85| Eintopf und andere Tatsachen

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worse than down
Alexa Valentino

Percy

»Alles okay, Dad?« Darcy schwang sich auf den Küchenstuhl mir gegenüber, stütze ihren Kopf auf die Tischplatte. »Hm? Ja, alles ok.«, seufzte ich und schlug die nächste Akte auf, während sie mich dabei beobachtete. Ich spürte, wie ihr Blick mich durchbohrte, als versuchte sie mich zu entschlüsseln. Wenn sie nur die gleiche Energie für ihre Mathehausaufgaben aufbringen würde...

Als würde ich sie nicht bemerken, widmete ich mich auf einmal sehr vertieft meiner Arbeit. Dad war heute Morgen außer sich gewesen, als ich wieder im Büro erschien. Denn nicht nur habe ich seiner Meinung nach dafür gesorgt, dass einer seiner besten Leute gekündigt hat, sondern war auch noch den kompletten ersten Tag als neuer Boss wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Ich hatte ihm keine Erklärung gegeben, wo ich war, und war einfach wieder an die Arbeit gegangen. Ich wusste nicht, was ich auch sonst noch mit mir anfangen sollte.

Doch wenn mir damals die Arbeit monoton und anstrengend vorkam, war sie jetzt kaum aufzuhalten. Zudem kam noch die Tatsache, dass ich jedes Mal auf schreckte, wie ein Zuhause gelassener Hund, wenn die Tür zu meinem Büro aufging. Doch es war nie die Person, auf die ich eigentlich zu warten schien.

Ich hatte mit Sam seit Gestern nicht mehr geredet. Ich wusste nicht, wo er jetzt war, wo er arbeitete oder wie es ihm ging. Ich hatte mich schon mehrmals zurückhalten müssen, ihn nicht anzurufen. Er hatte mir gesagt, was er von mir hielt, ich würde ihm nicht auch noch die Blöße geben, ihm hinterherzujagen, wie eine verdammte Jungfrau in Nöten. Ich ... Ich würde das irgendwie hinbekommen.

Die eine Sache, die ich nicht hinbekam, war meine Tochter über meinen Beziehungsstatus zu informieren. Den ganzen Nachmittag versuchte ich schon die richtigen Worte zu finden. Aber... Ich vergrub, eine Hand in meinen Haaren. Ich brachte es einfach nicht über mich. »Ich dachte, die Arbeit wird weniger.« warf sie ein und ich sah auf. »Hm?«
»Die Firma gehört dir doch jetzt, oder nicht? Kannst du diese Aufgaben jetzt nicht einfach weitergeben?« Neugierig späte sie mir in einen Bericht. »Schön wärs«, murmelte ich.

»Genug jetzt mit dem Arbeiten!«, grinste Milena und stellte einen Teller direkt auf die Papiere. Fluchend sammelte ich sie zusammen, während sie weiter den Tisch deckte. Milena war auf die glorreiche Idee gekommen für uns zu kochen - ein Familienessen laut ihr. Sie meinte, es wäre ein guter Anlass, mal zusammen zu sitzen. Stolz stellte sie einen Topf in die Mitte des Tisches und ich und Darcy warfen uns einen knappen Blick zu, als uns der Geruch entgegenschlug. Kritisch beäugte Darcy das Innere und rümpfte die Nase, »Was ist das?«, stellte sie die entscheidende Frage.

»Das,« begann sie und setzte sich zu uns an den Tisch, »ist Kartoffeleintopf!« Ich hob den Löffel an, lies die dickflüssige Masse zurück in den Topf laufen. »Das sind Kartoffeln?« Darcy verzog angeekelt das Gesicht, doch Milena ließ sich nicht entmutigen und nahm mir den Löffel aus der Hand, schöpfte sich ihren Teller voll. »Jetzt stellt euch nicht so an. Ich bin sicher, es wird euch schmecken!« Zögerlich nahm ich den Löffel von ihr entgegen. Darcy erhob sich von ihrem Stuhl, »Ich geh Sam holen!« Ich und Milena hielten inne. »Sam? Wieso?«, wollte Milena wissen und Darcy drehte sich verwirrt zu uns um. »Na, zum Essen?«

Seufzend legte Milena den Löffel zurück in ihren Teller, »Ich weiß ja, dass ihr euch nahe steht, aber ist das wirklich notwendig?« Ich starrte hinab in meine Suppe, brachte es nicht über mich aufzusehen. »Was?«
»Ich mein ja nur? Er arbeitet für euch. Ist es nicht ein wenig ... schräg, dass er gleich neben an wohnt und ständig zum Essen kommt?«, fragte sie. Ich spürte wie Darcys Blick zu mir schnellte, auf etwas zu warten schien. Als ich schwieg, seufzte sie schwer. »Sam ist mein Freund.«, stellte sie klar. »Er gehört zur Familie.« Ich verkrampfte sichtlich. Ich konnte es ihr nicht sagen. Nicht jetzt. Nicht hier. Nicht so. Aber... Milena sah Darcy mit einem besorgten Blick an. »Er ist der Assistent deines Vaters.«, meinte sie, als wüsste meine Tochter das nicht.

Darcy starrte mich immer noch an, wartete auf meinen Einsatz. »Er ist mehr als das!«, stellte sie klar und ich wollte am liebsten den Raum verlassen. Nun wandte sich auch Milena mir zu. »Percy?« Mit einem Kloß im Hals richtete mich auf begegnete ihren fragenden Blick. »Er ist...«, begann ich, doch die Worte kamen mir nicht über die Lippen. Ungeduldig ergriff Darcy das Wort, »Sam und Dad sind zusammen!«, stellte sie klar und verschränkte triumphierend die Arme. Milena sah ein wenig überfordert in die Runde, »Ah, ich-«
»Wir sind nicht zusammen.«, nuschelte ich.

Darcy verdrehte die Augen, »Du musst es nicht mehr leugnen, Dad! Schon vergessen? Wir-«
»Nein,« langsam erhob ich mich, »wir sind wirklich nicht mehr zusammen, Darcy.« Die Worte hingen einen Moment zwischen uns, während die Farbe ihr Gesicht verließ. Aus großen Augen sah sie zu mir auf, »Das ist nicht lustig.« Ich schnaubte erschöpft, »Das ist kein Scherz.« Auch wenn ich mir sehnlichst wünschte, es wäre so.

Ihr Mund klappte auf und ich sah, wie sich etwas in ihr veränderte und dann- »Was hast du getan!«, rief sie erzürnt von der anderen Seite des Tisches. »Was?« Aufgebracht taumelte sie zurück, hob anklagend die Hand, »Sam, würde nicht einfach so gehen! Er würde nicht- Also-!« Ich presste meine Lippen zu einem dünnen Strich. »Ich habe gar nichts getan. Es war seine Entscheidung.« Ich wusste, dass diese Neuigkeiten schwer für sie sein würden, doch es gab nichts, was ich tun konnte. »Was hast du getan, Dad!«, schrie sie und auf eine seltsam erleichterte Weise begrüßte ich ihre Wut, »Es tut mir leid, Darce.« So leid.

Sie rieb sich über ihr Gesicht, »D-das könnt ihr nicht machen, dass...« Ihre Schultern verspannten, als ihre Wut verebbte. Seltsam kühl sah sie zu mir, bevor sie sich zur Haustür wandte. Ich wusste, wo sie hin wollte. Am liebsten würde ich ihr folgen, aber... »Er ist nicht mehr dort.«, gestand ich ihr und sie verharrte. »Er ist gestern ausgezogen.« Im nächsten Moment stürmte sie in die andere Richtung. Eine seltsame Stille breitete sich in der Küche aus, nach dem sie ihre Zimmertür hinter sich zu donnerte. Ich wusste, dass es schlimm werden würde, aber... Benommen setzte ich mich wieder neben Milena, die die ganze Szene still verfolgt hatte.

Seufzend schob ich mir einen Löffel ihres Eintopfs hinter, musste an mich halten, ihn nicht gleich wieder auszuspucken. Erwartend sah sie mich an, und als ich zu ihr aufsah, setzte sie zum Sprechen an: »Tut mir wirklich leid, dass mir dir und Sam. Ich wusste nicht, dass ihr-«
»Schmeckt köstlich.« brummte ich, bevor ich mich erneut von meinem Stuhl erhob und zu meinem Zimmer stapfte wie ein beleidigter Teenager.

Not your Secretary! [BxB]Where stories live. Discover now