16| Das Ballet

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Anything Can Happen
Tors

Sam

Ich rannte. Meine Hand lag immer noch fest umschlossen um sein Handgelenk, als ich ihn mit mir zog. Unsere Schritte, hallten wie Trommeln von den Wände. Die Gänge der Akademie waren bereits abgedunkelt und keine Seele war mehr zu sehen. Die meisten Eltern hatten sich bereits auf ihre Plätze begeben. Nur wir. Wir rannten.

Ich hatte auf dem Weg hierher bestimmt mehrere Male beinahe meinen Führerschein verloren, doch ich hatte diesen elendigen Wagen dennoch unbeschadet an sein Ziel gebracht. Ob ich über meine Lungen am Ende dieses Abends das selbe sagen kann, bezweifelte ich. Ich hörte Percy's keuchende Atemzüge und sah besorgt über meine Schulter. Seine Wangen leuchteten in einem hitzigen Rotton und seine Brust hob sich ungesund schnell, aber sein Blick...

Wir schlitterten praktisch um die Ecke, bis wir vor den geschlossenen Türen zum stehen kamen. Bevor wir den Saal betraten, teilten wir beide einen stummen Blick, versuchten unsere Äußeres einigermaßen wieder vorzeigbar zu machen. Richteten unsere Krawatten, unsere Atmung. Percy strich sich seine Haare glatt, versuchte sie zubändigen, was ihm beim besten Willen nicht zu gelingen schien. Strähnen wie aus God flogen praktisch in alle Richtungen, »Fuck, diese beschissenen Haa-« Stumm reichte ich ihm den Haargummi, der um mein Handgelenk lag. Seine Augen weiteten sich, als er ihn entgegen nahm. »Warum hast du so etwas? Deine Haare sind nicht lang genug, um-« Ich öffnete die Tür und betrat, den noch vor Gesprächen summenden, Saal.

Gott sei dank - wir kamen gerade noch pünktlich. Ich schritt mit schnellen Schritten durch den Mittelgang auf der Suche nach freien Plätzen. Reihe um Reihe, ließ ich meinen Blick wandern. Sie waren schneller gefunden, als gedach, da es praktisch die Letzten waren. Und das auch noch fast ganz vorne. Mit einer Entschuldigung auf den Lippen, quetschte ich mich an den bereits sitzenden Eltern vorbei, bis ich in der Mitte der dritten Reihe innehielt. Stockend blieb ich stehen, was dafür sorgte, dass Percy praktisch in meinen Rücken krachte. Fragend sah er mich an, bevor sein Blick meinem auf die reservierten Stühle folgte - oder eher auf die Namenskärtchen die darauf sauber platziert waren. Ich hörte wie er hinter mir überrascht die Luft einzog.

Mr. Moreau. Und daneben ... Mr. Cortez.

Fragend sah ich zu Percival, doch dieser hob genauso ahnungslos die Schultern. Darcy hatte mir auch einen Stuhl reserviert? Ich sah zu dem roten Vorhang, der noch den Blick auf die Bühne verschleierte. Wusste sie etwa, dass wir kommen würden?

•••

»Hey«, Percy lehnte sich wispernd zu mir hinüber. »Um was geht es in diesem Stück eigentlich?« Überrascht sah ich von dem Programmheft auf. »Sie wissen nicht um was es in „Der Nussknacker" geht?« Er lehnte sich zurück, blätterte in der Broschüre ohne sie wirklich zu lesen. »Ich bin nicht wirklich ein Fan vom Ballet.« Mit einem Hauch von Entsetzten sah ich ihn an, »Das ist einer der bekanntesten Stücke der Welt! Wenigstens die Story-?« Schmunzelnd schüttelte er den Kopf, »Wenn du deswegen schon so entsetzt bist, warte bis ich dir erzähle, dass ich noch nie Star Wars gesehen habe.» Ich holte Luft, »Sie haben noch nie -?!« Das Licht erloscht und Percival hatte die Frechheit mich zu schuschen.

Die ersten Tänzer betraten in ihren Kostümen die Bühne und die Musik setzte ein. Überascht hielt ich inne. Ich wusste, dass Darcy eine renommierte Tanzakademie besuchte, dennoch hatte ich bei einer Aufführung von Kindern eher an etwas wie eine Schuhlaufführung gedacht. Doch diese Kostüme, dieses Bühnenbild! Es war ...

Grandios.

Warmer Atem streifte meinen Nacken, »Was erwartet mich nun? Drachen?« Ich sah überrascht zu Percy. Er hatte sich flüsternd zu mir hinüber gelehnt, sah mit diesem einen bestimmten Lächeln zu mir auf. »Aliens?« Ich setzte zu einer Erklärung an, als ich aus den Augenwinkeln eine bekannte Silhoutte auf der Bühne entdeckte. Hastig schlug ich ihn mit dem Programmheft, gegen die Schulter, lenkte seine Aufmerksamkeit auf das Wesentliche. »Sehen Sie es sich einfach an.« Darcy sah bezaubernd aus, »Sie werden es lieben.«

Percy

Sam hatte recht. Ich liebte es. Ich hatte sie schon oft tanzen gesehen. Wie sie Abends durch die Küche hüpfte, oder vor dem Training, wenn sie sich im Wohnzimmer aufwärmte. Aber so ... Sie tanzte als Klara über die Bühne, als würde sie fliegen. Mir war klar, dass sie talentiert war, schließlich war sie meine Tochter, doch in diesem Moment wollte ich diese ganze Akademie kaufen, so dass sie für immer so tanzen konnte. Es war nicht die Art wie sie die Bühne betrat, oder wie absolut brilliant meine Tochter war - Nein - es war ihr Lächeln.

Darcy strahlte und zum ersten Mal verstand ich die Bedeutung von wahrer Kunst.

Ich spähte zu Sam, wollte ihn irgendwas fragen, doch meine Worte verschwanden, als ich ihn sah. Mir war bewusst, dass er etwas von Kultur verstand. Er kannte sich mit Opern und klassischer Musik aus, er führte Smalltalk über Künstler aus allen Epochen, über Kunstwerke aus alter Zeit, von denen ich noch nie gehört hatte. Deswegen überaschte es mich nicht, dass er auch ein Gefühl für das Ballet hatte.

Ich hatte gehofft, dass es ihm gefallen würde. Aber sein Blick verriet mir, das gefallen dem nicht gerecht wurde. Samuels schwarzen Haare glänzten im blauen Licht der Scheinwerfer. Sein Blick lag im dunkeln der Schatten, dennoch schien ich ihn klarer zusehen als sonst. Ich hatte nie realisiert...

Blinzelnd sah ich wieder zurück zur Bühne.

Sam

Ich wusste, dass ich das Richtige tat, als ich in dieses Meeting geplatzt bin. In all den Jahren, habe ich mich immer an die Regeln gehalten, bin nie zu spät gekommen, habe nie einen Tag gefehlt. Ich ließ keinen einzigen Makel zu. Doch als ich vor ein paar Augenblicken in diesen Raum gestürmt bin, Menschen - wichtigen Leuten, wichtiger als ich jemals sein werde - schamlos ins Gesicht log um dann durch halb New York zu rasen, fühlte ich kein Stück Reue. Nicht eine einzige Sekunde.

Und jetzt, wusste ich auch warum.

Der zweite Akt lief bereits, doch ich sah nicht hin. Mein Blick hing neben mir. Vielleicht lag es an dem Licht, aber seine Augen schienen zu strahlen. Zu Leuchten. Ein Funkeln, als würde er das Leben selbst erblicken. Mein Mund war schrecklich trocken, dennoch konnte ich nicht weg sehen. Seine Lippen standen einen Spalt offen, ein ehrfürchtiges Lächeln auf den Lippen.

Ich wollte wissen, wie es sich anfühlte. Dieser Blick. Wie direkt aus einem Barock Gemälde. Ein Anblick, so perfekt im Bild, als wäre er einzig erschaffen worden, um betrachtet zu werden.

Bewundert.

Vielleicht lag es an der Dunkelheit in diesem Saal, oder an der Tatsache, dass niemand in diesem Moment zu mir sehen würde, aber ich erlaubte mir zu lächeln.

Ich liebte das Ballet.

Not your Secretary! [BxB]Où les histoires vivent. Découvrez maintenant