53| Die Bürde des Helden

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Rescue
Lauren Daigle

Percy

Mit schnellen Schritten eilten wir durch die Gänge des Krankenhauses. Mit Darcy's Hand fest in mein Jackett-Ärmel gekrallt, kamen wir vor der Rezeption stehen. Nadines Anruf hatte uns vor gerade Mal einer Stunde erreicht. Vor gerade mal einer Stunde hatten wir erfahren, das Sam im Krankenhaus lag. Statt Darcy nun zur Schule zu bringen, wie geplant, waren wir durch die Stadt gejagt, wie Wahnsinnige. »Samuel Cortez,« brachte ich keuchend hervor, als ich mich gegen den Tresen lehnte. Die junge Frau auf der anderen Seite, warf uns einen knappen Blick zu, bevor sie etwas auf ihrem Computer eintippte. »Wir wollen zu Samuel Cortez.« Ich griff mir an meine stechende Seite, wartete auf mehr Informationen. Shit, ich war seit Jahren nicht mehr gerannt.

»Name und das Verhältnis zum Patienten?«, murmelte sie und legte den Kopf schief. Mein Kopf schnellte von meinem wanderten Blick wieder zurück zu ihr. »Moreau. Percival Moreau. Ich ... Ich bin sein Boss.« Die Frau warf mir einen seltsamen Blick zu, bevor sie erneut tippte und dann... »Mr. Cortez finden Sie in Zimmer 178. Aber-«
»Percival?«, Nadine bahnte sich einen Weg durch die vorbei eilenden Schwestern zu uns.

Ich ließ die Sekretärin stehen und eilte zu Sam's Schwester. Im Gegensatz zum ersten Mal an dem ich sie gesehen hatte, sah sie ganz anders aus. Ihr vehementes Lächeln war einem besorgten erschöpften Ausdruck gewichen, ihre Haare - damals schwere Braids - waren nun in dicken Locken streng nach hinten gebunden und selbst ihre Klamotten waren anders. Statt ihrem Overall trug sie nun Klamotten, als wäre sie gerade Wegs auf dem Weg zu einem Business-Meeting. Oder zu einer Beerdigung. »Nadine.«, begrüßte ich sie immer noch eine Spur atemlos.

»Was ist passiert?« Sie fuhr sich über die Stirn, sah unruhig über ihre Schulter. Am Telefon hatte sie nur erwähnt, dass Sam in einen Überfall verwickelt war, und nun im Krankenhaus lag. »Laut der Polizei, hat er einen jungen Mann verteidigt, der gerade ausgeraubt wurde. Anscheinend war der Angreifer jedoch bewaffnet.«, ihre Stimme wurde zum Ende hin dünn und auch ich schien zu Schwanken. Erst jetzt fielen mir die Offiziere auf, die an der Ecke des Ganges standen. »Haben sie, ich meine-«, stotterte ich. Nadine schüttelte den Kopf. »Sam hat vorher die Polizei gerufen. Sie haben den Kerl. Der junge Mann ist unverletzt, aber-«
»Sam!«, schaltete sich Darcy ein. »Verdammt nochmal, wie geht es Sam!«

Nadine lächelte schwach, »Ihm gehts einigermaßen gut.« Ich und Darcy atmeten kollektiv auf. »Ich meine, er hat eine Stich-Verletzung am Arm und eine schwere Gehirnerschütterung, sowie vereinzelte Blutergüsse, aber er wird wieder, er-« Darcy wartete gar nicht, bis Nadine geendete hatte sondern schob sich an ihr vorbei den Gang hinab. »Darcy!«, rief ich, gerade dabei mich an ihre Fersen zu heften, als mich Nadine sachte am Arm aufhielt. »Percy.« Ich drehte mich zu ihr um und merkte wie sie zögerte. »Als wir uns damals begegneten, meinten Sie, Sie wären sein Freund. Ich-«, sie haderte und setzte erneut an. »Die Ärzte meinen, sie können ihnen Morgen bereits entlassen, doch... seine Verletzungen sollten überwacht werden. Er braucht jemanden, der sich eine Weile um ihn kümmert.« Ihre Lippen wurden zu einem dünnen Strich. »Ich war gerade dabei in einen Flieger zu steigen, als der Anruf kam. Meine Schwester, sie ist krank und- Ich wünschte ich könnte - I-Ich meine ich sollte, aber ich kann nicht, aber er hat nur mich. Ich weiß, es ist viel verlangt, aber ... Sie waren der einzige, und ich weiß das ist zu viel, ich meine Sie sind sein Boss und-«
»Nadine.«, unterbrach ich sie und nickte. Ich verstand. »Ist schon okay. Ich kümmere mich um ihn.«

Eine Mischung aus Erleichterung und Schuld zogen sich durch ihre Züge. »Danke. Vielen Dank.« Seufzend sah sie den Gang hinab, dort hin, wo Darcy bereits verschwunden war. »Er hat bereits nach Ihnen gefragt.« Überrascht hob ich die Augenbrauen. »Tatsächlich?« Sie legte schmunzelnd den Kopf schief, »Ja, er steht gerade sehr unter dem Einfluss der Medikamente, wenn Sie verstehen. Das und die Gehirnerschütterung...«, sie schmunzelte fast schon amüsiert, und tausend fragen schossen durch meinen Kopf. »Er redet schon den ganzen Morgen davon, dass er in die Arbeit muss und nicht zu spät kommen darf.« Ah. Ich nickte. Das klang nach Sam. Schnaubend schüttelte sie den Kopf, »Er meint, dass Sie sonst denken, dass er Ihnen einen Kaffee holen geht und er das verhindern muss, weil Sie keinen Kaffee verdienen?» Ein Kopfschütteln. »Er war sehr gestresst wegen diesem Kaffee.«

Ein erleichtertes Schnauben entkam mir. Auf dem Weg hierher waren mir die schlimmsten Szenarien durch den Kopf gegangen. Die Sorge ließ mich selbst jetzt nicht los, doch es schien als würde meine Lungen ein Stück freier atmen können. Nadine nickte in Richtung Flur.

»Sie sollten zu ihm gehen.«

•••

Sam's Zimmer war das am Ende des Ganges. Ich hörte Darcy's Stimme bereits drei Schritte davor. »Tut es sehr weh?« Ein verächtliches Schnauben, »Ach bitte, du solltest mal den anderen sehen!« Ich erreichte die Tür und lehnte mich gegen den Rahmen, wollte die Szene nicht unterbrechen, die sich nun vor mir bot: Darcy hatte sich im Schneidersitz auf die Matratze gehockt, direkt gegenüber von Sam.

Sam, der ziemlich bleich in dem Weiß des Zimmers unterzugehen schien. Sam, der an verschiedene Maschinen angeschlossen war und dessen Wange sich bereits lila färbte. Sam, der unnatürlich breit grinste, im Anbetracht der Tatsache, dass er meiner 12 jährigen Tochter gerade ausgiebig schilderte, wie er einen Mann verprügelt hatte. »- und dann,« er machte eine Bewegung mit seiner Hand, äffte das Geräusch einer Explosion nach, »ist er einfach umgefallen. Zack. Weg.«
»Zack, weg?«, kicherte Darcy, die gerade hundertprozentig dabei war Sam's derzeitig geistigen Zustand auszunutzen und in vollen Zügen zu genießen. Mit großen ehrfürchtigen Augen nickte er, als hätte er ihr gerade das Geheimnis der Welt anvertraut, »Zack. Weg.«

Ich konnte mir ein raues auflachen nicht verkneifen und lenkte damit die Aufmerksamkeit auf mich. »Shit, Dad. Sam ist sowas von high!« Ich verzog das Gesicht und sah sie tadelnd an. »Darcy. Wortwahl.« Ich fuhr mir über den Nacken und betrat den Raum, stellte mich hinter sie und sah auf die ausgelaugte Gestalt hinab. »Das sind die Medikamente. Das legt sich bald wieder:«, klärte ich sie auf, als wäre das nicht offensichtlich. Sam gluckste, als wäre es das lustigste, das er jemals gehört hatte, »Du bist hier.«, säuselte er und meinte damit anscheinend meine Wenigkeit. Er hob die Hand und schien in einer wirren Geste auf mich und die Luft um mich herum zu deuten. »Chaos. Nichts als überwältigendes, wunderschönes Chaos.«, säuselte er kaum verständlich.

Darcy hob die Augenbrauen und ich musste mich räuspern. »Darce, wärst du so lieb und holst mir einen Kaffee? Ich muss mich kurz mit Sam allein unterhalten.«, meinte ich und schob sie Richtung Tür. »Was! Aber-?« Ich kramte in meiner Tasche und drückte ihr meinen Geldbeutel in die Hand. »Geh und plündern den Snack-Automaten. Gib uns nur 10 Minuten.« Ihr Protest stellte sich augenblicklich ein.

Grinsend steckte sie sich mein Geld in meine Tasche und eilte Richtung Tür. Bevor sie jedoch verschwand, winkte sie noch dem Patienten. »Bye, Sam!« Schwach winkte er zurück.

»Bye, Miss Darcy!«

Not your Secretary! [BxB]Where stories live. Discover now