46| Das Richtige

2.2K 265 18
                                    

exile (feat. Bon Iver)
Taylor Swift, Bon Iver

Percy

Mein Glas war leer, doch ich stand immer noch auf dem Balkon unseres Apartments. Die Aussicht war von dieser Höhe atemberaubend, doch sie konnte mit der von Sam's Schuhkarton absolut nicht mithalten. Lancelot war schon vor einer Weile verschwunden, und hatte mich mit meinen Gedanken allein gelassen.

Es schien einer dieser Nächte zu sein, in der mich mein eigener Kopf nicht zur Ruhe kommen lies. Eine dieser Nächte in denen man die Antworten in den falschen Flaschen suchte. Mir war bewusst, dass ich in meinem Alter, in meiner Postion, wahrscheinlich mehr Plan von meinem Leben haben sollte. Doch wenn ich ehrlich war, wusste ich die meiste Zeit nicht wirklich was ich tat. Vielleicht war das einer der Gründe warum ich laut meinem Vater immer noch benahm wie ein kleines Kind. Ich schmunzelte in das leere Glas. Wenn man nie die Chance hatte, wirklich Kind zu sein, kann wohl auch nie wirklich erwachsen werden.

»Dad?« Schlaftrunken tapste Darcy zu mir hinaus auf den Balkon. »Hey, Darce.« ich fuhr ihr über die Haare, als sie sich neben mich an das Geländer lehnte. »Was machst du denn noch wach?« sie zuckte mit den Schultern, rieb sich die Augen, »Konnte nicht schlafen.« Verstehend nickte ich. Also war ich nicht der einzige, der keine Ruhe zu finden schien.

Wir schwiegen eine Weile, bis ich erneut das Wort ergriff. »Hey, Darce?«
»Hm?« Zögerlich sah ich zu ihr hinab. »Es tut mir leid.« Fragend legte sie den Kopf schief, »Was meinst du?«
»Das es immer nur wir zwei sind.«, murmelte ich, wahrscheinlich zu betrunken, als das eine zwölfjährige die Schuld in diesen Worten verstand. Ich presste die Lippen zusammen. Ich wünschte ich könnte Darcy mehr bieten, als diesen verplanten Vater, der ständig das Falsche zu tun schien.

Darcy lehnte sich gegen mich, »Ist schon okay.« Ich starrte zu ihr hinab, sah zu meinem Mädchen. »Wirklich?« Vor Müdigkeit gähnend, nickte sie, »Wirklich.«

Ich lächelte schwach und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel, bevor ich uns beide ins Warme brachte. Und tatsächlich schien es so, als wäre das alles gewesen, was ich in jener Nacht gebraucht hatte um endlich Ruhe zu finden.

•••

Sam

Zum tausendesten Mal band ich meine Krawatte neu. Egal was ich tat, es schien nie richtig zu sitzen. Ich zog das eine Stück Stoff über das andere, zog es durch den Bund. Ich hatte Percy geküsst. Dann das eine Ende durch die Schlaufe. Zurecht ziehen. Geküsst einfach so. Und fertig. Ich betrachte mich im Spiegel der öffentlichen Toiletten der Firma. Ich hatte meinen Boss geküsst. Sie saß immer noch schief.

Aufstöhnend fuhr ich mir durch die Haare, bevor ich meine Arme auf das Waschbecken stützte. Ich war verrückt geworden. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Das war sexuelle Belästigung! Ich hatte einem Vorgesetzten einfach meine Lippen aufgezwungen! Ich sollte sofort kündigen, mich der Personalabteilung ausliefern - Nein, lieber gleich der Polizei! Ich war ja so am Ar- »Hey, Sam.« Taro war neben mir aufgetaucht. Gerade dabei sich die Hände zu waschen, warf er mir durch den Spiegel immer wieder besorgte Blicke zu. »Alles okay?« Nein, nichts war okay. Ich nickte zögerlich, und richtete mich auf.

»Ist nur in letzter Zeit viel Arbeit.« Sagte ich, auch wenn das nur teilweise meine Verfassung erklärte. Taro nickte verstehend, »Seit du für Moreau arbeitetest, scheinst du in Arbeit zu versinken. Es ist gut, dass du eine Beförderung bekommen hast, aber du solltest mehr auf dich selbst achten.« Er nickte mir aufmunternd zu, bevor er seine Hände trocknete und die Toilette verlies, »Deine Gesundheit geht vor.«

Eine Weile starrte ich mich selbst im Spiegel an. Taro hat recht. Ich sollte das schnell mit Percy klären, bevor mein Zustand sich verschlimmerte. Das hier durfte nicht meine Arbeit beeinträchtigen. Nicht jetzt, wo wir schon so lange dafür schuften. Nicht jetzt, wo Percival Moreau in Führung liegt. Es war nicht nur mein Job dafür zu sorgen, ich hatte auch mehreren Leuten versprochen, dass ich dafür sorgen würde, dass er Geschäftsführer wird. Das hieß keine Ablenkungen mehr. Ich zerrte an meiner Krawatte. Keine Gefühle mehr.

Ich hatte einen Job zu erledigen.

•••

Ich drückte den Rücken durch, als ich das Büro betrat, das mir in den letzten Monaten so vertraut geworden ist. Percy saß bereits an seinem Schreibtisch, wie jeden Montagmorgen. Seine Krawatte schief, seine Hemdsärmel hochgerrollt und seine Haare nach hinten gebunden. Er hob den Kopf, als er die Tür hörte. Unser Blicke fanden sich und Percy erhob sich ruckartig von seinem Stuhl, »Sam.« Ich nickte ihn zur Begrüßung zu, während ich den Raum durchquerte.

Mein Puls raste, aber wenn ich eins in den letzten Jahren gelernt habe, dann wie man ein neutrales Gesicht warte. Ich reichte ihm die Akten wie jeden morgen, bereit die nächsten Termine durchzugehen, doch als er mir sie abnahm, verlies kein Wort meine Lippen. Stumm starrten wir uns an. Ich hatte ihn geküsst. Noch vor wenigen Stunden, hatte ich ihn gegen ein Regal gedrückt und- »Wir müssen reden.« sagte er und ich räusperte mich nickend. Und wie wir das mussten.

»Ich-«, begann er, doch da brach es bereits aus mir heraus. »Ich bitte um Entschuldigung. Was gestern vorgefallen ist, war absolut Fehl am Platz und wenn ich dich damit irgendwie in eine unangenehme Situation gebracht habe, kann ich auch um eine Versetzung bitten um-«
»Versetzung?«, fiel er mir ins Wort und ich hob meinen Blick. Percy fuhr sich durch die Haare, löste damit seinen Zopf und befreite seine Strähnen. »Dass hatten wir doch schon mal. Du gehst nirgendwo hin, Cortez.« Mein Mund klappte zu.

Seufzend stützte er seine Arme auf die Tischplatte. »Ich glaube wir sind uns Beide einig, dass sich Gestern nicht wiederholen darf.« Zustimmend nickte ich. »Niemals
»Wie dir sicherlich bewusst ist, ist es hier nicht angebracht, ein derartiges Verhältnis mit seinen Kollegen zu führen.«
»Absolut verständlich.«
»Deswegen würde ich vorschlagen, wir vergessen diesen Vorfall und tun so als wäre nie irgendwas passiert.« Ich drückte den Rücken durch. Das war die beste Lösung. »Einverstanden.« Percy sah mich an, »Du bist ein guter Freund, Sam. Und ein noch besserer Mitarbeiter. Deswegen sollte das hier«, er deutete zwischen uns hin und her, »niemals darüber hinausgehen.«

Ich nickte, »Ich bin ganz deiner Meinung.«

Stille legte sich über das Büro. Damit war eigentlich alles geklärt: es war ein Ausrutscher, der sich nicht wiederholen würde. Dennoch schien es, als wäre etwas noch nicht ausgesprochen worden.

Eine Unruhe hatte sich unter meine Haut geschlichen, die schrecklich zu kratzen schien. Als die Stille einen Ticken zu lang wurde, streckte Percy seine Hand aus, »Auf eine professionelle Zukunft.« Ich starrte hinab auf seine Hand, ausgestreckt über den schweren Holztisch hinweg. Zögerlich ergriff ich sie, »Auf eine professionelle Zukunft.«

Percy's Mundwinkel zuckten, doch es schien zu schwach für ein Lächeln. Ich sah wieder hinab auf unsere Hände und schien erst dann zu realisieren, dass ich sie immer noch hielt. 3 Sekunden zu lang für ein normales Händeschütteln. Ich ließ ihn los. Räuspernd verschränkte ich meine Hände hinter meinem Rücken, konnte das Kribbeln nicht ignorieren, genau da, wo unsere Finger sich berührt hatten.

»Vielleicht«, begann ich, meine Stimme so rau, dass ich mich erneut räusperte, »Vielleicht sollten wir auf Körperkontakt verzichten.« Percy presste seine Lippen zusammen. »Fürs erste.«, warf ich hinter her und er nickte.

»Natürlich.« So war es besser für alle. Zögerlich begann ich mit dem Bericht für den heutigen Tag.

Not your Secretary! [BxB]Where stories live. Discover now