Kapitel 12

3.3K 242 13
                                    

Unsicher sah ich mich um. 
Ich hatte mein ganzes Leben lang noch nie einen Schritt in einen echten Wald gesetzt. 
Es war irgenwie doch ganz anders, als ich es mir anhand von Bildern in meinen Schulbüchern vorgestellt habe. 
Selbst die Luft hier zwischen den Bäumen kam mir anders vor. 
,,Du warst echt noch nie in einem Wald?", fragte Dario mich, der als einziger seiner Brüder keine blonden Haare sondern hellbraune hatte. 
Ich schüttelte den Kopf.
,,Es gibt in den Städten für sowas keine Platz. Da stehen wenn nur recht vereinzelnd Bäume."
,,Das klingt furchtbar. Ich würde wahrscheinlich durchdrehen wenn ich nicht in den Wald könnte.", sprach er weiter. 

Die Jungs hatten sich entschieden mich mitzunehmen. 
Sie trafen sich wohl nach der Schule immer mit noch jemanden und verbrachten den restlichen Tag miteinander und da ich ja ziemlich offensichtlich nichts besseres zu tun hatte kam ich eben mit. 
Meine Entscheidung ist womöglich auch dadurch beeinflusst worden, dass sie versprochen hatten, dass sie was warmes zu essen auftreiben würden. 
Das hatte mich schon durchaus gereizt was anderes als Brote zu essen. 
Die anderen waren alle ziemlich glücklich, dass der Unterricht über eine Stunde früher für sie geändert hatte. 

,,Enya.", wandte sich Shane dann auch noch mal an mich: ,,Nur damit du bescheid weißt: Unser Kumpel und auch ein paar von uns werden sich noch verwandeln um als Wolf unterwegs zu sein. Das ist für uns ziemlich alltäglich. Keiner wird dir was tun, aber dir wäre auch keiner Böse, wenn du etwas Sicherheitsabstand halten willst. Uns ist durchaus bewusst, dass wir als Wölfe recht groß und nicht unbedingt harmlos wirken. Wir verstehen dich aber auch wenn wir in Gestalt sind. Wenn dir also jemand zu nah kommt für deinen Geschmack, sag einfach bescheid. Nur tue uns bitte den Gefallen und renne bitte auf keinen Fall weg. Gerade in Wolfsgestalt kann das einen Jagdtrieb auslösen, bei dem wir auch mal etwas ruppiger werden können uns es passieren könnte das du dich verletzt."
Er wirkte ziemlich ernst und auch die anderen waren jetzt ruhig. 
Ich nickte nur.
,,Alles klar.", murmelte ich. 
,,Lass dich nicht verunsichern. Es wird schon nichts passieren.", mischte sich Dario wieder ein: ,,Klar sind wir nicht harmlos, aber ihr Menschen seit für gewöhnlich auch nicht aus Glas."

Ich sagte nichts mehr. 
Ehrlich gesagt wusste ich auch nicht, was ich dazu sagen sollte. Das angesprochene Thema war ja schon etwas ernster, doch jetzt wirkte keiner von ihnen mehr Ernst. 
Viel mehr waren sie alle am scherzen und schienen fast nicht abwarten zu können unser Ziel zu erreichen. Sie machten sich aber auch alle die Mühe nicht zu schnell für mich zu sein. 
Vermutlich wären sie selbst schon längst da gewesen. 
Immer wieder bemerkte ich am Rande die Blicke mit denen sie wohl abzuschätzen versuchten wie schnell ich war. Das machte ich hauptsächlich daran fest, dass sie genau danach ihre Geschwindigkeit wieder ein klein wenig reduzierten. 

Schon von einiger Distanz konnte man die Lichtung erahnen, auf die wir gerade zugingen. 
Man sah von dort aus mehr Licht in den Wald scheinen. 
Die Lichtung war nicht wirklich groß und war augenscheinlich schon am Zuwachsen. Überall am Rand standen schon kleine Bäume die sich hier wohl vor ein paar Jahren selbst gesät hatten.
In der Mitte, die noch frei war, lag im Sonnenschein ein dunkelgrauer Wolf. 
Er bliebt dort einfach liegen, aber an seinen Ohren merkte man schnell, dass dieser uns schon gehört hatte. 
,,Das ist Darmin, der Bruder von Gorden und Simon.", erklärte mir Shane: ,,Er verbringt in letzter Zeit viel Zeit in Wolfsgestalt, er sieht aber seinen Brüdern relativ ähnlich."
Ich nickte nur wieder.     
Bis auf Shane blieben alle erstmal hier am Rand stehen.
Dieser jedoch machte sich zur Mitte auf.
,,Hey Darmin."
Der Werwolf gähnte und erhob  sich aus dem Gras.
Oh man die waren als Wölfe wirklich groß und auch die Zähne waren nicht zu verachten, soweit ich sie jedenfalls gesehen hatte.
Der Wolf starrte an Darmin vorbei und sah mit hoher Wahrscheinlichkeit zu mir.
Er brummte, knurrte vielleicht auch.
Ich konnte es kaum hören.
,,Enya hatte heute keinen wirklichen schönen ersten Tag hier und wir wollten uns das so nicht weiter mit angucken.", sagte Shane nur zu diesem.
Augenblicklich war der Wolf leise.
Er schien immer noch etwas skeptisch.
Mit einer flüssigen Bewegungen stand der Wolf komplett auf und kam ein paar Schritte in unserer Richtung.

Ich wäre am liebsten weggerannt.
Doch hatte Shane mir ja deutlich gemacht, dass das eine ziemlich dumme Idee wäre.
Mein Herz schlug aber umso mehr in meiner Brust.
,,Das reicht Darmin! Sie ist Werwölfe in Gestalte noch nicht gewöhnt.", mischte sich Ray ein und trat neben mich.
Der Wolf entblößte kurz die seine Zähne, wandte sich dann wieder ab und legte sich zurück ins Grass.
Ein Blick zu Ray verriet mir, dass dieser nur die Augen verdrehte.
,,Mach dir nichts draus. Darmin ist eigen und braucht etwas um warm zu werden. Und du brauchst eben Zeit um mit uns Werwölfen warm zu werden. Das ist normal, sogar gesund. Immerhin sind wir die großen bösen Raubtiere hier, die ungeschlagene Spitze der Nahrungskette.", sagte er nur und deutete mir ihm zum Rand der Lichtung zu folgen.

Wolfsseele - Die gestohlene GefährtinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt