Männer, die über einen Bluttest als potentiellen Gefährten gefunden worden waren.
Hier würden sie dann über alles wichtige, beziehungsweise was die Werwölfe hier als wichtig erachteten, erfahren.
Auch würden hier genauere Blut Analysen durchgeführt werden um dann zu gucken zu welchen Wolf sie passten.
Selbst mit mir hatten sie diese ganze Prozedere schon gemacht. Obwohl ich ja schon meinen Gefährten kannte.
Doch hatten sie es wohl nicht geglaubt. Auf meine Einwände haben sie jedenfalls nicht reagiert, sondern einfach ihre Untersuchungen weitergemacht.

Der Bus fuhr durch das nur kurz geöffnete Tor und blieb vor dem Gebäude stehen. Dort standen schon eine ganze Gruppe Werwölfe bereit, die Menschen rasch rein zu holen.
Würde ich jetzt das Fenster öffnen würde ich wohl einige Menschen weinen oder schreien hören. Wenn sie die Werwölfe, die die Aufsicht führten, sie nicht sogar allesamt betäubt hatten.
Diese Praktik konnte man jedenfalls in letzter Zeit vermehrt beobachten.
Seufzend wandte ich mich vom Fenster ab und legte mich in mein Bett.
Mein ständiger Tagesablauf seit Jahren.
Seit ich mit diesem verdammten Benimmkurs für Menschen unter Werwölfen durch war, hatte ich einfach nichts mehr zu tun.
Ich verließ das Zimmer eigentlich nur noch für die Mahlzeiten.
Und selbst bei diesen saß ich allein.
Es lohnte sich einfach nicht Freundschaften zu schließen. Die meisten waren kein halbes Jahr hier, bis sie zu ihrem Gefährten gebracht wurde, beziehungsweise von diesem abgeholt wurden.
Auch hatte ich häufig Probleme mit den anderen Menschen.
Sie verstanden mich einfach nicht. Verstanden nicht wie ich eine Gruppe Werwölfe vermissen könnte.
Einige warfen mir sogar Verrat an meiner eigenen Art vor. Immerhin hätte ich als Mensch mich gefälligst solidarisch mit anderen Menschen zu verhalten und sollte die Werwölfe, alle miteinander, verteufeln, egal was meine bisherigen Erfahrungen mit diesen war.
Meist wurde diese Stimmen aber nach der Pflichtveranstaltung 'Verwandlung in einen Werwolf' ziemlich still.
Die meisten waren danach ziemlich Verstört und nicht wenige versuchten zu entkommen auf jegliche erdenkliche Art und Weise.
Die Werwölfe ließen das zwar nicht zu, doch war es rund um diese Zeit immer sehr nervenaufreibend.
Ständig gab es irgendwo im Gebäude irgendwelche Vorfälle.
Vor allem da in dieser Veranstaltung ziemlich klar gemacht wurde, dass es davon kein Entkommen gab. Das dabei dagebotene Material machte es auch nicht gerade angenehmer.
Gleich zu beginn zeigten sie nämlich immer ein Video aus den Zeiten als die Revolution in den letzten Zügen war. Darauf zu sehen war der öffentliche Vollzug eines Alphabisses an einem Jugendlichen.
Im Gegensatz zu uns hatte man ihm nicht gesagt, was auf ihn zukam und entsprechend ängstlich und panisch reagierte er. Doch im Gegensatz zu den Anderen, hatte ich auch auf den anwesenden Gefährten des Jungen geachtet. Diesem war es augenscheinlich auch nicht ganz wohl gewesen, dass es so öffentlich passiert war. Normalerweise war es eben eine ganz private Sache in einem Rudel, soweit ich es mitbekommen hatte. Es muss den Wolf also ziemlich gestört haben, dass es mit seinem Gefährten so in die Öffentlichkeit gezerrt wurde. Aber mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde eben so auf Befehl eines Alphas gehandelt. 

Lustlos sah ich zur Uhr, die über der Zimmertür hing.
Kurz vor zwölf Uhr mittags.
Ich stand wieder aus dem Bett auf.
Mit schlurfenden Schritten ging ich zur Tür und verließ das Zimmer.
Machte mich auf dem Weg zum großen Speisesaal.
Dabei hatte ich eigentlich nicht wirklich Lust zu essen, doch seit vor ein paar Jahren ein Mädchen versucht hatte sich zu Tode zu hungern, mussten alle immer zu allem drei Mahlzeiten am Tag erscheinen.

Wolfsseele - Die gestohlene GefährtinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt