17| Die Rolle eines Vaters

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Deep End
Birdy

Sam

»Ich hätte mir beinahe in die Hosen gemacht!«, lachte Darcy. »Hat man dir nicht angesehen. Es war, als würdest du das jeden Tag machen.« Die Menschen strömten zusammen mit ihren Kindern die Treppen der Akademie nach unten. Die Vorstellung war vor einiger Zeit geendet, und die Luft war voll mit Stolz und Erschöpfung. Und mitten unter diesem Strom, der in die Nacht hinaustrat waren auch wir. Percy hatte Darcy Huckepack genommen, und hörte lächelnd dem aufgeregten Gebrabbel zu, mit dem uns Miss Darcy nach der Vorstellung begrüßt hatte.

Die Winterluft stach auf meiner Haut, als ich für einen Moment den Kopf in den Nacken legte und in die Dunkelheit hinauf sah. Es war einer dieser Nächte in denen der Mond ein wenig schöner war als sonst. Ein wenig heller. »Sam?«, fragte Darcy und ich merkte, dass die Beiden in der Menge stehen geblieben waren um auf mich zu warten. »Kommst du?« Schnell holte ich auf. »Bin schon da.«

Ich folgte den Beiden, blieb aber immer einen Schritt hinter ihnen. Ich beobachtete sie verstohlen; Darcys Augen waren voll mit Adrenalin und Euphorie, während Percy lächelnd jedem Wort lauschte, als wäre es das interessanteste, dass er jemals gehört hatte. Es war ein seltsamer Anblick. Nicht in dem Sinne, dass etwas nicht stimmte. Eher im Gegenteil. Alles daran fühlte sich so ... gut an, dass es mich auf eine Art und Weise tief erschütterte.

Sie waren eine Familie.

»Was meinst du, Sam?«, Darcy riss mich aus meinen Gedanken und ich sah auf. Entschuldigend kratzte ich mich am Hinterkopf. Ich hatte nicht zugehört. »Ich und Dad holen uns jetzt was noch zum Essen.«, klärte sie mich auf. Ihr Grinsen wurde breiter, »Junkfood. Kommst du mit?« Ich sah zwischen den Beiden hin und her, begegnete ihren fragenden Blicken. Sie wollten dass ich mitkomme? Ein seltsam kalter Schwall drückte mir die Luft aus den Lungen, doch vielleicht war es auch nur der Novemberwind. Ich sollte absagen. Ich war sein Assistent und das hier war eine Angelegenheit die über den Job hinausging. Ich schüttele den Kopf; »Ich weiß nicht, ich muss Morgen früh raus und-« Darcy sprang vom Rücken ihres Vaters und griff nach meinem Ärmel, zog mich die letzten Schritte zu ihnen vor.

»Ich glaube nicht, dass es deinen Boss stören würde, wenn du mal ein bisschen später kommst.«, sie wandte sich zu ihrem Vater, der auf sie hinab sah, als hätte er nichts anderes von ihr erwartet. »Nicht wahr, Dad? Und außerdem ...«, verschwörerisch sah sie zu mir auf. »Ich kann dafür sorgen, dass Dad noch später erscheint als du, dann fällt es sowieso niemanden auf.«
»Darcy.«
»Was denn?«, schnaubte sie. »Ist doch wahr!«

Hibbelig zerrte sie an meinem Jacket, »Sag nicht nein!«, forderte sie und ich war mir sicher, dass der Teufel sich noch einiges bei diesem Mädchen abschauen konnte. Seufzend sah ich zu Percy und unsere Blicke trafen sich über den Schotter unter unseren Füßen hinweg, »Wenn es für Sie okay ist, Sir, dann-«
»Du bist bei uns immer Willkommen, Cortez.«

•••

Wir saßen am Bordstein. Wir: ich und Darcy, da Percy darauf bestanden hat, das Auto zu holen, das wegen unserer Verspätung viel zu weit weg für Darcy's müde Beine geparkt war.

»Danke,« durchbrach das Mädchen das Schweigen zwischen uns und ich sah sie fragend zu ihr hinüber. Ihr Füße scharrten gedankenverloren im Schotter, während ihr Kopf auf ihrer Sporttasche ruhte. »Für was?« Ihr Blick wanderte zu der leuchtenden Skyline empor, »Ich weiß, dass du der Grund bist, warum er kommen konnte.« Ich verzog die Stirn. »Dein Vater-«
»Du hast ihn aus diesem Meeting geholt, hab' ich Recht?«, meinte sie und ich starrte sie verwirrt an. Wie ...? »Woher weißt du das?«

Sie lachte, als wäre ich der 12 Jährige von uns beiden. »Ich kenne Dad. Er versucht immer das Richtige zu tun.« Sie seufzte, als wäre das seine schlechteste Angewohnheit. »Für ihn heißt das den Verantwortungsvollen zu spielen. Das zu sein, was alle von ihm erwarten.«, sie zuckte mit den Schultern und das Adrenalin schien sie langsam zu verlassen. Sie wirkte auf einmal völlig erschöpft. »Dabei kommt Dad manchmal zukurz.«

Etwas seltsam schweres legte sich auf meine Schultern. Erst nach ein paar Momenten erkannte ich es als eine vertraute neugefundene Schuld. In gewisser Weise war ich auch ein Grund, warum Darcy ihren Vater vermisste. Schließlich war mein einziger Zweck, ihn ihr noch ein wenig mehr zu nehmen. Ich war dafür da, sein Chaos auszugleichen. Ihn nur noch mehr in die Arbeit zu involvieren. Nur hatte ich zuvor nicht gewusst, woher dieses Chaos stammte. Wie sehr er versuchte beides zu sein - Boss und Dad- während er im selben Moment keins von voll und ganz sein konnte.

Ich stieß die Luft aus meinen Lungen.

»Es tut mir leid.«, murmelte ich und ich wusste nicht, ob sie verstand. Doch alles sie von ihren verdreckten Sneakern zu mir aufsah, wusste ich, dass sie es tat. »Das muss es nicht. Ich bin froh das er dich hat.« Sie stieß mit ihrer Schulter gegen meine. »Tatsächlich?«
»Tatsächlich.«, bestätigte sie und fuhr sich ein paar Strähnen hinter die Ohren, die sich aus ihrem Dutt gelöst hatten. »Ich will, dass er diesen Job bekommt. Er muss Geschäftsführer werden.« Ich legte fragend den Kopf schief, hatte das nicht erwartet. Darcy schnaubte, als würde sie diese Haltung selbst überraschen. »Er ist mein Dad. Ich will dass er erfolgreich ist und das alles. Es wäre eine Schande, wenn er das meinetwegen nicht könnte.« Erschrocken sah ich zu ihr hinab. Dachte sie etwa, dass sie ihn an etwas hinderte? »Er ist dein Vater, Valiente«
»Und wir bisher kommen auch so super zurecht. Ja, manchmal ist es Mist, aber ... Ich meine, ihr seid hier, oder nicht? Er bleibt mein Dad, auch als Geschäftsführer.« Zögernd stieß ich mit meiner Schulter zurück, fragte so stumm nach der Wahrheit. Ihr entkam ein Kichern, »Wirklich!« Sie zögerte, bevor sie sich zu mir wandte: »Versprich mir, dass du dafür sorgst, dass er das nicht hinschmeißt.« Ihr Blick fand meinen und ich nickte, bevor ich es überhaupt realisierte. »Versprich mir, dass er Geschäftsführer wird.«

Ich wusste schon lange, dass es kein zurück mehr geben wird, doch an diesem Tag schien ich etwas mit mir selbst zu besiegeln. Ich löste mich von der letzten Sicherung. Ich lächelte Darcy an, »Ich geb' mein Bestes.« Ich gebe alles was ich habe.

Sie nickte mir zu und wir schwiegen erneut, sahen beide hinweg zu der Skyline der Stadt, die sich über uns erstreckte.

Das quietschen der Reifen forderte unsere Aufmerksamkeit und ich entdeckte Percys Grinsen, als er das Fenster hinunterfuhr.

»Hat jemand Bock auf Chicken Nuggets?«

Not your Secretary! [BxB]Where stories live. Discover now