03| Meine persönliche Mary Poppins

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Everybody Loves Me
OneRepublic

Percy

Unauffällig spähte ich über meine Zeitung hinweg zu Sam. Seit zwei Wochen war er nun mein Assistent, aber ich war mir ziemlich sicher, dass Dad ihn in irgendeinem Labor für mich gezüchtet hatte. Seit unserem ersten Gespräch hatte ich ihn eingehend beobachtet und ich habe das Gefühl, er würde einen stillen Krieg gegen mich führen. Naja, eher gegen mein Büro. Am ersten Morgen nach seiner Beförderung, dachte ich zuerst ich wäre im flachen Raum, als ich es betrat. Ich wusste nicht, wann er es getan hatte, oder wie, aber mein komplettes Büro war aufgeräumt gewesen. Nein nicht nur aufgeräumt- blitzblank geschrubbt! Selbst meine Bleistifte waren angespitzt gewesen. Es war fast schon gruselig.

Ich realisierte schnell, dass es keinen Sinn hatte ihn los zu werden. Dieser Mann schien einzig diesen Job zu atmen, zu schlafen und zu leben. Es war, als kannte er nichts anderes. Als würde man ihm am Ende des Tages den Stecker ziehen um ihn hier Nachts in den Schrank zu stellen.

Dass hatte mich nur noch neugieriger werden lassen. Im Verlauf der letzten Tage hatte ich einiges über Cortez herausgefunden: er ordnete alles nach Farben. Und wenn ich alles sage, meine ich alles. Er schien nicht viel zu reden, aber wenn, dann schaffte er es immer mich höflich zu beleidigen. Er trug immer die selbe Reihenfolge an Krawatten: Montags war sie blau, dann rot, Mittwochs gestreift, und so weiter. Und dann war auch noch die Tatsache, dass er sich von Grund auf weigerte, mich Percy zu nennen. Ich fand es generell schräg, wenn die Menschen mit denen ich arbeitete mich Sir nannten, doch bei Cortez störte es mich besonders.

Ich beobachtete verstohlen, wie er die Fenster öffnete und die kalte Herbstluft hineinließ. Selbst sein Äußeres war penibel genau. Sein Anzug hatte nicht eine Falte und seine schwarzen Haare waren immer ordentlich nach hinten gekämmt. Ich war mir sicher, dass er eine Heldenreise nach Mordor zurücklegen könnte, und sein Kragen würde immer noch sitzen. Einzig sein balbo Bart zierte sein Gesicht und selbst der, schien präzise genau. Es war faszinierend.

Schnell sah ich wieder auf meine Zeitung, als Sam sich vom Fenster löste und nun mich ansteuerte. »Die Akten, Sir.« Ich spähte hinab auf das Papier. Farblich geordnet. Wie auch sonst. Ein Lächeln entkam mir, »Sei ehrlich, Cortez. Du bist insgeheim meine persönliche Mary Poppins, nicht wahr?« Er sah mich an, als hätte er mich gar nicht gehört. »Fehlt nur noch ein grandioser Auftritt mit einem Regenschirm. Vielleicht sollte ich-« Cortez wandte den Blick ab und ich brach ab. Genervt legte ich die Zeitung zusammen. »Wird dir für jedes Wort, das du sprichst Gehalt abgezogen, oder so was?« Er bewegte nicht mal einen Muskel. »Himmel, Cortez. Haben sie vergessen dir Humor ins' System zu programmieren?«

Er seufzte, was schrecklich enttäuscht klang und ich hatte das Bedürfnis mich zu erheben. »Wenn es weiter nichts gibt, Sir, werde ich-«
»Einen Kaffee«, murmelte ich und zog die Akten zu mir. »Schwarz, bitte. Ich bin kein-«
»Ich könnte Ihnen bereits morgen einen Termin beim Physiotherapeuten besorgen, falls es sehr schmerzhaft ist.« Verwirrt blinzelte ich zu ihm auf. »Wie Bitte? Wie kommst du-?« Sam legte den Kopf schief, ließ seinen Blick nach unten wandern. »Na, es muss Ihren Beinen wahrlich schlecht gehen, wenn sie es nicht mal mehr bis hinaus zur Kaffeemaschine schaffen.« Ich starrte ihn mit offenem Mund an, verarbeitete seine Worte, bis mir ein Glucksen entkam.

»Nein«, lachte ich und lehnte mich zurück in meinem Stuhl, fuhr mir über mein Kinn. »Sag mir nicht, dass Samuel Cortez gerade so etwas wie einen Witz gemacht hat!« Sein Kiefer verspannte und ich unterdrückte ein weiteres auflachen. Dieser Kerl wurde ja immer besser. »Natürlich nicht, Sir. Dies ist kein Ort für Scherze.«, schoss er zurück und ich fühlte mich wieder wie ein aufgeregter Schuljunge, der gerade einen Freund gefunden hatte. Grinsend lehnte ich mich vor, »Was ist dein Job hier, Sam?«

Cortez drückte den Rücken durch, seine braunen Augen wurden zu Schlitzen, »Ich bin nicht Ihr Sekretär!« Ich faltete zufrieden meine Hände zusammen. »Das ist mir bewusst. Ich will wissen, was du hier versuchst zu erreichen.« Sichtlich unwohl blickte er auf seine Armbanduhr. Ich schnalzte mit der Zunge. »Wir haben keine Termine. Beantworte meine Frage.« Sam sah mich an, eisig, genervt, ich konnte es in seinen ausdruckslosen Zügen nicht erkennen. »Mister Moreau-«
»Percy
»Ich bin hier, um Ihnen zu helfen den Posten des Geschäftsführers zu übernehmen."
»Falsch, nochmal.«

Sam schwieg für eine Sekunde, setzte dann aber erneut an. »Ich bin hier, weil Ihr Vater der Meinung ist, dass Sie zu verantwortungslos und naiv sind um seine Firma zu übernehmen.« Ich lächelte, »Da haben wir's. Und was ist mit dir, Cortez? Denkst du genauso? Bin ich zu naiv?« Er schwieg und ich lachte auf. »Was? Die letzten Wochen konntest du mich mich ohne Probleme in die Pfanne hauen, doch nun fehlen dir die Worte?« Der Mann zuckte kaum merklich zusammen. »Falls ich Sie in irgendeiner Weise beleid-« Ich erhob mich und er verstummte. »Weißt du, dass du nicht der erste Assistent bist, denn mein Vater mir an die Seite hängen will?« Er schwieg und ich schnaubte. Dad kam mindestens einmal im Monat an und versuchte mich zu jemandem zu machen, der ein bisschen mehr wie er war. Ich sah zu dem jungen Mann vor mir. Sam arbeitete wahrscheinlich seit Jahren an der Seite meines Vaters und ich wettete, dass dieser bereits vergessen hatte, wie sein treuer Assistent mit Vornamen hieß. Ich fuhr mir müde über die Stirn.

»Weißt du, warum ich dich nicht schon am ersten Tag wieder davon gejagt habe?« Sam schwieg, wartete auf meine Antwort. »Du hast mich bereits bei unserem ersten Gespräch beleidigt.« Zum ersten Mal seitdem wir uns kannten, trat eine deutliche Emotion auf seine Züge. Verwirrung. »Seitdem mein Vater verkündet hat, dass ich vielleicht den Posten übernehme, höre ich nichts anderes als scheinheilige Schleimerei. Aber du...«, ich lachte auf.

»Ich denke, dass wir in Zukunft gut zusammen arbeiten werden. Also lassen wir doch diese feindlichen Fronten.«, ich streckte ihm entgegenkommend die Hand aus, erwartete dass er sie schüttelte. Stattdessen sah er skeptisch auf sie hinab. »Sie sind unordentlich.«, begann er. »Ich weiß.«
»Sehr unordentlich.«
»Mhm.«
»Ich bin kein Fan von Ihrem Humor.«
»Tatsächlich?«
»Und ich bin auch kein Mann von Smalltalk und ich werde nur mit Ihnen reden wenn es nötig ist.« Mein Grinsen wurde immer breiter, »Ich bitte darum.« Er atmete tief ein, »Und ich werde Sie niemals, niemals, duzen oder sie beim Vornamen ansprechen.«, stellte er fest und ich hob überrascht die Augenbrauen. »Warum? Zerfällst du sonst zu Staub?« Ein ernstes Nicken. »Höchstwahrscheinlich.«

Sam beugte weiterhin meine, immer noch ausgestreckte, Hand. »Aber ich werde dafür sorgen, dass sie Geschäftsführer werden. Darauf gebe ich mein Wort.« Zögerlich hob er seine Hand und ich hielt die Luft an. Er schüttelte meine Hand mit genau dem perfekten Händedruck, den ich auch von ihm erwartet habe. Ich sah auf unsere Hände hinab, bevor ich wieder seinem Blick begegnete. »Wenn du mich jetzt noch beleidigst, werte ich das hier als einen Heiratsantrag.« Er ließ meine Hand los und verdrehte die Augen. »Moreau-«
»Cortez.«, unterbrach ich und er presste die Lippen zusammen. »Ich werde das hier sowas von bereuen, nicht wahr?«

Ich ließ mich in den Stuhl zurück sinken, auf einmal völlig unruhig. »Oh, sowas von.« Kopfschüttelnd drehte er sich zu Tür. »Ach, Sam! Was denn Kaffee angeht-« Er drehte sich nicht um, als er mich energisch unterbrach: »Der Tag an dem ich Ihnen einen Kaffee bringe, ist der, an dem ich kündige

Vor mich hin lachend, beobachtete ich, wie er mein Büro verließ. »Ich freue mich auf unsere zukünftige Kooperation!«

Not your Secretary! [BxB]Where stories live. Discover now